Wenn ein schwerreicher Steuerzahler vor der Tür steht, wird beflissen der rote Teppich ausgerollt. Zu diesem Fazit gelangte der Beobachter im letzten Herbst, als er mittels einer fingierten Anfrage testete, mit welchen Privilegien ein niederlassungswilliger deutscher Steuerflüchtling in 32 ausgesuchten Städten und Gemeinden rechnen dürfe. Auch das schwyzerische Freienbach versäumte es damals nicht, sich als «in jeder Beziehung äusserst attraktiven Wohn- und Geschäftsstandort» im besten Licht zu präsentieren.

Gut möglich, dass das Steuerparadies am oberen Zürichsee ab 2007 mit einem zusätzlichen Argument im Sinne der Grossverdiener aufwarten kann: einem geheimen Steuerregister. Nach dem Willen des Schwyzer Regierungsrats soll auf diesen Zeitpunkt hin die heute für jedermann mögliche Einsicht in die Steuerdaten Dritter «ersatzlos aufgehoben werden», wie es im Vernehmlassungstext zur Teilrevision des kantonalen Steuergesetzes heisst. Die freimütige Begründung: Im Wettbewerb um bestsituierte Steuerpflichtige erweise es sich «zunehmend als hinderlich und als eigentlicher Standortnachteil», wenn sich Vermögende steuertechnisch in die Karten schauen lassen müssten.

Kantone pfeifen aufs Bundesgericht

Konkrete Nachfrage: Wie oft ist es denn schon vorgekommen, dass jemand deswegen den Kanton Schwyz verschmäht hat? Thierry Lippmann, Chef des Rechtsdienstes der kantonalen Steuerverwaltung, mag keine Zahl nennen. Rückmeldungen der Wirtschaftsförderung und aus Steuerämtern zeigten aber, dass potenzielle Neuzuzüger die Steuerauskunft zunehmend hinterfragen würden. «Wir haben vermehrt Interessenten aus Deutschland, von denen das gar nicht gern gesehen wird.» Als weiteres Argument gegen das Einsichtsrecht führt Lippmann die mitunter geringe Aussagekraft der aufgeführten Daten an. Je nach dem Veranlagungszeitpunkt der Faktoren «steuerbares Einkommen» und «steuerbares Vermögen» könnten die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der Betroffenen falsch interpretiert werden.

Der politischen Opposition riecht dies zu sehr nach Geheimniskrämerei. «Wir fordern im Gegenteil mehr Transparenz bei den höchsten Einkommen», sagt Martin Reichlin, Kantonalpräsident der SP Schwyz. Die Partei wird sich in der Debatte um die Gesetzesrevision, die letztlich vors Stimmvolk kommt, für die Beibehaltung der Steuerauskunft stark machen. «Sie trägt dazu bei, dass krasse Missstände eher bekämpft werden können», so Reichlin. Würden dagegen die Daten unter Verschluss gehalten, blieben beispielsweise fragwürdige Steuerabkommen unentdeckt.

Die Haltung der Schwyzer Linken deckt sich mit den Erwägungen in einem neueren Urteil des Bundesgerichts. Darin würdigt das höchste Gericht des Landes öffentliche Steuerregister als «Element der schweizerischen Steuerkultur» und billigt dieser Praxis eine präventive Wirkung «zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung» zu.

So deutlich dieser Wink der Lausanner Richter auch ist: Er kümmert die Kantone, in deren Zuständigkeit die Handhabung der Register fällt, immer weniger. Schwyz ist daran, sich in eine Reihe von heute bereits 14 Kantonen zu stellen, die Steuerdaten als besonders schützenswertes Gut ansehen und keinerlei Einsicht gewähren. Andernorts gelten, in bester föderalistischer Manier, zum Teil weit reichende Einschränkungen.

Das zunehmende Mauern der Kantone verfolgt Markus Schefer, Staats- und Verwaltungsrechtler an der Uni Basel, mit einiger Skepsis. Wohl gelte es im Einzelfall abzuwägen, ob der Blick in die Steuerdaten von Drittpersonen aus reiner Neugier erfolge oder ob tatsächlich ein Nutzen für die Öffentlichkeit bestehe. Wenn man die Register jedoch gänzlich geheim halte, würde ein legitimes öffentliches Interesse grundsätzlich ausgeschlossen. «Und das geht eindeutig zu weit», so Schefer.

Der Rechtsprofessor verweist überdies darauf, dass in anderen Bereichen eine gegenläufige Entwicklung – hin zu mehr Transparenz – zu beobachten sei. So etwa bei den Grundbucheinträgen: Hier sprach sich das Bundesgericht in einem Leitentscheid aus dem Jahr 2000 dafür aus, bei der Abwägung zwischen Auskunfts- und Geheimhaltungsinteressen tendenziell auf die Offenlegung der Daten zu setzen, wenn dadurch etwa Spekulationsmachenschaften aufgedeckt werden können.

Quelle: Archiv