Eine Bankvollmacht öffnet keine Tresore
Eine Vollmacht ist kein Schlüssel zum Konto des Verstorbenen. Viele Banken verlangen auch von den direkten Nachkommen eine Erbenbescheinigung – ein oft mühsamer administrativer Mehraufwand, der aber die Sicherheit erhöht.
Veröffentlicht am 14. März 2001 - 00:00 Uhr
«Die strengen Sicherheitsmassnahmen der Migrosbank in Liestal BL haben mich schier zur Weissglut getrieben», sagt Thomas A. Nachdem sein Vater gestorben war, wollte er von seiner Bankvollmacht Gebrauch machen, um das Erbe aufzuteilen. Pflichtgetreu teilte er der Bank den Todesfall seines Vaters mit. Doch das genügte der Bank nicht. Im Gegensatz zu anderen Instituten, bei denen sein Vater ebenfalls Kunde war, verlangte die Migrosbank zusätzlich eine Erbenbescheinigung.
Papierkram strapaziert Kunden
Ausgerüstet mit dem verlangten amtlichen Dokument, das ihm die zuständige Bezirksschreiberei für 50 Franken ausgestellt hatte, sprach Thomas A. erneut bei der Migrosbank vor. Der Erbenbescheinigung entnahm die Bankangestellte, dass eine Cousine von A. ebenfalls erbberechtigt ist, und verlangte für die Kontoaufhebung auch noch deren Unterschrift. Falls die Cousine nicht persönlich am Schalter erscheinen könne, müsse eine Kopie ihres Passes vorgelegt werden.
Thomas A. graute vor dem absehbaren Papierkrieg, denn seine Cousine wohnt im Ausland und ist nur schwer zu erreichen. Überhaupt hatte er für den administrativen Mehraufwand kein Verständnis. Denn in der von seinem Vater unterzeichneten Vollmacht heisst es klipp und klar: «Thomas A. ist befugt, einzeln und uneingeschränkt über all meine Vermögenswerte zu verfügen.» Und: «Diese Vollmacht bleibt auch im Falle meines Todes bestehen.»
So steht es auf sämtlichen Vollmachtsformularen der Migrosbank. Auch die Vollmachten anderer Banken enthalten entsprechende Klauseln. Dennoch verlangen immer mehr Geldinstitute eine amtliche Bescheinigung, bevor sie die Erben über die Hinterlassenschaft des Verstorbenen verfügen lassen.
«Es versteht sich, dass sich einzelne Bevollmächtigte über die Verzögerungen in der Nachlassabwicklung und die daraus entstehenden Kosten ärgern», sagt Banken-Ombudsmann Hanspeter Häni. «Doch das Vorgehen macht durchaus Sinn, denn es dient dem Schutz aller Erben.»
Die extrem vorsichtige Haltung der Banken geht auf ein Bundesgerichtsurteil vom 28. Oktober 1993 zurück. Darin heisst es, eine Bank habe die Interessen der Erben zu wahren. Aus diesem Grund wird den Banken empfohlen, «entsprechende Vorkehren zu treffen und allenfalls die Zustimmung der Erben zur Vollmacht einzuholen».
Sicherheit kostet Zeit und Nerven
Die Migrosbank verhielt sich Thomas A. gegenüber also korrekt – wenn vielleicht auch ein bisschen streng. In der Regel haben Erbberechtigte aber durchaus Verständnis für die Sicherheitsmassnahmen der Banken, da so Auszahlungen an nicht Erbberechtigte verhindert werden. Hebt die bevollmächtigte Person nämlich gegen die Interessen der Hinterbliebenen Gelder ab, dann bleibt den Erben oft nichts anderes übrig, als gegen den Unberechtigten zu klagen.
Die Vorsicht der Banken kann den Erben also in vielen Fällen den Gang vor Gericht ersparen. Gezielte Abklärungen sind vor allem dann angebracht, wenn Grund zur Annahme besteht, dass der Bevollmächtigte gegen die Interessen der Erben handeln könnte.
Wünschenswert wäre allerdings eine transparentere Informationspolitik der Banken. Würden sie ihre Kundinnen und Kunden bei der Unterzeichnung einer Vollmacht auf deren mögliche Sistierung im Todesfall hinweisen, liessen sich viele Missverständnisse vermeiden.
Noch besser wäre es, wenn die Banken ihre Vollmachtentexte überarbeiteten und mit dem Verweis versähen, dass die Vollmacht im Todesfall nur gegen das Vorweisen einer amtlichen Erbenbescheinigung weiterbesteht. Dadurch würden sie ihren Kundinnen und Kunden weniger Umtriebe und Ärger bereiten.
Rascher zum Geld – dank gemeinsamem Konto
In vielen Fällen sind nahe Verwandte darauf angewiesen, im Todesfall rasch über das Geld des Verstorbenen verfügen zu können. So sollte beispielsweise eine Ehefrau mit Kindern nach dem plötzlichen Tod des Familienvaters innert kurzer Frist Zugang zum gemeinsamen Konto erhalten.
Weil eine Bankvollmacht oft nicht genügt, ist die Eröffnung eines Gemeinschaftskontos respektive eines Gemeinschaftsdepots sinnvoller. Das Konto lautet dann zum Beispiel auf «Thomas und/oder Ruth A.». Stirbt der eine Partner, hat der Überlebende automatisch die alleinige Verfügungsgewalt über Konti und deponierte Wertschriften. Eine Vollmacht wird überflüssig, da es sich ja um einen Vertrag zwischen der Bank und beiden Kunden handelt. Der hinterbliebene Kontoinhaber muss auch keine Erbenbescheinigung beibringen. Denn als Mitinhaber des Kontos verfügt er automatisch über das gemeinsame Vermögen.
Gemeinschaftskonti haben allerdings auch Nachteile. Besteht etwa ein Gemeinschaftskonto zwischen Thomas A. und seinem Geschäftspartner Toni B., könnte sich B. nach A.s Tod problemlos an dessen Vermögen vergreifen. Den zu Schaden gekommenen Erben bliebe dann nichts anderes übrig, als B. einzuklagen.
1 Kommentar
Mich kostete der Amtsschimmel von knapp 20`000.- Fr. Erbschaftsgeld tatsächlich fast 500.- Fr. und der Vorgang dauerte 3 Monate, wobei der Gang zur Bank noch nicht vollzogen ist und nach heutigem Telefonkontakt mit der Bank noch recht kompliziert zu werden scheint. Ich bin schon so davon generft, dass ich bald so weit bin herauszuschreien: "Dann behaltet doch das Geld".