Es war der perfekte Hochzeitstag. Die Sonne strahlte, wie sie es in kitschigen Romanzen auch immer tut. Wir sassen in einem Café am Seeufer der indischen Stadt Udaipur, und als der Hochzeitstross, begleitet von einer scheppernden Blaskapelle, an uns vorbeizog, dachten wir nur: «So ein Zufall, dass wir das erleben dürfen!» Keine halbe Stunde später kam der nächste bunte Tross. Und kaum war der ausser Sichtweite, kündigten schiefe Töne auch schon die dritte Parade an. «Vielleicht sind wir hier an einem Wallfahrtsort für heiratende Hindus gelandet», sagte die Frau, die neben mir sass und wie ich als Touristin Indien bereiste. Erst später erfuhren wir von einem Einheimischen: «In diesem Monat stehen die Sterne besonders gut, vor allem für Hochzeiten, und ganz speziell am heutigen Tag.»

Die Astrologie hat in Indien einen anderen Stellenwert als bei uns. Sie gehört, vor allem bei den Hindus, so sehr zum Alltag wie die religiösen Rituale. Vor allen wichtigen Entscheidungen werden die Sterne konsultiert. Das handhaben auch Hindus so, die längst im Westen wohnen, wo Horoskope zwar ebenfalls zum Alltag gehören, aber mehr der Unterhaltung dienen denn als Lebenshilfe ernst genommen werden.

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«Unsere Horoskope stimmen zu 70 Prozent überein»: Kaja und Raja Rangarajan (Namen geändert)


Raja Rangarajan (Name geändert) zeigt auf ein bedrucktes Blatt. Es klebt im Fotoalbum zuvorderst. «17.49 bis 19.19» ist oben in kleiner Schrift zu lesen. Die Angabe steht für jene 90 Minuten, in denen die Gestirne am 21. Juni 1992 in besonders idealer Konstellation am Himmel standen - jedenfalls in Relation zu seinem und dem Geburtshoroskop seiner Braut Kaja.

Wohnungswechsel nur am richtigen Tag
Die Rangarajans wohnen in einer Vorortsgemeinde von Zürich - Raja, der in einer Fabrik arbeitet, lebt schon seit Anfang der achtziger Jahre in der Schweiz, Kaja seit kurz nach ihrer Hochzeit. Noch bevor sie sich richtig kennenlernen konnten, wurden die Sterne konsultiert: Ihre Familien liessen eine vergleichende Analyse ihrer beiden Geburtshoroskope erstellen. «Sie stimmen zu 70 Prozent überein», sagt Raja, das sei gut − und schaut zu Kaja, die auf dem Stuhl neben ihm sitzt und fröhlich nickt.

Den idealen Zeitpunkt ihrer traditionellen Hindu-Hochzeit habe ihr Priester ausgerechnet, erzählt der Tamile, die ganzen Berechnungen seien höchst komplex. Was diese 90 Minuten so ideal machte, wissen sie auch nicht genau, «nach Details haben wir damals nicht gefragt», sagt Raja. Wichtig sei aber auf jeden Fall, dass die Konstellation einerseits für den Tag selber gut ist und anderseits auch für die Zukunft: ein Fest ohne Zwischenfälle und die bestmöglichen Bedingungen für die Ehe, damit sie eben «unter einem guten Stern» steht, sagt der 34-Jährige. Auf 16 Ehejahre zurückblickend, sind beide voll und ganz zufrieden mit den Berechnungen und Versprechen von damals: «Wir können gut miteinander umgehen; ich würde sagen, unsere Beziehung ist grosszügig und tolerant.»

Astrologischen Rat holen sich die Eltern einer 14-jährigen Tochter auch in anderen Belangen. Zum Beispiel bevor sie in eine neue Wohnung ziehen, denn auch bei einem solchen Schritt sei das Datum wichtig, sagt Raja und zeigt auf den astrologischen Kalender, der im Wohnzimmer an der Wand hängt: «Er gibt Auskunft über die an dem jeweiligen Tag gegebene Sternenkonstellation. Und er erteilt Ratschläge für den Alltag.»

Der Ernsthaftigkeit, ja dem Glauben, der in Indien und Sri Lanka der Astrologie entgegengebracht wird, begegnen wir in unseren Breitengraden mit Unverständnis oder wenigstens Skepsis. Für Monica Kissling alias Madame Etoile, die seit vielen Jahren für die Hörer von DRS 3 die astrologischen Wochenprognosen erstellt, sind die Unterschiede kulturell begründet: «Im asiatischen Raum haben Mystik, Spiritualität und Magie eine viel grössere Bedeutung als in unserer westlichen Welt.» Die Menschen würden dort «ganzheitlicher, oft aber auch fatalistischer» denken und handeln.

Sowohl Monica Kissling als auch Alexandra Klinghammer, Geschäftsführerin der astrologischen Beratungsfirma Astrodata in Zürich, bieten nebst Persönlichkeitsanalysen auch Datumsberatungen an. Bei Astrodata erkennt man sogar eine Zunahme der Anfragen: «Es gibt einen Trend, der aber weniger von Laien als von Menschen mit einigen Astrologiekenntnissen ausgeht, und zwar sowohl was Firmengründungen als auch die Berechnung von Hochzeitsterminen betrifft.» Monica Kissling beschreibt ihre durchschnittlichen Kunden als «gut ausgebildet, im mittleren und oberen Kader berufstätig, viel gereist, keine spirituelle Veranlagung».

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«Wenn Merkur rückläufig ist, ist das nicht so gut»: Paola und Bernhard Ganyi


Die 42-jährige Paola Ganyi aus Luzern ist eine von ihnen. Sie und ihr Mann Bernhard heirateten vor zwei Jahren. Beraten liessen sie sich allerdings nicht für den laut Astrologen ausschlaggebenden Hochzeitstermin vor dem Standesamt, sondern «nur» fürs Hochzeitsfest mit Freunden und Familie. «Richtig geheiratet haben wir am 22. 2. 2006. Das Datum war gesetzt, weil es eine schöne Zahl ist und weil wir uns genau an diesem Tag fünf Jahre zuvor kennengelernt hatten», erzählt die Sozialarbeiterin. «Für das Fest, zu dem wir 100 Leute einluden, liess ich mir von der Astrologin mehrere Termine vorschlagen. Mir war wichtig, dass von den Sternen her die Voraussetzungen gegeben waren für ein fröhliches Fest in lockerer Atmosphäre, für eine offene und kommunikative Stimmung.» Und so sei es am 6. Mai 2006 dann auch gewesen, schwärmt Ganyi: «Ein geniales Fest! Ich werde auch heute noch immer wieder von Leuten, die dabei waren, darauf angesprochen.»

Dass die Sterne an diesem 6. Mai auch für die gemeinsame Zukunft gut standen, davon ist Paola Ganyi überzeugt, obwohl sie diesbezüglich keine Analyse erstellen liess, sondern auf ihr Bauchgefühl vertraute. In den Wochen zuvor sei der Planet Merkur rückläufig gewesen - als Zuhörerin von Madame Etoiles Astrosendung am Radio weiss sie: «Das ist generell nicht so gut.» Ihr Mann müsse übrigens «amig chli lachen», wenn sie ihm berichte, wie es da oben bei den Planeten gerade aussehe und welche Bedeutung das für uns Menschen habe, «aber er ist offen und hatte kein Problem damit, unser Hochzeitsfest nach den Sternen zu planen».

Der 8. 8. 2008 ist kein guter Heiratstag
«Mit der Astrologie kann man einen Menschen sehr viel besser kennenlernen und dadurch in Krisensituationen besser miteinander umgehen», glaubt Flavia Fausch. Die 25-jährige Bündnerin hat ihren Partner Marcel am 13. Juli 2006 standesamtlich geheiratet, das Fest fand am Tag darauf statt. Dieses Datum haben auch sie aufgrund astrologischer Beratung gewählt. Dass das die Garantie für eine funktionierende Ehe ist, glaubt die kaufmännische Angestellte, die sich selber parallel zur Astrologin ausbilden lässt, aber nicht. «Eher bietet es wohl gute Eckpfeiler, eventuell die richtigen Werkzeuge, mit denen wir letztlich doch selber arbeiten müssen», sagt sie.


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«Mit Astrologie Menschen besser kennenlernen»: Flavia und Marcel Fausch


Ähnlich formulieren das auch die beiden Profi-Astrologinnen. Alexandra Klinghammer: «Ein gut ausgewähltes Hochzeitshoroskop kann Entwicklungen in der Partnerschaft positiv unterstützen und fördern. Wichtige Themen und Stationen im Laufe der Ehe ergeben sich aber in erster Linie aus der direkten Berührung der Geburtshoroskope beider Partner.» Und Monica Kissling relativiert: «Konstellationen haben grundsätzlich keinen direkten Einfluss; sie spiegeln aber die Qualität der Beziehung. In der Regel wählt man instinktiv - für die Hochzeit und auch bei anderen wichtigen Entscheidungen - einen Zeitpunkt, der passt. Wichtig ist aber vor allem auch die Übereinstimmung der beiden Partner und ihrer persönlichen Horoskope.»

Wer am 8. 8. 2008 heiratet, liess sich wohl weniger vom Instinkt leiten als vielmehr von den weichen Rundungen dieses Datums betören. Das, meint Kissling, sei nicht ganz unproblematisch. Besonders bezogen auf diesen speziellen Tag, wie Alexandra Klinghammer erklärt: «Aus astrologischer Sicht würde man den 8. 8. 2008 nicht für eine Eheschliessung favorisieren. An diesem Tag ist Viertelmond, das heisst, der Mond als Symbol für die Frau und die Sonne als Symbol für den Mann stehen in Spannung zueinander. Das Tageshoroskop zeigt zudem, dass hohe Idealvorstellungen und zugleich ein grosser Wunsch nach Freiheit vorhanden sind.»

Eine astrologische Erklärung dafür, dass in der Schweiz 49 Prozent der Ehen geschieden werden, gibt es laut den Expertinnen übrigens nicht. Daran, dass die Leute die falschen Hochzeitstermine wählen, wird es kaum liegen.

9. 9. 2009: Madame Etoile für Frühplaner

Heiraten will geplant sein. Deshalb hier exklusiv die Prognosen für den 9. 9. 2009 von Astrologin Monica Kissling alias Madame Etoile: «Die Venus steht im grosszügigen Löwen in Opposition zum exzessiven Jupiter, was auf grosse Ausgaben wie auch auf grosse Erwartungen hinweist. Wer an diesem Tag heiratet, geht vermutlich mit etwas zu grossen Hoffnungen in die Ehe. Im späteren Eheleben kann die Tendenz zu Luxuskäufen immer wieder Sparmassnahmen erfordern. Nicht optimal ist, dass Merkur am 9. 9. rückläufig und disharmonisch ist. Das weist auf organisatorische Probleme, kleinere Pannen oder Absagen von Gästen am Hochzeitstag sowie für das spätere Eheleben auf eine etwas erschwerte Kommunikation zwischen den Partnern hin. Der 9. 9. 2009 eignet sich für ein grosses Fest, das das Budget arg strapaziert.»