«Wäääh!» Die sechsjährige Nina verzieht das Gesicht und streckt Becher Nummer zwei weit von sich. Nach dem ersten Schluck ist ihr Urteil klar: Perldor Lilibiggs, der Kinder-Champagner aus der Migros, ist überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Testbecher Nummer acht, Perldor Doux, ebenfalls aus der Migros, hat sie «am gernsten». Zuerst kurz genippt, dann - schwupp - kippt sie den restlichen Inhalt in einem Zug runter.

Doch wem schmecken die alkoholfreien Schaumweine überhaupt - den Kindern oder den Erwachsenen? Und gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten? Sieben Kinder im Alter von vier bis neun Jahren sowie ein halbes Dutzend Erwachsene haben für den Beobachter in einer Blind-Degustation acht verschiedene moussierende Traubensäfte bewertet. Die Kleinen verteilten Smileys, die Grossen vergaben Schulnoten.

Die Migros gewinnt
Die Resultate sind überraschend: Die Migros geht als Siegerin hervor - ihr Perldor Doux schmeckt Kindern wie Erwachsenen gleichermassen (siehe Testresultat). Die Tester erkannten offensichtlich ähnliche Produkte: Bei den Grossen liegen die vergleichbaren Rimuss Champion und Perldor Classic praktisch gleichauf, die Kleinen benoteten Rimuss Party und Perldor Doux sogar identisch.

Weitere Überraschung: Der für Zwei- bis Achtjährige entwickelte Globi Schampus von Rimuss mundet den Erwachsenen besser als den Kindern, kommt aber auch bei den Grossen nicht über die Note «genügend» hinaus. Dieses Produkt wird von auffallend viel Marketing-Schnickschnack begleitet: drei verschiedene Flaschensujets, ein beiliegendes aufklebbares Tattoo und ein Leiterlispiel auf dem Karton.

Im Durchschnitt noch eine Spur schlechter benoten die Kinder den eingangs erwähnten Lilibiggs-Sekt von der Migros. Allerdings war kein anderes Produkt so umstritten: Nicht nur Nina, 6, sondern auch Loïc, 7, Levin, 6, Laura, 9, und Abijan, 5, fanden ihn «klebrig» oder «gruusig», während Kaja, 6, und Naima, 4, die Bestnote vergaben. Der Lilibiggs-Sekt war das einzige Produkt in der Degustation, das überhaupt keinen Traubensaft enthält, sondern Johannisbeeraroma. Selbst Migros räumt ein, dass die Verkaufszahlen nur «zufriedenstellend» waren. Lilibiggs wird darum dieser Tage ersetzt durch Disney Kids Proseccoli mit Himbeeraroma - das neue Produkt ist aber auch beinahe einen Viertel teurer als das alte.

Enttäuschend schneiden die beiden Nischenprodukte ab. Der Ostschweizer Tröpfel und auch der Cadet Muscaté des Neuenburger Schaumweinproduzenten Mauler fallen bei den Kindern wie bei den Erwachsenen gleichermassen durch. Das ist umso bemerkenswerter, als beide Produkte in der Aufmachung (Champagnerflasche) und punkto Geschmack versuchen, möglichst nahe an einen alkoholhaltigen Schaumwein heranzukommen. Tröpfel ist zudem mit Fr. 24.50 (bei Jelmoli) das mit Abstand teuerste Produkt in der Beobachter-Degustation.

Auffallend ist ferner, dass die Erwachsenen selbst den besten alkoholfreien Sekt (Perldor Classic) nur mit einer (aufgerundeten) Note 5 bewerteten. Wirklich überzeugt, so das Urteil der Erwachsenenjury, hat er nicht. Die meistgenannte Kritik: zu süss, zu klebrig, geschmacklich zu nah an gewöhnlichem Traubensaft. Mehrfach fielen sogar die Begriffe «medizinisch» oder «chemisch», obwohl die Hersteller beteuern, es handle sich bei den moussierenden Traubensäften um reine Naturprodukte - mit Ausnahme natürlich der Kohlensäure, die unmittelbar vor der Flaschenabfüllung zugesetzt wird. Bei gewöhnlichen Schaumweinen entwickelt sich die Kohlensäure während des Gärprozesses in der Flasche.

Kinder wollen dazugehören
So oder so, alkoholfreie Schaumweine sind im Champagnermarkt ein Nischenprodukt. Einzig für die Rimuss- und Weinkellerei Rahm AG im schaffhausischen Hallau, die sie anno 1954 erfunden hatte, sind sie eine nennenswerte Ertragsstütze: Mit jährlich rund drei Millionen verkauften Flaschen machen sie knapp die Hälfte des Umsatzes aus. Rimuss ist denn auch mit rund 70 Prozent Marktanteil unbestrittener Leader.

«Rund 85 Prozent aller Flaschen werden im November und Dezember abgesetzt», weiss Rimuss-Geschäftsführer Peter Rahm. Nicht verwunderlich, erfüllt der alkoholfreie Schaumwein doch vor allem einen Zweck: Die Kinder können - gerade an Silvester - anstossen wie die Grossen. Sie erhalten das Gefühl, zur Festgesellschaft dazuzugehören. Genauso geschah es bei der Beobachter-Degustation. Das Probieren von acht verschiedenen Traubensäften versetzte die Kinderschar nicht eben in Begeisterung - anders der anschliessende Fototermin. Das zigfache Anstossen für den Fotografen mit den klingenden Gläsern liess die Stimmung innert Minuten hochschnellen: Prost!

Alkoholfreie Schaumweine im Test