Es ist noch dunkel, als sich die jungen Frauen vor dem Töchterheim Sonnenberg einreihen. In der Ebene liegt schwarz der Bodensee. Auf dem Vorplatz des Heims zerrt der Wachhund Senta aufgeregt an seiner Kette.
Als die Zweierkolonne steht, stapfen die Heimmädchen in den frühen Morgen hinaus – die Köpfe geradeaus gerichtet, ohne zu grüssen. Wie es ihnen Heimbesitzer Pierre V.* (Name der Redaktion bekannt) vorschreibt.
Die Strasse führt sie von Walzenhausen ins benachbarte Wolfhalden. In einem Gebäude voller Saurer-Stickautomaten beginnen die Frauen eine weitere Frühschicht in der Nastuchstickerei Kleinberger. Lohn erhalten sie kaum. Sie alle sind gegen ihren Willen in Walzenhausen untergebracht.
«Man kann sich gar nicht vorstellen, wie das war», sagt die ehemalige Insassin Liselotte S.*: «Die ganze Zeit mussten wir arbeiten. Das Heim hatte ja keine Angestellten, wir mussten alles selbst machen, neben der Schicht in der Stickerei.»
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Zwangsarbeit: Wie die Stickerei-Industrie junge Frauen ausnutzte
Das Töchterheim «Sonnenberg» in Walzenhausen AR in den 1950er-Jahren: Den Mädchen, die hier interniert waren, wurden Berufswünsche wie eine Lehre abgeschlagen.
Bild: Hanna Jaray / Paul Seewer / Schriftstickerei: Andrea Klaiber / Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden2000 Mädchen waren ab den Fünfzigerjahren im Fabrikheim in Walzenhausen AR interniert. Weggesperrt von den Behörden. Sie mussten für umliegende Betriebe Zwangsarbeit leisten.
Von Yves Demuth
Veröffentlicht am 26. April 2022 - 23:13 Uhr
Veröffentlicht am 26. April 2022 - 23:13 Uhr
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