Schon wieder Ärger mit einem Krankenkassen-Makler, der für die Groupe Mutuel Kunden abwirbt: Der Agent liess sich von einem Familienvater im bernischen Dieterswil ein Blankoformular unterschreiben – dann müsse er für das Kündigungsschreiben nicht mehr extra vorbeikommen. Als die Offerte schliesslich vorlag und die Familie dem Makler mitteilte, sie wolle nicht wechseln, hiess es lapidar, jetzt sei es schon zu spät. Der Makler hatte die Kündigung abgeschickt, ohne das Okay einzuholen. Die Betroffenen wehrten sich, und erst nach eingeschriebenen Briefen und mehreren Telefonaten wurde die Kündigung storniert.

André Grandjean, Geschäftsleitungsmitglied der Groupe Mutuel, räumt Versäumnisse ein: «Der Makler hat einen Fehler gemacht. Für die betroffene Familie hatte es aber keine negativen Konsequenzen.» Den Vorwurf, dass seine Versicherung immer wieder in einem schiefen Licht stehe, hält Grandjean für übertrieben. Schliesslich arbeiteten auch Agenten der Konkurrenz mit Blankokündigungen.

Tatsache aber ist: Kaum eine Kasse wirbt so aggressiv um neue Kunden wie die Groupe Mutuel. Und kaum eine Kasse profitiert so stark von den jüngsten Entscheiden im Bundeshaus. Es ist bekannt, dass die Groupe Mutuel einen sehr guten Draht zu Bundesrat Pascal Couchepin hat. Der Sozialminister sass früher im Verwaltungsrat einer Groupe-Mutuel-Versicherung. Und der Chef der Gruppe, Pierre-Marcel Revaz, ist ein persönlicher Bekannter Couchepins. «Sein inoffizieller Berater», heissts in Bern hinter vorgehaltener Hand.

Die Vorwürfe vom allzu nahen Verhältnis der Martigny-Fraktion – Bundesrat Couchepin war dort Gemeindepräsident, Revaz ist grösster Arbeitgeber – erhalten ständig neue Nahrung. Der Sozialminister hat die Kritik am wenig transparenten Mutuel-Modell abgeblockt. Das Konglomerat aus 16 Einzelkassen ermöglicht, neue Mitglieder gezielt verschiedenen Kassen zuzuteilen und «gute Risiken» anzulocken.

Eine Kasse mit Vorsprung
Ein weiterer Vorwurf lautet, die Groupe Mutuel sei vorzeitig darüber informiert gewesen, dass der Bundesrat ab 2004 einheitliche Prämienregionen einführen werde. Dass eine Vereinheitlichung kommen sollte, war den Krankenkassen schon länger bekannt – nicht aber der Termin. Noch im März dieses Jahres konnte das Bundesamt für Sozialversicherung dazu offiziell nichts sagen. Obwohl eine Art stille Übereinkunft der Versicherer bestand, die nötigen Anpassungen zeitlich koordiniert zu vollziehen, spurte die Groupe Mutuel vor und fixierte einheitliche Prämienregionen in den meisten Kantonen bereits für 2003. Nun hat sie weniger Ärger mit ihren Versicherten als die Konkurrenz. André Grandjean kommentiert dies kühl: «Je länger man zögert, desto grösser wird der Schmerz.»

Konkurrenz hüllt sich in Schweigen
Zum Prämienschock wegen der neuen Einteilung kommt die Reduktion der maximalen Rabatte bei den Wahlfranchisen. Das betrifft zwar alle Versicherer – aber unterschiedlich stark. Bisher konnten teure Krankenkassen mit vielen älteren Versicherten und schlechterer Risikostruktur dank Maximalrabatten bei den Prämien noch einigermassen mithalten. Mit reduzierten Rabatten wird nun der Unterschied zu den Billigkassen grösser. Profitieren wird unter anderen die Groupe Mutuel.

Dies noch aus einem zweiten Grund: Die Kasse hat zwar einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Versicherten mit hohen Wahlfranchisen, muss aber – anders als andere – trotzdem keinen Aderlass an Mitgliedern befürchten. Denn die Prämien der meisten Mutuel-Kassen bleiben im Vergleich zur Konkurrenz relativ günstig. Und die eigene Rechnung geht erst noch besser auf. Bisher wählten vor allem gesunde Versicherte, die wenig Kosten verursachen, die höchsten Franchisen – sie müssen nun höhere Prämien zahlen.

Keiner der Konkurrenten mag bei den jüngsten Bundesbeschlüssen offen von einer «Revision Mutuel» sprechen. Die Kostenrealität betreffe alle, heisst es bei der Swica. «No comment. Stellen Sie die Frage bitte Herrn Couchepin», mailt der Helsana-Sprecher Christian Beusch. Couchepins Informationschef Jean-Marc Crevoisier reagiert betont gelassen: «Das gehört doch zum Spiel in einem härter werdenden Markt. Wir kommentieren das nicht. Bundesrat Couchepin hat nur ein Ziel: den Prämienanstieg zu bremsen.»