Meine Mutter sagte mir, ich sei ein «Café au Lait». Ein Milchkaffee. Mein Vater ist der Kaffee, sie die Milch, und ich bin irgendwo dazwischen. Dass ich aufgrund meiner Hautfarbe «anders» bin, realisierte ich an meinem ersten Schultag. Niemand wollte meine Pultnachbarin sein.

Der Lehrer fragte: «Wieso?» Die Antwort war: «Weil sie schwarz ist.» Doch ich war nicht schwarz. Ich war auch nicht weiss. Ich war doch ein Café au Lait! 

Ich passte mich an. Mein ganzes Leben lang. Versuchte, so «schweizerisch» wie möglich zu sein. Versteckte meine Haare unter Perücken. Trug farblose Kleider. Heiratete einen weissen Mann. Wollte das Afrikanische in mir löschen. Ich dachte: So werde ich akzeptiert. Doch es gibt immer jemanden, der dich daran erinnert, dass du nicht weiss bist. Irgendwann wurde die Last auf meinen Schultern zu schwer. Ich explodierte. 

Als schwarzer Mensch repräsentierst du immer deine Community. Ein Fehler, der dir passiert, passiert auch allen andern. Denn da ist dieses Vorurteil in den Köpfen: Alle schwarzen Personen sind gleich. Also stellte ich mir die Frage: Sind wir das? Ich begann zu recherchieren. Durchstöberte das Internet. Stellte fest, dass es erstaunlich wenige Informationen über schwarze Frauen in der Schweiz gibt. Wie leben sie?

Ich sprach fremde schwarze Frauen auf der Strasse an. Bat sie, mir ihre Geschichte zu erzählen. Die dachten sicher, ich sei verrückt. Aber sie öffneten sich. Es war unglaublich. Wir waren zwar völlig unterschiedlich, aber in ihren Geschichten war irgendwo auch meine Geschichte. So entstand «Je suis noires». 

«Ich hoffe, dass ­weisse Menschen durch unseren Film erkennen, dass ihre Hautfarbe ein Privileg ist.»

Rachel M’Bon, Journalistin

Für den Film, den ich mit Juliana Fanjul realisierte, habe ich Interviews mit sechs Frauen gemacht. Von der Studentin bis zur Anwältin. Über ihr Leben, ihre Sorgen und Ängste. Über das zerbrochene Selbstvertrauen und Mikroaggressionen. Diese allgegenwärtigen Kommentare, Handlungen und Klischees. Dass eine schwarze Frau nicht einfach eine normale Frau sein kann. Sondern immer eine «sportliche schwarze Frau» oder eine «wütende schwarze Frau» ist.

Und über das Gefühl, nicht hierherzugehören. Wenn du hier geboren bist und hier aufwächst, dir aber immer wieder gesagt wird, dass du hier nicht hingehörst, zerreisst es dich. Sie sagen: «Geh zurück in dein Land!» Aber wohin soll ich gehen? Wohin gehöre ich, wenn mein Land mich nicht akzeptiert?

Weisse zum Nachdenken bringen

Mit dem Film will ich zeigen, was Widerstandsfähigkeit bedeutet. Wie es sich anfühlt, anders zu sein. Wie es ist, um Akzeptanz kämpfen zu müssen. Ich will schwarzen Frauen helfen, sich selbst zu lieben. Ich hoffe, dass weisse Menschen durch den Film erkennen, dass ihre Hautfarbe ein Privileg ist. Wie es ist, schwarze Hautfarbe zu haben, werden sie vermutlich nie ganz verstehen. Aber sie können es versuchen. Das ist ein guter Anfang. 

«An dem Tag, als ich explodiert bin, habe ich losgelassen. Ich schmiss die Perücken weg und liess mich scheiden.»

Rachel M’Bon, Journalistin

Ich habe Hoffnung in die Zukunft. Die jüngeren Generationen machen sich viel mehr Gedanken über Diskriminierung und Rassismus. Sie wollen etwas dagegen unternehmen. Beim Kampf um Gleichberechtigung gibt es weder Gewinner noch Verlierer. 

An dem Tag, als ich explodiert bin, habe ich losgelassen. Mein Leben, wie ich es kannte. Ich schmiss die Perücken weg, trug wieder Farbe und liess mich scheiden. Die Rachel, die ich einmal war, wird es nie mehr geben. Das ist gut so. Ich bin heute viel stärker. Habe ich meinen Frieden gefunden? Schwierige Frage. Es ist eine lange Reise, aber ich bin auf dem Weg.

Aufgezeichnet von Lea Oetiker

«Je suis noires», Dokfilm von Rachel M’Bon und Juliana Fanjul, 52 Minuten, ab 9. März in diversen Schweizer Kinos