Jetzt ist wieder Saison. Landauf, landab prangen in den Tageszeitungen grosse Inserate mit der Uberschrift «Einladung zur Generalversammlung der Firma XY». Diese Versammlungen haben nicht den Ruf, äusserst spannend zu sein. Immerhin geben sich aber einige Firmen Mühe, ihren Aktionären etwas zu bieten.

Eine kleine Umfrage bei verschiedenen Schweizer Firmen ergab, dass sich diese für die alljährliche Generalversammlung (GV) einiges einfallen lassen. Neben den obligaten Aperohäppchen gibt es bei einigen Unternehmen auch ganze Mittagessen, und manchmal bekommt der Aktionär gar noch ein Geschenk mit auf den Nachhauseweg. So zum Beispiel beim Schweizer Traditionsunternehmen Lindt & Sprüngli. «Wir legen sehr grossen Wert auf die Pflege der Shareholder, schliesslich haben sie Geld in die Firma investiert. Darum möchten wir sie an der GV verwöhnen», beschreibt Pressesprecherin Sylvia Kaelin die Philosophie von Lindt & Sprüngli.

Die rund 2000 Aktionäre werden schon zu Beginn mit Schoggi und Kaffee verwöhnt. Selbstverständlich können sie auch die neusten Pralinekreationen degustieren, und nach der Versammlung erhält jeder Aktionär einen Koffer mit etwa drei Kilogramm Schokolade.

Für die süsse Uberraschung zahlen die Aktionäre allerdings einen happigen Preis: Der aktuelle Wert für eine Lindt-&- Sprüngli-Namenaktie liegt bei über 40'000 Franken. So verwundert es nicht, wenn die Pressesprecherin anfügt: «Wir haben sehr treue Aktionäre. Lindt-&-Sprüngli-Aktien werden oft an die nächste Generation weitervererbt.»

Auch beim Textilunternehmen Calida wird einiges geboten. Neben einer Modeschau gibt es für jeden teilnehmenden Aktionär ein Geschenk. Nachdem es im letzten Jahr noch ein Pyjama war, gibts heuer nur noch einen Warengutschein über 40 Franken. «Wir hatten arg viele Umtriebe, weil Pyjamas zu klein waren oder die Farbe nicht gefiel. So entschieden wir uns für die Warengutscheine», erklärt Hedy Grüter, Assistenzleiterin Finanzen und Controlling der Calida AG.

Bonusmeilen für Shareholder
Für den Swissair-Aktionär gibt es einen feinen Imbiss mit Wienerli, Gulasch oder Züri-Geschnetzeltem. Neben Gutscheinen und kleinen Geschenken erhält der Aktionär 5000 Bonusmeilen gutgeschrieben, wenn er an der GV teilnimmt. Weitere Highlights der Versammlung sind ein Konzert der Swissair-Musik und die Möglichkeit, ein Flugzeug zu besichtigen.

An der Swatch-Group-GV kann man zwar keinen Smart besichtigen, dafür aber Swatch-Uhren bis zu 20 Prozent günstiger kaufen. Zudem wird ein Film über die neusten Produkte gezeigt.

«Freibier» und einen Imbiss gibt es an der GV von Feldschlösschen-Hürlimann. Letztes Jahr wurde der Shareholder mit einem Rucksack beschenkt, der sich in einen Hocker verwandeln lässt. Was dieses Jahr offeriert wird, sei noch nicht klar, gibt sich Pressesprecher Stefan Kaspar von Feldschlösschen-Hürlimann bedeckt.

Dass sich die Generalversammlungen im Frühjahr häufen, hat einen einfachen Grund. Laut Obligationenrecht (OR 699) muss die ordentliche Generalversammlung der Aktionäre nämlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss eines Geschäftsjahrs einberufen werden. Ziel dieser Versammlung ist es unter anderem, den Jahresbericht und die Jahresrechnung zu genehmigen und den Verwaltungsrat in seinem Amt zu bestätigen.

Dafür sind die Aktionäre zuständig, sofern sie an der GV persönlich teilnehmen. Sie können sich aber beispielsweise durch eine Bank, der sie Anweisungen zur Stimmabgabe geben, vertreten lassen. Die Stimmen von Aktionären, die nicht an der GV teilnehmen und sich nicht vertreten lassen, werden nicht ausgeübt und können daher nicht berücksichtigt werden.

Wer aber an der GV teilnimmt, kann nicht nur wählen und abstimmen, sondern darf sich auch zu den einzelnen Traktanden an der GV äussern. Bei den meisten Unternehmen ist das ziemlich einfach, wie eine Umfrage ergab. Handerheben genügt – und der Vorsitzende erteilt dem Aktionär das Wort.

Wichtig ist aber, dass sich der Redner zum konkret behandelten Traktandum äussert. Wenn es zum Beispiel um die Wahl in den Verwaltungsrat geht, sollte der Aktionär nicht seinen Kommentar zur Jahresrechnung abgeben. Falls der Aktionär eine generelle Frage, Lob oder Kritik vorbringen möchte, die zu keinem der traktandierten Themen passt, kann er dies unter dem Traktandum Varia tun. Fehlt ein solches, gibt der Vorsitzende am Schluss der Versammlung meist Raum für allgemeine Fragen und Voten.

Redezeit und Rednerlisten
Grosse Aktiengesellschaften kennen so genannte Rednerlisten und teilweise auch eine Redezeitbeschränkung. Der Redner erhält dann beispielsweise zwei Minuten Zeit, um sein Anliegen zu formulieren.

Bei der UBS etwa müssen sich Votanten erst in eine Rednerliste eintragen, die am Informationsschalter an der GV aufliegt, erklärt UBS-Pressesprecher Rudolf Bürgin. Eine Redezeitbeschränkung an der UBS-GV wird vom Vorsitzenden erst dann erlassen, wenn schon zu Beginn eine lange Rednerliste besteht oder sich im Verlauf der Debatte immer neue Redner spontan melden.

Diskussionen sind selten
«Redezeitbeschränkungen werden eingeführt, damit alle Aktionäre, die dies wollen, sich zu einem Verhandlungsgegenstand äussern können», sagt der Rechtsanwalt Felix Horber. Von ihm sind zahlreiche Publikationen zum Aktienrecht und zu den Rechten des Aktionärs im Buchhandel und in der Wirtschaftspresse erschienen. Allerdings kämen, so Horber weiter, Redezeitbeschränkungen in der Praxis relativ selten vor.

Das verwundert nicht, weil sich an den Generalversammlungen meist nur ganz wenig Personen zu Wort melden. Gründe sieht Felix Horber vor allem darin, dass sich der interessierte Aktionär anhand des Geschäftsberichts und der Beiträge in den Medien schon vor der GV informiert hat. Horber: «Es fällt nicht jedem Aktionär leicht, vor mehreren hundert oder gar tausend Personen das Wort zu ergreifen.» Dieses Schweigen der Aktionäre hat den Generalversammlungen den Ruf von Ja-Sager-Versammlungen eingetragen.

«Die Generalversammlungen sind reine Folklore», findet denn auch ein Börsenanalyst, der namentlich nicht erwähnt werden möchte. «Börsenanalysten gehen nicht an die GV, weil eh schon alles bekannt ist, was dort gesagt wird.» Typisch für die Schweizer Shareholderversammlungen sei auch, dass meist keine offene Diskussion stattfinde.

«Pensionierte nehmen teil, um Spass zu haben – bewirken aber können sie nichts, weil dazu viele Aktionärsstimmen nötig wären», so der Börsenanalyst weiter. Etwas anders sieht dies Rechtsanwalt Felix Horber: Die GV sei der Anlass, bei dem Verwaltungsrat und Geschäftsleitung gegenüber den Aktionären Rechenschaft über das abgelaufene Geschäftsjahr abzulegen hätten. «Die GV hat sich in der Schweiz in den vergangenen Jahren merklich gewandelt. Namentlich grosse institutionelle Anleger benützen die Aktionärsversammlung, um dem Verwaltungsrat öffentlich ihre Anliegen, Kritik und Lob bekannt zu geben.»

Ein weiterer Trend ist deutlich erkennbar: Obwohl es die Aktiengesellschaften nicht gern zugeben, wird an den Generalversammlungen immer mehr gespart. Anstelle des reichhaltigen Mittagessens gibt es vermehrt nur noch den Stehapero mit Häppchen. Und das Geschenk für den Aktionär wird von Jahr zu Jahr dürftiger – bis es schliesslich ganz wegfallen dürfte.

Auch gehen einige Firmen dazu über, die GV nicht mehr am Morgen, sondern am Nachmittag oder erst gegen Abend durchzuführen – womit bei den Kosten abgespeckt werden kann. Anderseits erhalten so vermehrt auch Berufstätige Gelegenheit, an der GV teilzunehmen.

GV: So sind Sie dabei

  • Meist werden die Generalversammlungen mit grossen Inseraten in der Tagespresse angekündigt. Man kann sich auch selber beim Unternehmen telefonisch über das genaue Datum der GV informieren.

  • Die Besitzer von Namenaktien werden von den Unternehmen automatisch eingeladen. Sie müssen nicht selber aktiv werden.

  • Wer Inhaberaktien besitzt, muss sich selber um eine Einladung an die GV kümmern. Ein Telefon mit der Bank, die die Inhaberaktien im Depot lagert, genügt. Sie wird dann alles Nötige in die Wege leiten, damit der Aktionär eine Einladung mit Stimmrechtsausweis für die GV erhält.