Heute ist wieder so ein Moment: Jetzt wird aus der Hausmannrolle ein subtiler Managementjob. Das Mittagessen brutzelt auf dem Herd, die Kinder kommen von der Schule, und dann klingelt das Telefon. Eine Mutter beschwert sich über eine Gruppe Kinder, die sich immer wieder in die Haare geraten: «Ihr Sohn gehört dazu.» Jetzt hat Raphael Kaiser eine Stunde Zeit. Zuerst muss er den Konflikt mit der Mutter klären, dann ein intensives Gespräch mit dem Sohn führen. Dazu fertig kochen, essen, aufräumen und für die siebenjährige Angela den Turnsack bereitmachen. Um ein Uhr brechen die Kleinen auf. Der 42-Jährige winkt seinen Kindern nach. Dann geniesst er mit einem Espresso und der Zeitung seine Pause.

Erst vor kurzem hat sich Kaiser als Paar- und Familientherapeut selbstständig gemacht, mit der Praxis im Wohnhaus der Familie im Luzerner Vorort Meggen. So kann er die Stundenplanlücken der Kinder für Büroarbeiten oder eine Sitzung nutzen, ohne Zeit zu verlieren. «Der Stundenplan ist nicht gerade elternfreundlich, aber es geht.» Seine Partnerin Regula Binkert ist 44 und arbeitet auswärts in einem 70-Prozent-Pensum als Psychomotoriktherapeutin. Mit einem konzentrierten Wochenplan haben sich beide organisiert. Zwei Tage ist er daheim, mittwochs und donnerstags sie, und freitags wirbelt der Vater wieder zwischen Praxis und Kindern. Mit etwas Abendarbeit kommt er so auf rund 50 Prozent.

Das Teilzeitmodell hatte das Paar schon geübt, bevor die Kinder da waren. 100 Prozent im Beruf arbeiten wollte Raphael Kaiser nie: «Ich habe zu viele andere Interessen.» Aber er musste enorm umlernen. «Was ich zunächst nicht konnte, war das blitzschnelle Umschalten von einer Anforderung auf die nächste. Kinder kommen ja immer, wenn man gerade mit etwas anderem beschäftigt ist.» Früher machte er seine Arbeit linear. Nun waren plötzlich Flexibilität und kommunikative Fähigkeiten gefragt. Perfektionsansprüche mussten revidiert werden.

Er habe durch die Kinderbetreuung am meisten gelernt im Leben, sagt Kaiser. Und geniesst diese Mischung die Nähe zu den Kindern, die Partnerschaft, den Beruf, gelegentliche Freiräume für Hausmusik und fürs Fotografieren: «Intensiver kann man Familie wohl nicht leben.» Und man laufe so nicht Gefahr, eindimensional zu werden. Als Therapeut trifft er immer wieder auf Männer, die zwar voll im Beruf auf-, in der Familie aber untergehen. Sie fühlen sich dort ausgeschlossen, manche werden krank. Raphael Kaiser rät ihnen, sich einzulassen auf die Familie und die Zeit mit ihr bewusst zu nutzen. Und Prioritäten zu setzen. «Alles andere», glaubt er, «ist ungesund.»