Was macht eigentlich unser Geld, bevor wir es ausgeben? «Es arbeitet», sagen die Banken in ihrer Werbung. Wo es arbeitet und für wen, das erfahren die Kunden in der Regel nicht. Unterstützt es Kulturprojekte oder Kinderarbeit? Fliesst es in die Herstellung von Trottinetten oder Tellerminen? Oder wird es zur Regenwaldabholzung oder für die sanfte Forstwirtschaft genutzt?

Herkömmliche Aktienfonds beispielsweise gleichen Wundertüten: Kaum ein Fondsbesitzer weiss, welche Firmen sich hinter seinen Anteilen verbergen und wie diese ihr Geld verdienen. «Manch einer ermöglicht mit seiner Geldanlage Dinge, von denen er Albträume bekäme, wenn er sie genauer kennen würde», sagte der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin Anfang Jahr. Im Moment erfreuen sich gerade die Aktien von amerikanischen Kampfflugzeugherstellern und Raketenfabrikanten grosser Beliebtheit.

Doch die Zahl der Klein- und Grossanleger, denen es nicht gleichgültig ist, was ihr Geld bewirkt, steigt rasant. Genauso selbstverständlich wie heute kritische Konsumenten Eier von glücklichen Freilandhühnern kaufen, legen kritische Anlegerinnen und Anleger ihr Geld an: Sie entscheiden sich für Fonds, die das Geld nur in ökologisch und sozial fortschrittliche Firmen investieren. Heute sind in der Schweiz bereits 1,4 Milliarden Franken in Fonds angelegt, die ihr Geld nach Umwelt- und Sozialkriterien anlegen. Das sind über 20 Mal mehr als noch vor fünf Jahren.

Hellgrün, dunkelgrün und pistache
Solche Fonds – sie nennen sich Nachhaltigkeits- oder Ethikfonds – funktionieren im Grundsatz alle nach demselben Prinzip: In einer ersten Phase schliessen sie Firmen aus, die in besonders umweltschädlichen oder moralisch fragwürdigen Branchen wie Rüstung, Kernenergie, Alkohol oder Pornografie aktiv sind. Unter all den übrig gebliebenen Unternehmen ermitteln sie dann in einem zweiten Schritt die Besten jeder Branche, also zum Beispiel die besten Solarstromproduzenten oder Wasserversorger, aber auch die Topbanken oder Toptelekommunikationsfirmen.

Die Branchenbesten werden in einem aufwändigen Verfahren bestimmt. Das Besondere daran: Es wird nicht nur geprüft, wie solide eine Firma finanziell dasteht, sondern auch, wie ökologisch und sozial fortschrittlich sie sich verhält. Wie viel Wasser und Energie braucht die Firma, um ihre Produkte herzustellen? Stammt der Strom dafür aus Kohlekraftwerken oder Sonnenenergie? Wie behandelt das Unternehmen seine Kunden? Was tut es für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich Sozialleistungen, Weiterbildung oder Gleichberechtigung? Aus den Antworten auf diese und viele andere Fragen ergibt sich ein Gesamtbild. Die Firmen jeder Branche lassen sich in Umwelt- und soziale Vorreiter auf der einen und Ökosünder und sozial Vorgestrige auf der anderen Seite einteilen. Die Rangliste bestimmt, ob eine Firma Aufnahme in einen grünen Fonds findet oder nicht: Das Management des Fonds pickt sich nur die Klassenbesten, die so genannten Leader, heraus.

Doch dieses Auswahlverfahren stösst auch auf Kritik: «Ökofonds wählen unter all den schwarzen Schafen am Aktienmarkt bloss die dunkelgrauen aus», lautet ein verbreiteter Vorwurf. Der Ansatz, die Besten jeder Zunft auszuwählen, führt dazu, dass auch Öl-, Chemiefirmen oder Handyhersteller in Ökofonds auftauchen. Das überrascht viele umweltbewusste Anleger. Die Fondsmanager haben aber ein gutes Argument zur Hand: Gerade in den schmutzigen Industrien würden umweltfreundliche Vorreiter den grössten Nutzen für die Umwelt bewirken. Die Anforderungen bei den verschiedenen Fonds sind allerdings unterschiedlich streng: Ökofonds gibt es in allen Schattierungen von Hellgrün über Pistache bis Dunkelgrün.

Aber auch die Anlegerschaft hat ja verschiedene Vorstellungen darüber, wie grün oder sozial ihr Geld angelegt sein soll: Nicht jeder findet die Herstellung von Automobilen, die Agrochemie oder Glücksspiele eine schlimme Sache. Die Kunst besteht darin, im grünen Fondsdickicht genau das Produkt zu finden, das zu einem passt.

Nur blassgrün ist der «Index-Fonds» der Zürcher Firma SAM: Er investiert in Grossunternehmen der ganzen Welt und aus allen Branchen, also auch in die Erdölindustrie oder in Fluggesellschaften. Ausgeschlossen sind einzig Rüstungskonzerne, die mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes mit Waffenverkäufen realisieren. Auch spielen die Beteiligungsverhältnisse bei der Firmenbewertung keine Rolle: Konkret kann eine Firma selbst dann in den Fonds aufgenommen werden, wenn ihr Eigentümer ein Rüstungskonzern ist.

In der Schweiz investiert der Fonds beispielsweise in Nestlé, Novartis, Swisscom oder Ciba Spezialitätenchemie. Aber auch CS und UBS sind dabei: Das Umweltverhalten von UBS und CS ist im Vergleich zu ausländischen Banken Spitze, wie verschiedene Untersuchungen belegen. Deshalb hat auch die Bank Sarasin die UBS in ihren Fonds drin. Viele Investoren dürften jedoch Mühe damit haben, dass die Grossbanken in Nachhaltigkeitsfonds auftauchen: Affären um Diktatorengelder und Insiderdelikte, aber auch die undurchsichtige Rolle beim Swissair-Grounding haben am Image gekratzt.

Ökofonds machen sich bezahltTrotz eher laschen Auswahlkriterien kann der SAM-Index-Fonds aber einiges für die Umwelt ausrichten. Wie, zeigt das Beispiel von BMW: Als das Unternehmen im Herbst 2000 von SAM zum besten Automobilhersteller gekürt und in den Fonds aufgenommen wurde, schaltete es eine aufwändige Inseratekampagne, um diesen Erfolg bekannt zu machen. Die Konkurrenten von BMW werden nun einiges daransetzen, ihr Umweltverhalten so zu verbessern, dass sie BMW den Spitzenplatz wieder abjagen können.

Eher am dunkelgrünen Ende des Farbspektrums befinden sich der «Swissca Green Invest» der Kantonalbanken und der «Mi-Fonds Eco» der Migros-Bank. Sie kennen die meisten Ausschlusskriterien. Beispielsweise sind auch Investitionen in den Schleppnetzfischfang oder die Herstellung besonders schädlicher Pestizide ausgeschlossen. Die Leitungen der beiden Fonds pflegen einen intensiven Dialog mit den Firmen, in die sie investieren, und schreiben auch böse Briefe, wenn etwas vorfällt. Der «Swissca Green Invest» etwa ermahnte Ende 1999 die Bayerische Hypo- und Vereinsbank, weil sie sich an der Finanzierung eines umstrittenen Staudammprojekts in Indien beteiligen wollte.

Für Umweltorganisationen und Entwicklungshilfeorganisationen steht darum fest, dass Nachhaltigkeitsfonds eine sinnvolle Sache sind. Der WWF und die globalisierungskritische Erklärung von Bern (EvB) rufen gar dazu auf, «Spargelder und Vermögen vermehrt ethisch-ökologisch anzulegen». Denn eine Anlage in solche Fonds könne zum «ökologischen und sozialen Umbau der Wirtschaft beitragen». Der WWF und auch der VCS machen selbst bei Ökofonds mit. Der WWF hat beim «Swissca Green Invest» der Kantonalbanken die Aufsicht über die Anlagepolitik übernommen. Der VCS wacht beim «Mi-Fonds Eco» über die Einhaltung der Aufnahmekriterien.

Auch UBS und CS haben je einen Ökofonds im Angebot und prophezeien dieser Anlageform eine rosige Zukunft. So betonte Ex-UBS-Verwaltungsratspräsident Alex Krauer, dass Nachhaltigkeitsfonds gute Anlagechancen bieten, weil sich ein schonender Umgang mit Ressourcen langfristig für Firmen und Investoren bezahlt mache. Neuerdings bietet selbst die Alternative Bank Schweiz (ABS) Ökofonds der Bank Sarasin an. Die ABS setzt sich seit zehn Jahren für eine ökologischere und sozialere Schweiz ein, stand aber Aktienanlagen an der Börse bisher immer kritisch gegenüber. Bis die ABS-Kunden immer häufiger ein grünes Fondsangebot verlangten.

Die grüne Welle ebbt nicht ab
«Wir waren ursprünglich gegen diese Anlageform, weil sie in der Regel die Welt nicht verändert», sagt Felix Bührer, Direktor der ABS. «Wir haben nun aber gesehen, dass auch Fonds real etwas bewirken», begründet er diesen Meinungsumschwung. «Zum Beispiel wenn das Fondsmanagement den Firmenchefs Fragen zur Ökologie stellt und auf diese Weise in deren Köpfen etwas bewirkt.»

Auch bei Raiffeisen hatten sich viele Kunden ein nachhaltiges Fondsangebot gewünscht. Die Gruppe schuf im Mai dieses Jahres eine eigene grüne Fondsfamilie. Trotz schlechter Börsenstimmung und Aktienverdruss sind bereits 50 bis 60 Millionen in die Raiffeisen-Fonds geflossen.

Bis Ende 1999 gab es im deutschsprachigen Raum rund zwei Dutzend solcher Anlagevehikel. Das Jahr 2000 war dann ein absolutes Boomjahr für ökologische Geldanlagen: Sowohl die Zahl grüner Fondsangebote als auch das Kapital, das in solchen Fonds steckt, haben sich verdoppelt.

Ein Abebben dieser grünen Welle ist nicht in Sicht: «Wir sehen einen deutlichen langfristigen Trend in Richtung nachhaltige Geldanlagen», sagt Peter Signer, Bereichsleiter Anlagen bei Raiffeisen. «Die Erbengeneration der 40- und 50-Jährigen, die jetzt zu Vermögen kommt, hat ein anderes Verhältnis zum Geld als frühere Generationen. Für sie spielen ökologische und soziale Fragen beim Anlegen eine Rolle – da liegt grosses Potenzial», sagt Signer.

Raiffeisen bietet neu erstmals auch zwei reine Obligationenfonds an: einen Fonds mit Schweizer und einen mit ausländischen Obligationen sowie je einen Aktienfonds Schweiz und international. Bisher gab es auf dem grünen Markt nur entweder reine Aktienfonds oder Mischfonds mit festem Obligationenanteil und Aktien.

Die Unterscheidung zwischen Obligationenfonds, gemischten Fonds und reinen Aktienfonds ist wichtig: Denn je höher der Aktienanteil, desto höher sind Risiko und Gewinnchancen für den Anleger. Deswegen lassen sich auch die Erträge der unterschiedlichen Fondsarten nicht miteinander vergleichen. Am besten haben die gemischten Fonds mit hohem Obligationenanteil abgeschnitten: Der «Oekosar» der Bank Sarasin brachte über die letzten fünf Jahre 6,5 Prozent pro Jahr, der «Prime Value» der Dr. Höller Vermögensverwaltung knapp sechs Prozent. Dieser Ethikfonds berücksichtigt hauptsächlich soziale Kriterien wie Mitarbeiterbehandlung und Gleichberechtigung. Ökologie spielt eine untergeordnete Rolle.

Rentabel auch in der Börsenbaisse
Die Renditen der übrigen Fonds sehen eher betrüblich aus. Schuld daran ist aber nicht die Firmenauswahl, sondern die Schlechtwetterlage an den Börsen in den letzten zwei Jahren. Die Renditen wurden per 28. September 2001 ermittelt, als die Börse praktisch auf dem Tiefstpunkt stand. Im Schnitt haben die Ökofonds in der Baisse aber deutlich besser abgeschnitten als die meisten gewöhnlichen Fonds.

Rentieren Nachhaltigkeitsfonds also besser als herkömmliche Anlagen? Müssen Ökoanleger also nicht auf Rendite verzichten, wie vielfach behauptet? Wer in einen gut geführten Ökofonds investiert, kann davon ausgehen, dass er gleich viel verdient wie mit einem herkömmlichen Fonds. Das zeigen verschiedene in- und ausländische Untersuchungen. Angst vor Renditenachteilen ist deshalb fehl am Platz. Die meisten Anleger, die Erfahrung mit Ökofonds haben, gehen heute davon aus, dass ihr Investment die gleiche Rendite bringt wie eine konventionelle Anlage. Sie sehen das «Grüne» an ihrer Anlage deshalb als Plus.

Georg Wüest kann eine Antwort darauf geben, in welche Kanäle ihr Geld fliesst und wie es dort wirkt: Er ist Leiter des Umweltmanagements bei der Geberit-Gruppe, die sanitäre Anlagen wie Wasser sparende Klospülungen herstellt. Wüest freut sich, dass zahlreiche umwelt- und sozialbewusste Anleger in seine Firma investieren: «Dies ist ein Signal von aussen, dass wir unsere Arbeit gut machen.»

Öko-Anleger haben langen Atem
Dass Geberit bei den Umweltfonds beliebt ist, wirkt sich auch auf den Aktienkurs positiv aus: «Das sind wertvolle Aktionäre, weil sie langfristig investieren und nicht kurzfristig spekulieren. Das hilft dem Kurs», sagt Wüest. Die gute Bewertung durch die Fonds bringe der Firma zudem einen Imagegewinn, der ebenfalls in einem höheren Aktienkurs zum Ausdruck komme. Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass der Ruf einer Firma in der Öffentlichkeit rund 40 Prozent ihres Börsenwerts ausmacht.

Allerdings ist der Kontakt zu den Umwelt- und Ökofonds auch mit Arbeit verbunden. Wüest verschickt Umweltberichte, erteilt telefonisch Auskünfte und führt Analysten im Betrieb herum. Und von Jahr zu Jahr flattern mehr und ausführlichere Fragebögen von Ökofonds auf sein Pult. Hundert Fragen zum Umwelt- und Sozialverhalten seines Unternehmens, das ist keine Seltenheit. Für Wüest ist jedoch klar, dass sich die Mühe lohnt: «Wir haben von allen Seiten Spitzenratings erhalten. Das motiviert uns alle.»