So hatte sich Andrea Fischer Lötscher die ersten Tage mit ihrem ersten Kind nicht vorgestellt. «Ich hätte meinen Sohn jedem geschenkt, der ihn haben wollte – Hauptsache, er wäre wieder weg gewesen», blickt die vierfache Mutter zurück. Von überbordender Mutterliebe keine Spur, dafür das Gefühl, völlig überfordert zu sein. Zudem dominierte die Vorstellung, die eigenen Bedürfnisse fortan hinter jene des Kindes stellen zu müssen: «Ich fühlte mich wie lebendig begraben.»

Die freischaffende Hebamme Elisabeth Wyler aus St. Antoni FR schätzt, dass jede dritte Mutter ernsthafte Schwierigkeiten hat, sich an ihre neue Rolle zu gewöhnen. Jede zehnte leidet an einer Wochenbettdepression. «Die Ansprüche an sich selbst sind schlicht zu hoch», sagt Wyler. Hinzu kommen die Erwartungen der Gesellschaft: Frisch gebackene Mütter sollen glücklich sein, schön aussehen, das Baby lieben, lächelnd Besucher empfangen und bewirten und sich möglichst sofort von den Strapazen der Geburt erholt haben.

Schöne Momente sind am Anfang rar


«Früher dauerte das Wochenbett im Spital rund zehn Tage, heute gehen die meisten Frauen schon nach drei bis fünf Tagen heim», so Elisabeth Wyler. Wobei «heim» bedeutet: Isoliert von Kolleginnen, weg vom Arbeitsalltag, muss die Mutter allein mit der neuen Situation zurechtkommen, während der Partner arbeiten geht. Und die schönen Momente mit einem Neugeborenen, das während 24 Stunden den Tagesablauf diktiert, sind am Anfang rar.

Für den Basler Psychoanalytiker Franz Renggli liegt es auf der Hand, dass sich viele junge Mütter oft überfordern: «Eine Mutter gibt dem Baby von Natur her alles, was sie kann, vernachlässigt dabei aber sich selber.» Zudem bekomme sie kaum Anerkennung dafür; vielmehr würde sie von Schuldgefühlen geplagt, wenn das Baby trotz ihrer Aufopferung weine.

Ein schlechtes Gewissen ist allerdings fehl am Platz. Im Gegenteil: Jetzt ist gesunder Egoismus gefragt. Denn alles, was der Mutter gut tut, nützt letztlich auch dem Baby (siehe «Mütter: Überlebenshilfen»). Zudem lässt sich der Alltag mit einem Neugeborenen mit einfachen Mitteln erleichtern:

Weinende Babys beruhigen sich in einem Tragetuch schnell. Umgekehrt haben Studien gezeigt, dass getragene Babys deutlich weniger weinen. Auf diese Weise können Mütter problemlos auch spazieren oder einkaufen gehen und das Nötigste im Haushalt besorgen.

Wer das Baby nicht tragen kann oder darf, legt es am besten in eine spezielle Babyhängematte. Das Schaukeln erinnert Neugeborene an die Zeit im Mutterleib und wirkt beruhigend.

Ebenso beruhigend wirkt eine Babymassage. Ausserdem können sich Eltern und Kind dabei besser kennen lernen.

Da Neugeborene den Tag-Nacht-Rhythmus erst lernen müssen, empfiehlt es sich, nachts nicht mit dem Baby zu reden, es nicht unnötig herumzutragen oder zu streicheln und kein Licht zu machen.

Doch all dies bringt wenig, wenn nicht auch die Mutter Unterstützung bekommt. «Am meisten haben mir jene Leute geholfen, die mich verstanden, im Haushalt entlasteten oder mein Baby betreuten, damit ich mich erholen konnte», sagt Andrea Fischer Lötscher. Weshalb die Überforderung rasch verschwand: «Heute bin ich absolut happy mit den vier Buben.»

Beratung


Elternnotruf: Telefon 01 261 88 66;
Internet: www.elternnotruf.ch


Buchtipps


Pascale Gmür: «Mutterseelenallein»;
Verlag Pro Juventute, 2000, Fr. 22.80

Carol Dix: «Eigentlich sollte ich glücklich sein»;
Kreuz-Verlag, 1998, Fr. 26.90

Barbara Sichtermann: «Vorsicht Kind. Eine Arbeitsplatzbeschreibung für Mütter, Väter und andere»;
Verlag Wagenbach, 2002, Fr. 18.10