Beobachter: Büssi, es ist neun Uhr morgens. Zu früh für Witze?
Stefan Büsser: Gar nicht. Ich habe schon vor zwei Stunden gelacht. 


Worüber?
Videos auf Youtube, in denen Comedians von Zuschauern unterbrochen werden. Aber ich gebe zu: Ich bin ein einfaches Publikum und lache schnell. 


Auf dem Weg hierher habe ich mich gefragt, ob ich witzig genug für unser Gespräch bin. Absurd, schliesslich sind Sie der Comedian.
Oh, das passiert ständig! Vor allem im Ausgang verspüren Leute den Drang, mich zum Lachen zu bringen. Da kommen manchmal fünf Betrunkene hintereinander und sagen alle: «Ha, Büssi, das tönt wie Büsi.» Es gibt kaum einen Spruch, den ich noch nicht gehört habe. Dabei kann ich durchaus auch normale Gespräche führen. Sogar ernste, wenn Sie wollen. 


Dann lassen Sie uns über Corona reden. 
Endlich mal! 


Sie haben schon über das Virus gewitzelt, als es hier in der Schweiz noch kaum verbreitet war. Mag solche Scherze heute noch jemand hören?
Eigentlich bringt das Virus bestmögliche Voraussetzung für Comedy: Alle sind betroffen und haben einen ähnlichen Wissensstand. Auch neuen Stoff gibt es täglich. Bei den «Quotenmännern», meinem Podcast mit Michael Schweizer und Aron Herz, kam aber relativ schnell die Rückmeldung, wir sollten mal wieder über anderes sprechen. 


Oder keine Witze über ein tödliches Virus machen?
Auf die ständig Empörten muss man nie lange warten. Wenn ich mich nach ihnen richten würde, könnte ich gerade mal «Grüezi» und «Guet Nacht» sagen – den Rest des Programms müsste ich streichen. Die Welt ist sensibler geworden. Manche Leute suchen Äusserungen schon fast zwanghaft nach Rassismus und Sexismus ab. 


Gibt es Themen, über die man keine Witze macht?
Grundsätzlich: nein. Die Frage ist, ob man einen guten Zugang findet, damit die Pointe am richtigen Ort landet. Nur nach unten zu treten, ist nicht lustig. Mir sind aber auch schon Sprüche rausgerutscht, die danebengingen. 


Wie reagieren Sie dann?
Gar nicht, das macht Twitter für mich. Da gibt es ja auch Leute, die mir noch immer Tweets aus dem Jahr 2013 vorwerfen. So was finde ich schwierig. Wir alle lernen dazu. Diese vier, fünf Scharfrichter für Internetjustiz werden viel zu ernst genommen. Früher habe ich noch mit ihnen diskutiert.

«Mir fehlt die Energie für aussichtslose Diskussionen mit Fremden.»

Stefan Büsser, Comedian

Jetzt ignorieren Sie sie?
Wenn jemand mit «Ihr Mainstream-Medien» beginnt, weiss ich, dass nichts mehr Schlaues kommt. Auch bei meinen «Bachelor»-Videos gab es ab und zu Kommentare unter der Gürtellinie. So was geht nicht. Wer auf meinen Profilen in den sozialen Medien ausfällig wird, den sperre ich gnadenlos.


Und das Internet schreit: «Zensur!»
Meine Plattform ist mein Zuhause, da stelle ich die Regeln auf. Wenn jemand in deine Wohnung kommt und auf den Tisch scheisst, machst du die Tür beim nächsten Mal auch nicht mehr auf. 


Dann macht er seinen Dreck vor die Tür. 
Klar, Trolle verschwinden nicht, wenn ich sie blockiere. Mir fehlt aber die Energie für aussichtslose Diskussionen mit Fremden. 


Wie siehts mit Corona-Skeptikerinnen im Freundeskreis aus?
Ein paar meiner Freunde sind sehr kritisch. Mit Marco Rima habe ich zum Beispiel oft diskutiert. Lustigerweise sind wir bei etwa 80 Prozent gleicher Meinung. Beim Rest kommen wir nicht auf einen grünen Zweig, aber das ist völlig okay. Solche Gespräche ausserhalb der eigenen Bubble tun gut.


Vor einem Jahr haben Sie mit Daniel Koch den Podcast «Hockdown» lanciert und Tausende von Publikumsfragen beantwortet. Wie stark war der Gegenwind? 
Einmal konnte Dani Koch eine Definition nicht aus dem Ärmel schütteln, das wurde in Skeptikerkreisen zerrissen. Ich wollte die Stelle rausschneiden, aber er stand dazu. Dann recherchierte er und klärte beim nächsten Mal auf. Abgesehen von der einen Folge wurde der Podcast sehr wohlwollend aufgenommen. 


Daneben haben Sie Corona-Videos gemacht oder von der Impfung geschwärmt. Ist das Ihr Job als Comedian?
Wenn Corona dazu führen würde, dass den Leuten ein Bein abfällt, hätte ich die Klappe gehalten: «None of my business.» Das Virus befällt aber die Lunge, und damit kenne ich mich aus. Ich habe zystische Fibrose, eine angeborene Stoffwechselerkrankung. Seit Kindheit habe ich immer wieder Atemwegserkrankungen. Ich inhaliere täglich und muss jedes Jahr zwei Wochen ins Spital, um mir die Lunge reinigen zu lassen. Da darf ich mir eine klare Meinung erlauben. 


Als Risikopatient haben Sie sich zu Beginn der Krise isoliert. 
Ja, Foxy und ich hatten viel Zeit zu zweit. (Er streichelt die Hündin unter dem Tisch) Zum Glück stellte sich schnell heraus, dass Menschen mit zystischer Fibrose eher leichte Verläufe haben. Unser Immunsystem ist permanente Angriffe so gewohnt, dass es sogar bei Corona denkt: «Been there, done that.» Trotzdem ist das keine Erfahrung, die ich unbedingt machen muss.


Sie haben mal gesagt, es gebe selten einen Tag, an dem Sie sich von A bis Z gesund fühlen. Haben Sie an schlechten Tagen Lust auf Comedy?
Da geht es nicht um Lust, sondern um Professionalität. Die Zuschauer haben bezahlt und sich vielleicht wochenlang gefreut – ich bin ihnen eine gute Show schuldig. Ich habe in vielen meiner schlimmsten Momente gearbeitet. Im Radio ist das einfach, weil man hinter dem Mikrofon einen Stein machen kann. Auf der Bühne muss man zu 100 Prozent präsent sein. Das Adrenalin drückt zum Glück alles andere weg.

«Unter der Brücke schlafen muss ich noch nicht, aber finanziell gings mir schon besser.»

Stefan Büsser, Comedian

Und wenn Ihnen die Lust einmal ganz vergeht?
Dann werde ich Pornostar.


Oh!
Nein, keine Angst. 


Was wollten Sie als Kind werden?
Helikopterpilot! Böse Zungen behaupten, weil ich dann durch ein Mikrofon sprechen könnte. Irgendwann merkte ich, dass ich dafür nicht in die Luft muss  … Wenn Corona noch lange dauert, mach ich vielleicht die Pilotenlizenz.


Aber langsam kehrt doch eine gewisse Normalität zurück. 
Langsam, ja. Für Firmenanlässe und kleinere Events werde ich wieder gebucht. Ende September trete ich am «Gluschtigmacher» des Arosa Humorfestivals auf, das wird der erste grössere Anlass. Ich hoffe stark, dass sich die Kulturbranche erholt. Die Buchungen sind noch immer tief, im letzten Jahr hatte ich praktisch keine Auftritte. Unter der Brücke schlafen muss ich noch nicht, aber finanziell gings mir schon besser.


Trotzdem haben Sie gerade Ihren Job als Radiomoderator bei SRF 3 gekündigt.
Ich hätte gern weiter Radio gemacht. Das ist aber mit den Auflagen betreffend Kommerzialisierung schwierig. Ich musste für meinen 30-Prozent-Job Werbeangebote ablehnen, mit denen ich viel verdient hätte. Aber hey, das muss kein Abschied für immer sein. 


Auch die «Quotenmänner» lassen Sie zurück.
Nur den Namen, nicht die Männer. Wir hätten SRF die Rechte an den Quotenmännern gern abgekauft. Leider wurde das Angebot abgelehnt. 


Hängen Sie denn wirklich an dem Namen?
Wir fanden ihn am Anfang auch nur mässig. Dann verschwor sich eine linke Feministinnen-Bubble dagegen, was uns zusammenschweisste. Mittlerweile werden wir oft als Quotenmänner angesprochen, wenn wir zu dritt unterwegs sind. Ob das wohl so bleibt? Jetzt heisst der Podcast «Comedymänner».


Wann kommt Ihr nächstes Bühnenprogramm?
Ich weiss es noch nicht. Gerade geniesse ich die neue Freiheit und lasse mich treiben. Ich bin jetzt käuflich – nach dem Interview stehe ich an den Strassenrand. Wer zahlt, darf mich mitnehmen. 

 

Stefan Büsser, 36, ist Comedian und Moderator. Am 30. September tritt er am «Gluschtigmacher» des Arosa Humorfestivals in Chur auf. Der Beobachter ist Medienpartner des Festivals. Beobachter-Mitglieder profitieren von Spezialangeboten.
 

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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