Sabine Naus (Name geändert) war 42 Jahre alt, als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger wurde. In diesem Alter ist das Risiko erhöht, ein Kind mit Downsyndrom zu gebären. Deshalb liess sie eine Fruchtwasserpunktion, eine Amniozentese, durchführen. Glücklicherweise zeigte diese keine Auffälligkeiten. Die Rechnung über rund 1400 Franken reichte sie ihrer Krankenversicherung ein; diese erstattete den Betrag aber nicht zurück. Einige Monate später erzählte eine Kollegin Naus, auch sie habe mit über 40 einen Test durchführen lassen, und die Krankenkasse habe die Untersuchung bezahlt. Bei Risikoschwangeren seien die Kassen dazu verpflichtet. Naus fragte bei ihrer Krankenkasse nach - und diese zahlte diskussionslos. Das Beispiel zeigt: Wer seine Rechte nicht kennt, dem kann viel Geld entgehen.

Deshalb hier das Wichtigste: Grundsätzlich werden bei normalen Schwangerschaften die üblichen Untersuchungen und Ultraschallkontrollen von der Grundversicherung ohne Anrechnung von Franchise und Selbstbehalt übernommen. Spezielle Kontrollen wie die Fruchtwasserpunktion zahlt die Krankenkasse nur bei Risikoschwangerschaften - sonst gar nicht.

Es gibt verschiedene Risikogründe
Wann spricht man von Risikoschwangerschaft? Frauen, die älter als 35 sind, wenn sie schwanger werden, gelten als risikoschwanger. Ist die Frau jünger, wirds komplizierter: Das Alter sei nicht der alleinige, absolute Faktor zur Definition einer Risikoschwangerschaft, sagt Rudolf Luginbühl, Ombudsmann der sozialen Krankenversicherung. «Massgebend ist das spezielle individuelle Risiko für die Versicherte oder das Kind.» Ob ein Risiko besteht und welche Behandlungen nötig sind, ist oft auch von der Diagnose des Arztes abhängig.

Laut Wolfgang Holzgreve, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, gibt es mehrere Messgrössen, mit denen heute genauer bestimmt werden kann, ob ein Risiko für bestimmte Fehlbildungen besteht. So gibt es den so genannten Ersttrimestertest, bei dem aus dem Alter, bestimmten Hormon- und Eiweisswerten im Blutserum der Mutter und der Nackentransparenzmessung beim Kind die Wahrscheinlichkeit für einige Chromosomenstörungen berechnet wird. Die Kosten für eine solche Risikoberechnung betragen etwa 150 Franken und werden laut Bundesamt für Gesundheit von der Grundversicherung nicht bezahlt.

Der Arzt sollte informieren
Liegt das Ergebnis über einem gewissen Grenzwert, spricht man von Risikoschwangerschaft - unabhängig vom Alter -, und Versicherungen müssen Untersuchungen vergüten, mit denen man Klarheit schaffen will, ob eine Fehlbildung vorliegt. Dazu zählen die Fruchtwasserpunktion und die Chorionzottenbiopsie, eine Gewebeuntersuchung der sich bildenden Plazenta. Jede Frau kann entscheiden, welche vorgeburtlichen Untersuchungen sie durchführen lässt, denn falls diese auf Fehlbildung des Kindes hinweisen, steht die werdende Mutter vor einer schwierigen Entscheidung: Will sie bewusst ein behindertes Kind zur Welt bringen? Vor einer solchen Kontrolle ist deshalb ein intensives Aufklärungs- und Beratungsgespräch nötig.

Wer sich dann für eine Untersuchung entscheidet, sollte sich informieren, ob die Kosten übernommen werden. «Eigentlich muss der Arzt, der die Untersuchung empfiehlt, der Frau mitteilen, ob diese bei ihr unter die Pflichtleistung der Krankenkassen fällt», meint Ombudsmann Luginbühl. Im Zweifel solle die Kasse vorgängig um Kostengutsprache gebeten werden.

Dies gelte auch bei anderen Fragen. «Die Diskussion im Vorfeld ist vielfach einfacher als der Streit um eine vorliegende Rechnung», betont er. Wurde diese Möglichkeit nicht wahrgenommen und ist man sich über die Kostenübernahme unsicher, sollte man bei der Kasse nachhaken.

Was die Krankenkassen an Kosten übernehmen müssen

1. Übliche Untersuchungen bei normaler Schwangerschaft, die von der Grundversicherung ohne Anrechnung von Franchise und Selbstbehalt übernommen werden:

  • Erstkonsultation: Erfassung der Krankengeschichte, klinische und vaginale Un-tersuchung und Beratung, Untersuchung auf Varizen und Beinödeme, Veranlassung der notwendigen Laboranalysen.

  • Weitere Konsultationen: Kontrolle von Gewicht, Blutdruck, Fundusstand, Urinstatus, Abhören der kindlichen Herztöne, Veranlassung der nötigen Laboranalysen.

  • Eine Ultraschalluntersuchung zwischen der 10. und der 12. und eine zwischen der 20. und der 23. Schwangerschaftswoche.


2. Spezielle Untersuchungen, die nur bei nachgewiesener Risikoschwangerschaft übernommen werden:

  • So viele Ultraschalluntersuchungen, wie der Arzt für nötig empfindet.

  • Fruchtwasserpunktion (Amniozentese): Mit einer dünnen Nadel, durch die Bauchdecke in die Fruchthöhle eingeführt, wird ein wenig Fruchtwasser entnommen.

  • Untersuchung des Plazentagewebes (Chorionzottenbiopsie): Unter Ultraschallkontrolle durch die Bauchdecke wird Zottengewebe aus der Plazenta entnommen.

  • Kardiotokographie: Messung von Herz- und Wehentätigkeit; bei Verdacht, dass das Kind im Mutterleib nicht richtig versorgt ist.


Als Risikoschwangerschaften gelten:

  • Solche von Frauen ab 35 Jahren.
  • Solche von jüngeren Schwangeren mit vergleichbarem Risiko, etwa bei Verdacht auf eine Chromosomenstörung nach dem Ersttrimester- oder AFP-Test (Bluttest im zweiten Schwangerschaftsdrittel), auffälligem Ultraschallbefund, chromosomalen Missbildungen oder erblichen Blut- und Stoffwechselerkrankungen in der Familie.


3. Untersuchungen, die in keinem Fall von der Krankenkasse übernommen werden:

  • Nabelschnurpunktion
  • Fruchtwasserschnelltest