Als das zweite Kind unterwegs war, entschieden sich Annelies Bischofberger (Name geändert) und ihr Konkubinatspartner für die «klassische» Rollenaufteilung: Sie würde mehrheitlich für den Nachwuchs Als Mutter Teilzeit arbeiten Ein Ehemann ist keine Altersvorsorge sorgen, er behielt sein Arbeitspensum. «Kein Problem», dachte Annelies Bischofberger, «dann ändern wir einfach die Aufteilung der Erziehungsgutschriften

Erziehungsgutschriften sind eine Kompensation für die Erziehungsarbeit von Eltern. Mit den Gutschriften wird einst die AHV-Rente erhöht, ohne dass Beiträge bezahlt werden müssen.

Welche Behörde muss über eine Vereinbarung informiert sein?

Annelies Bischofberger wollte es ganz korrekt machen. Doch das endete in einer Odyssee durch die helvetische Ämterlandschaft. Erst ging sie zum Zivilstandsamt, das hatte die Vereinbarung der Eltern über die Unterhaltszahlungen erstellt. Es verwies sie aber an den regionalen Sozialdienst. Doch auch dort wusste niemand weiter – man schickte Bischofberger zur AHV-Zweigstelle. Sie brauche eine amtliche Bestätigung, zudem müsse sie eine neue Sorgerechtsvereinbarung zwingend beglaubigen lassen, hiess es dort.

Die AHV-Ausgleichskasse könne ihr weiterhelfen, meinte man bei der AHV-Zweigstelle. Falsch, hiess es dann aber dort, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) sei zuständig. Die Kesb schliesslich meinte, ein «Fötzeli» für eine neue Vereinbarung genüge, aber Bischofberger solle sich sicherheitshalber einen Anwalt nehmen.

Bischofberger wandte sich ziemlich entnervt an den Beobachter. Hier endlich erhielt sie die gewünschten Infos.

Gutschriften landen auf dem individuellen Konto der AHV

Erziehungs- und Betreuungsgutschriften erhalten Eltern oder Betreuende von Familienangehörigen. Allerdings nicht bar auf die Hand. Sie werden dem AHV-Konto gutgeschrieben. Für jede Person, die in der Schweiz wohnt oder arbeitet, wird ein solches AHV-Konto geführt – man nennt es auch IK, individuelles Konto Hesch gwüsst? So sieht man, wie viel Geld man im Leben schon verdient hat . Darauf fliessen die Einzahlungen von Arbeitnehmer und -geber sowie die Beiträge von Selbständigerwerbenden oder Nichterwerbstätigen.

Die Erziehungs- oder Betreuungsgutschriften sind so hoch wie die dreifache jährliche AHV-Minimalrente im Zeitpunkt der Pensionierung – im Jahr 2023 sind das 44'100 Franken. Diese Aufstockung des AHV-Kontos erhöht dann die Rente – höchstens allerdings bis zur im Jahr der Pensionierung aktuellen Maximalrente AHV-Rente Wie viel Geld steht mir im Alter zu? .

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Erziehungsgutschriften: Wer bekommt sie wofür?

Erziehungsgutschriften erhalten Eltern ab dem Folgejahr der Geburt bis zum 16. Altersjahr des Kindes. Bei mehreren Kindern, bis das jüngste 16 ist. Am einfachsten ist es bei verheirateten Paaren. Während der Ehe wird ihnen automatisch jeweils die Hälfte angerechnet.

Komplexer wird es bei unverheirateten und geschiedenen Eltern. Die Idee ist: Wer mehr Erziehungsarbeit leistet, erhält mehr Gutschriften. Falls nur ein Elternteil die elterliche Sorge hat, erhält ausschliesslich er die Gutschrift.

Bei gemeinsamer Sorge müssen die Eltern schriftlich festhalten, wem die Gutschriften zustehen; in der Regel bekommt sie diejenige Person im vollen Umfang, die mehr Betreuungspflichten übernimmt. Wenn man sich die Betreuung teilt, können die Gutschriften auch fifty-fifty geteilt werden. Falls man keine Vereinbarung abschliesst, wird die Gutschrift aktuell voll der Mutter angerechnet, für die Jahre bis und mit 2014 aber beiden Elternteilen je hälftig.

So können die Erziehungsgutschriften vereinbart werden

So können die Erziehungsgutschriften vereinbart werden

Quelle: Infografik: Beobachter / Anne Seeger

Betreuungsgutschriften: Wer bekommt sie wofür?

Die Betreuungsgutschriften werden dem AHV-Konto gutgeschrieben, wenn jemand Verwandte pflegt Verwandtenpflege Wenn Mama nicht mehr kann . Dazu braucht es folgende Voraussetzungen:

  • Als Verwandte gelten Personen in auf- und absteigender Linie sowie Schwiegereltern und Stiefkinder.
  • Betreuungs- und Erziehungsgutschriften können nicht zur gleichen Zeit angerechnet werden.
  • Die betreute Person bezieht eine Hilflosenentschädigung der AHV, der IV, der Unfall- oder der Militärversicherung; auch die Hilflosenentschädigung für pflegebedürftige Minderjährige zählt.
  • Der betreute Verwandte darf nicht mehr als 30 Kilometer entfernt wohnen.
  • Die pflegende Person darf nicht mehr als eine Stunde Reisezeit benötigen.
  • Die Betreuung muss während mindestens 180 Tagen im Jahr erfolgen.

Ein wichtiger Unterschied zu den Erziehungsgutschriften, die man erst bei der Pensionierung geltend machen kann: Die Betreuungsgutschriften muss man jährlich bei der AHV-Ausgleichskasse beantragen, und zwar während der Zeit, in der man tatsächlich Angehörige betreut.

Und so hat Bischofberger die Gutschriften mit ihrem Partner vereinbart

Der ganze Behördenmarathon, den Annelies Bischofberger durchlief, war leider ein vergeblicher Aufwand. Und einen Anwalt braucht sie schon gar nicht Streitfall Braucht es einen Anwalt? . Sie kann lediglich mit dem Partner eine neue schriftliche Vereinbarung treffen – auch wenn bereits eine bei der Kesb vorliegt. Die Eltern können neu festhalten, dass die Mutter die Gutschriften erhält, da sie den grösseren Teil der Erziehungsarbeit leistet.

Diese Vereinbarung muss nirgends angemeldet werden – wichtig ist aber, dass man sie vorlegen kann, wenn man ins AHV-Alter kommt. Wer dereinst das Anmeldeformular für eine AHV-Rente ausfüllt, kann diese Vereinbarung einfach mitschicken, die Ausgleichskasse berücksichtigt dann die Gutschriften. Deshalb gilt: die Vereinbarung treffen, wenn sie aktuell ist, und danach gut aufbewahren.

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"Es ging einen Moment, bis ich realisiert habe, dass ich nicht nur Partner bin, sondern auch betreuende Person."
Quelle: Red Cross

Betreuung & Erwerbstätigkeit

Silvan Rüegg