Das Problem:

«Unsere elfjährige Tochter übernachtet ab und zu bei ihrer Freundin. Offenbar gehen die Mädchen dort sehr spät zu Bett, und ich weiss nicht, was dort noch so alles passiert. Auf Umwegen habe ich erfahren, dass sie auch schon ein Pornovideo angeschaut haben. Die Freundin begleitete uns in die Ferien. Auch dort war Sex ein Thema. Ist das altersgerecht? Und wie können wir unsere Auffassung von Sexualität mitteilen, ohne lächerlich, verletzend oder autoritär zu wirken?»

Irene K.

Koni Rohner, Psychologe FSP:

Versuchen Sie, mit diesem «heissen Thema» so umzugehen, wie Sie es mit jedem anderen auch tun würden: möglichst offen, sachlich und natürlich. Besprechen Sie mit Ihrem Mann, was Ihnen Angst macht, und teilen Sie dies der Tochter möglichst ohne Vorwürfe mit. Befürchten Sie, dass sie ein falsches Bild von der Sexualität bekommt, dass sie dieses Gebiet zu früh kennen lernt, dass sie verführt oder gar missbraucht werden könnte? Oder haben Sie Angst vor einer lesbischen Entwicklung?

Ob das Interesse der Mädchen altersgerecht ist, lässt sich von der Entwicklungspsychologie her nicht so leicht sagen. Sexualität ist bereits bei kleinen Kindern vorhanden und erfährt in der Pubertät aufgrund der hormonellen Veränderung eine starke Intensivierung. Ob und wie sich die Sexualität äussert, hängt allerdings auch sehr von der kulturellen Umgebung ab. Wegen des leichten Zugangs zu den Medien und der Dauerpräsenz von sexuellen Reizen in unserem Alltag sind diese Einflüsse kaum zu kontrollieren. Umso wichtiger ist das offene Gespräch.

Es ist weder lächerlich noch autoritär, wenn Sie Ihrer Tochter deutlich sagen, welches Ihre persönliche Einstellung zur Sexualität ist. Heute geht es nicht mehr so sehr um die so genannte «Aufklärung», sondern vielmehr um ethische, moralische und praktische Fragen: Wie soll oder kann man mit der Sexualität auf sinnvolle und liebevolle Weise umgehen? Wie praktiziert man Sexualität, ohne sich oder andere emotional oder gesundheitlich zu schädigen?

Wenn wir trotz unserer Lebenserfahrung in diesen Punkten selbst noch immer unsicher sind, sollten wir dies auch vor unseren Kindern nicht verbergen. Denn sie merken gerade bei diesem Thema, wenn wir uns unecht verhalten.