Unter einer Allergie auf Meeresfrüchte litt Giacomo Casanova vermutlich nicht: Bis zu 50 Austern soll der Liebhaber aus Italien jeden Tag gegessen haben, um seine Manneskraft zu stärken. Ob sie ihm beim Liebesspiel mit seinen zahllosen Affären halfen – er soll bis Mitte vierzig bereits 122 Frauen «beglückt» haben –, darf bezweifelt werden. Austern enthalten zwar viel Zink. Das braucht der Körper, um das Sexualhormon Testosteron zu produzieren. Der wissenschaftliche Beweis für den Umkehrschluss, also für eine potenzfördernde Wirkung des schlabberigen Schalengetiers, fehlt aber. 

Austern? Die sehen doch aus wie…

Hinzu kommt, dass man bereits mit 100 Gramm Austernfleisch, was etwa einem Dutzend dieser Tiere ohne Schale entspricht – 86 Milligramm Zink zu sich nimmt. Das ist deutlich mehr als die verträgliche Höchstdosis von 50 Milligramm pro Tag. Sollte sich Casanova tatsächlich tagaus, tagein so viele Austern einverleibt haben, müsste er unter einer chronischen Zinkvergiftung gelitten haben. Zu den Symptomen gehören Blutarmut, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsmangel, brüchige Nägel, Haarausfall, Akne,Pilzbefall und – Potenzstörungen!

Wer also glaubt, nach dem Genuss von Austern potenter zu sein, wird wohl eher – Placeboeffekt sei Dank – von der visuellen Nähe zu gewissen weiblichen Körperteilen inspiriert. Tatsächlich weisen viele Lebensmittel, denen eine Förderung der Libido nachgesagt wird, Formen auf, die mehr oder weniger an primäre und sekundäre Geschlechtsteile des Menschen erinnern. Spargel? Klarer Fall. Was so aussieht, muss ja wirken. Bananen? Karotten? Der in Südamerika als Kraftfutter für den Penis beliebte Maiskolben? Dito. In Mittelamerika wiederum wird der Avocado potenzfördernde Wirkung zugesprochen. Die Azteken gaben der Kernfrucht den Namen ahuacatl, was in ihrer Sprache Hoden bedeutet. Und Papaya und Feigen, längs aufgeschnitten, erinnern an? Ja, genau. 

Das Beobachter Love-Street-Game: Hätten Sie's gewusst?

Doch zurück zu den Inhaltsstoffen, an die sich der rationale Zeitgenosse gerne klammert. Um die Sexualfunktionen zu erhalten, braucht der Körper nicht nur Zink. Die Vitamingruppe der Tocopherole, landläufig Vitamin E genannt, sollen dem Körper gemäss (in Fachkreisen umstrittenen) Studien ebenfalls helfen, das Sexualhormon Testosteron zu bilden. Doch ein Mangel an Vitamin E kommt laut Experten kaum je vor. Wir nehmen genügend davon mit der Nahrung auf, und der Körper kann das Vitamin zudem gut in der Leber speichern. Zusätzlich Vitamin-E-Bomber einzuwerfen, wie es die Pharmaindustrie propagiert, hat nach heutigem Wissensstand höchstens eine Wirkung: Das Zuviel kann zu Muskelschwund führen – was der Performance im Bett wenig zuträglich ist.

Wirken Eier, Kürbiskerne oder Maca?

Auch L-Arginin, das in Eiern und Kürbiskernen vorkommt, wird für seine potenzfördernde Eigenschaft gelobt. Die Aminosäure produziert Stickoxid im Körper, das gefässerweiternd wirkt. Während verschreibungspflichtige chemische Potenzmittel dafür sorgen, dass Stickoxid weniger schnell abgebaut wird und so eine kräftigere Erektion erzeugt, sorgt L-Arginin dafür, dass von vornherein mehr davon vorhanden ist. Studien zu L-Arginin haben bislang eine positive Wirkung auf das Blutdrucksystem nachweisen können. Bei Potenzstörungen konnte ein Nutzen allerdings erst bei Männern nachgewiesen werden, die einen Mangel an körpereigenem L-Arginin aufwiesen. Bei der Gruppe gesunder Probanden blieb die Zugabe wirkungslos.

Ebenfalls hoch im Kurs steht bei den Anhängern von Nahrungsergänzungen Maca, eine Knolle, die in den Anden wächst und allerlei gesundheitsfördernde Wirkungen haben soll. Allerdings liegen auch bei ihr noch keine umfassenden Studien vor, die eine chemisch bedingte Wirkung beweisen würden.

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Was nützt, ist oft nicht gesund

Zwar wirkungsvoll, aber auch gefährlich ist Yohimbin, ein Alkaloid, das aus Rinde und Blättern des westafrikanischen Yohimbe-Baumes gewonnen wird. Es hilft, den Blutfluss in den Genitalien von Männern wie Frauen zu steigern. Zudem ist es psychoaktiv, was bei psychisch bedingten Erektionsstörungen hilfreich sein kann. Allerdings hat Yohimbin starke Nebenwirkungen, darunter Angst, Unruhe, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, verstärkten Harndrang, Schwitzen, Frösteln, Herzklopfen, Schlaflosigkeit, Bluthochdruck und erhöhte Herzfrequenz.

Noch weniger empfehlenswert, weil bisweilen tödlich, ist die Spanische Fliege. Das Pulver, das aus dem getrockneten und zerriebenen Käfer gleichen Namens besteht, greift das zentrale Nervensystem an und kann im schlimmsten Fall zum Tod führen. Dann doch lieber Erdbeeren – die nützen zwar nichts, sind aber lecker. Oder Schokolade. Die stimmt zwar nur sinnlich, macht dafür aber bei einer Überdosis höchstens dick.

Autor: Andrea Haefely
Bild: Yves Roth
Illustration: Thilo Rothacker