Veröffentlicht am 28. Oktober 2021 - 16:20 Uhr
Zum Beispiel für ein Einzelzimmer im Spital: Zusatzversicherte müssen laut Preisüberwacher zu viel für ihre Mehrleistungen zahlen.
Arzt- und Spitalrechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung können überrissen sein
. Teils werden Positionen doppelt verrechnet: Obwohl die Grundversicherung eine medizinische Leistung bereits bezahlt, taucht sie auf der Abrechnung für die Zusatzversicherung nochmals auf.
Oder es werden automatisch höhere Arzthonorare verrechnet, obwohl ein Patient seinen Anspruch auf freie Arztwahl nicht geltend gemacht hat oder der aufgeführte Spezialist nicht vor Ort war.
Das alles stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) vor knapp einem Jahr fest.
Auch der Preisüberwacher bestätigt nun: Die Preise für sogenannte Mehrleistungen der Zusatzversicherung seien in der Schweiz bei stationären Spitalaufenthalten flächendeckend überhöht. Er nennt ebenfalls Extras wie ein Einzelzimmer oder die freie Arztwahl sowie Doppelverrechnungen. Dadurch würden auch Anreize geschaffen, nicht notwendige Behandlungen durchzuführen.
Nun sind die verschiedenen Beteiligten gefragt, dieses Problem langfristig zu lösen. Zum Beispiel sollen die Tarife laut Preisüberwacher gesetzlich angepasst werden, Abrechnungen sollen transparenter und verständlicher werden.
Bis es so weit ist, können Zusatzversicherte selbst durch zwei Massnahmen versuchen, übermässige Kosten zu bekämpfen. «Mit relativ wenig Aufwand können sie unter Umständen hohe Kosten verhindern», sagt Beobachter-Expertin Nathalie Hirsiger, die früher für eine Krankenkasse tätig war. Unter dem Strich können Patientinnen und Patienten so dazu beitragen, dass die Prämien weniger stark steigen.
Die hohen Tarife, die der Preisüberwacher festgestellt hat, machen Behandlungen von Zusatzversicherten für Spitäler ökonomisch interessant und können sie verleiten, auch unnötige Behandlungen durchzuführen. Damit diese finanziellen Interessen den Entscheid für oder gegen eine Operation nicht beeinflussen können, sollten Patientinnen und Patienten vor jedem grösseren Eingriff eine Zweitmeinung einzuholen
.
«Viele Krankenkassen übernehmen die entsprechenden Kosten – es lohnt sich nachzufragen», sagt Expertin Hirsiger. Denn auch die Kassen haben ein finanzielles Interesse – sie wollen unnötige Eingriffe verhindern. Und auch Patienten wollen wohl nur unters Messer, wenn es nicht anders geht.
«Die Krankenkassen können schlicht nicht jede einzelne Spitalrechnung anschauen», sagt Nathalie Hirsiger. Aber die Versicherten selbst waren hautnah dabei und wissen zum Beispiel, wie viele Tage sie im Spital waren oder ob sie Chefarzt Prof. Dr. med. Douglas Ross (alias George Clooney aus der Serie «Emergency Room») gewählt haben. Und ob er tatsächlich vor Ort war. Und wenn ja, ob seine Behandlung so lange dauerte wie verrechnet.
Die Abrechnungen sind zwar für Laien oft schwer verständlich. Denn anders als bei der Grundversicherung gibt es bei der Zusatzversicherung kein vereinheitlichtes Abrechnungssystem. Aber: Bereits ein grober Faktencheck ( siehe Box unten) sei viel wert, empfiehlt Expertin Hirsiger.
Meistens müssen Patientinnen die detaillierte Abrechnung zuerst vom Arzt oder Spital verlangen, denn nach vielen Tarifverträgen geht die Spitalrechnung nur an die Kasse. Aber Patientinnen haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Rechnungskopie. Falls sie ihnen verwehrt wird, können sie sich an die Krankenkasse wenden.
Wer es genau wissen will, kann sich unklare Positionen vom Spital oder von der Krankenkasse erklären lassen:
- Unterstützung bieten die kantonalen Patientenstellen.
- Beobachter-Mitglieder können sich vom Fachbereich Sozialversicherung des Beobachter-Beratungszentrums telefonisch beraten lassen .
- Bei Problemen mit der Krankenkasse hilft die Ombudsstelle Krankenversicherung.
- Sind die Daten des Aufenthalts korrekt, war ich tatsächlich im auf der Rechnung aufgeführten Zeitraum im Spital?
- War ich tatsächlich in einem Einzelzimmer oder wegen Platzmangel in einem Mehrbettzimmer?
- Habe ich vom Recht auf freie Arztwahl Gebrauch gemacht?
- Wurde ich tatsächlich vom aufgeführten Spezialisten behandelt? Und wie lange dauerte die Visite?
- Gab es tatsächlich eine Hotellerie auf höherem Niveau?
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Was kann man tun, um sich gegen Entscheide der Krankenkasse zu wehren? Und was gibt es bei der Wahl der Krankenkasse oder der Franchise zu beachten? Beobachter-Mitglieder erhalten schnell und einfach Antworten auf Fragen zur Krankenversicherung und welche Kosten sie bezahlt.
3 Kommentare
Gesundheitswesen Schweiz = überholungsbedürftiges "Un-Wesen", da ausbeuterisch und entsprechend intransparent!!
Die effektiv Zuständigen/Verantwortlichen: BAG, Gesundheits-Direktoren-Konferenz (?), ParlamentarierInnen (mit lukrativen VR-Mandaten (Eigeninteressen-Verfolgung) - Pharma-Macht - = Lobbyismus-Vetternwirtschaft)!
Das hat NICHT's mit echter, ganzheitlicher, ehrlicher "VOLKS-Wohl-Politik" zu tun!!
viele Operationen werden als Pauschale abgerechnet. Man sieht keine Details der Leistungen. Somit kann man als Patientin eine Rechnung auch nicht kontrollieren. Die Krankenkasse bezahlt dann einfach. Kein Wunder, dass die Kosten explodieren.
Was auf der Checkliste noch angehängt werden könnte:
Ob Tag- oder Nachtpauschalen berechnet wurden
Ist die 15.- Spitalkostenpauschale sowohl für Ein- und Austrittstag berechnet worden? Neuregelung gültig ab 1.1.22