Eine undurchsichtige Sache
Beim gemeinnützigen Zürcher Verein Blindenhaus ist für Aussenstehende nicht nachvollziehbar, wohin die Spendengelder fliessen. Mitglieder, die Transparenz verlangen, werden ausgeschlossen.
Veröffentlicht am 6. Juni 2008 - 09:26 Uhr
Sieben Mitgliedern des gemeinnützigen Zürcher Vereins Blindenhaus verwehrt die Angestellte einer privaten Sicherheitsfirma am 28. März 2008 den Zutritt zur Generalversammlung. Sie müssen vor der Tür auf der Treppe ausharren.
Welch schwerwiegenden Vergehens haben sich die sieben Unerwünschten - sechs von ihnen sehbehindert oder blind - schuldig gemacht, allen voran die beiden Vorstandsmitglieder Sibylle Holdener und Andrea Blaser? Eine Antwort auf diese Frage bleibt der verantwortliche Vereinspräsident Beat Link auf Anfrage schuldig. «Es liegen gewichtige Gründe vor», so Link. «Ich darf die Ausschlussgründe nicht bekanntgeben, ansonsten würde ich die Persönlichkeitsrechte der Ausgeschlossenen verletzen», sagt er und verweist auf die Generalversammlung. Dort habe er die Gründe ausführlich dargelegt.
Der Beobachter fragt bei Teilnehmern der Versammlung nach und stösst auf zwei ausgewiesene Kenner des Blindenwesens: Mario Huber und Fatima Heussler. Er war während Jahrzehnten Geschäftsführer des Zürcher Elternvereins für blinde und sehbehinderte Kinder, sie ist amtierende Geschäftsführerin des Zürcher Blindenwohnheims Mühlehalde. Beide sagen übereinstimmend aus, Präsident Link habe an der Versammlung behauptet, die rausgeworfenen Vorstandsmitglieder Sibylle Holdener und Andrea Blaser seien anmassend gewesen. Um das zu unterstreichen, habe er aus E-Mails von Andrea Blaser vorgelesen. «In diesen Mails forderte sie lediglich in einem sachlich anständigen Ton, dass endlich transparente finanzielle Verhältnisse geschaffen werden», erinnert sich Heussler. Tatsächlich verlangten die beiden Frauen Selbstverständlichkeiten wie Kopien des Budgets oder des Rechnungsabschlusses.
Falsches Gütesiegel
Der Verein Blindenhaus, der sich Selbsthilfe auf die Fahne geschrieben hat, betreibt an bester Lage an der Zürcher Seefeldstrasse 65 ein Haus mit 13 Zimmern. Diese werden vor allem an Sehbehinderte vermietet. Konfrontiert mit dem Vorwurf, die Finanzen intransparent zu handhaben, gesteht der Vereinspräsident zwar ein, dass im Jahresbericht erklärende Angaben zur Vereinsrechnung fehlen, doch betont er zugleich, Fragen von Gönnern würden postwendend beantwortet. Doch aus den veröffentlichten Zahlen können Spender nicht nachvollziehen, wofür ihr Geld tatsächlich verwendet wird. Für die Stiftung Zewo, die Schweizerische Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Spenden sammelnde Organisationen, ein unhaltbarer Zustand. Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer: «Wer öffentlich Spenden sammelt, ist den Spendern aussagekräftige Finanzzahlen schuldig.»
Doch damit nicht genug. Gönnern wird gar vorgegaukelt, die Vereinsrechnung werde alljährlich dem Finanzdepartement der Stadt Zürich zur Prüfung eingereicht. So schreiben es die Statuten vor. Doch die Abklärungen der Zürcher Stadtverwaltung zeigen, dass in den letzten Jahren keine Abteilung die Rechnung je geprüft hat. «Spender dürfen nicht getäuscht werden, indem man sie glauben lässt, die Stadt überprüfe die Vereinsrechnung und bürge damit für Seriosität», sagt Alfons Sonderegger, Sekretär des Finanzdepartements. Die Stadt wird jetzt vom Verein verlangen, dass er den Passus umgehend aus den Statuten streicht, zumal er der Stadt nie zur Genehmigung vorgelegt worden sei.
Auch intern bleibt die Rechnung unter Verschluss: Kurz nach ihrer Wahl in den Vorstand im April 2007 verlangten Blaser und Holdener hartnäckig Einblick in die Bücher. Nach langem Hin und Her empfahl der Präsident der blinden Andrea Blaser schliesslich eine Reise nach Österreich, wo die Treuhandfirma Rowe Consulting die Vereinsrechnung führt. «Wir konnten doch nicht Kopien in so unverhältnismässigem Umfang wie gefordert erstellen lassen», begründet der Präsident die Empfehlung. Andrea Blaser hingegen betont: «Wir verlangten nie Unmögliches. Alles, was wir forderten, war Einblick in die Bücher, und zwar am Sitz des Vereins, um uns in Ruhe ein Bild machen zu können.»
Schliesslich wies der Präsident im Mai 2007 ihr Begehren endgültig zurück. Und beschied, ihr Anliegen werde an einer Vorstandssitzung im Oktober behandelt. Jetzt schalteten die Frauen einen Anwalt ein. «Die offensichtliche Verzögerungstaktik zwang uns dazu», sagt Andrea Blaser.
Während die Mühlen der Justiz langsam zu mahlen begannen, machte der Vereinspräsident mit Unterstützung der beiden übrigen Vorstandsmitglieder kurzen Prozess: Mit drei gegen die zwei Stimmen der Betroffenen beschloss der Vorstand im Oktober 2007, die beiden kritischen Frauen aus dem Verein auszuschliessen - weil sie sich angeblich des Mobbings und anderer Vergehen schuldig gemacht hätten, wie es im Protokoll heisst.
Statt Transparenz gabs Mobbingvorwürfe und Verdächtigungen: Auszüge aus dem Protokoll der Vorstandssitzung, Oktober 2007
Chronische Vetterliwirtschaft
Mit dem Vereinsausschluss verloren Sibylle Holdener und Andrea Blaser zugleich ihren Posten im Vorstand. Zurück blieben Präsident Beat Link, Geschäftsführer René Moser und Vizepräsidentin Heidi W.. Alle drei sind sich gegenseitig herzlich verbunden: Präsident Link teilt sich mit seinem Geschäftsführer den Lohn sowie die Arbeit der Geschäftsleitung und des Sekretariats. Vizepräsidentin Heidi W. durfte für ihre private Firma im Blindenhaus sogar ein Büro einrichten. Die noble Adresse brachte ihrer Finanzberatungsfirma Happy Home Finanz AG allerdings wenig Glück. Inzwischen ist die Firma Konkurs.
Auch W's nächste Firma an derselben Adresse existierte keine drei Monate lang. «Es ist sinnvoll, dass die Vizepräsidentin ihr Büro in dieser Liegenschaft hat, kann sie doch so die Interessen der Heimbewohner noch besser verstehen», meint Präsident Link. Schon früher seien im Haus an der Seefeldstrasse einzelne Zimmer gewerblich genutzt worden. Link nennt eine Handvoll solcher Mieter - allesamt gemeinnützige Institutionen des Blindenwesens, keine einzige private Firma.
Der Ehemann der Vizepräsidentin musste ebenfalls schon mit mehreren Firmen Konkurs anmelden. Doch der Blindenverein hält es offenbar für unproblematisch, ihm als Geschäftsführer der Firma Rowe Consulting mit Sitz in Österreich die Rechnungsführung des Vereins anzuvertrauen. «Es gab nie Grund zu Beanstandungen. Eine Gefahr besteht ohnehin nicht, da sämtliche Zahlungen ausschliesslich durch Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Vereins Blindenhaus Zürich getätigt werden», sagt Präsident Link. Zudem sei das Ehepaar W. inzwischen geschieden.
Die sieben ausgeschlossenen Mitglieder wehren sich nun gemeinsam vor Gericht. An der nächsten Generalversammlung wollen sie nicht mehr vor der Tür ausharren müssen.