Auf dieses Erlebnis hätte Gabi Rohner durchaus verzichten können. Die ausgebildete Homöopathin wollte sich selbständig machen und beim Erfahrungsmedizinischen Register (EMR) anmelden. Denn nur wer dort eingetragen ist, kann seine Honorare mit den Krankenkassen abrechnen; ansonsten müssten die Patienten trotz Zusatzversicherung selber zahlen. Homöopathin Rohner schickte deshalb im Februar ihre Diplome und Ausbildungsunterlagen zusammen mit der Gebühr von 510 Franken zur Registrierung ans EMR. Und begab sich damit auf einen mühsamen bürokratischen Parcours, der in reiner Frustration endete.

Nachdem Rohner mitgeteilt worden war, dass die Behandlung des Gesuchs acht bis zehn Wochen dauern würde, bekam sie drei Monate später eine Mahnung mit der Auflistung fehlender Angaben. Ihre Schule war darüber bass erstaunt, wurden doch andere Absolventen der Klasse bereits registriert. Das nervenaufreibende Hin und Her um fehlende Unterschriften und Papiere ging weiter, und nach über einem halben Jahr erhielt Gabi Rohner Bescheid, dass ihr Gesuch abgelehnt worden sei. «Ich verzichte vorläufig auf eine Registrierung, weil ich nicht wieder umsonst 510 Franken zahlen will und nicht weiss, welche mir unbekannten Regeln dann wieder gelten.»

Drei Franken pro Minute, bitte schön
Ähnliches widerfuhr einer Therapeutin aus dem Kanton Zürich, die anonym bleiben will, weil sie befürchtet, sie würde bei ihren Patienten wegen der vom EMR verschleppten Registrierung einen schlechten Eindruck machen. Auch sie wurde fast ein Jahr hingehalten, musste immer wieder andere Dokumente einreichen. Als es ihr zu bunt wurde, nahm sie sich einen Anwalt. «Innerhalb weniger Tage hatte ich dann meine Registrierung, doch kostete mich der Anwalt einige tausend Franken.»
Wie schleppend die Registrierung erfolgte, musste auch eine ganze Klasse von Absolventen der Osteopathie-Schule Zurzach erfahren. Nach acht Wochen erhielten alle eine Mahnung, weil das Diplom nicht EMR-konform gestaltet sei. «Wie wenn man das nicht schon beim Eingang der Dokumente hätte feststellen können», meint Toni Schraner, einer der Absolventen. Es gingen weitere Wochen ins Land, die meisten hatten schon ihre Praxis eröffnet. «Ich wusste nicht, wie ich mit Patienten und Krankenkassen abrechnen soll», sagt Schraner, der mehr als fünf Monate auf die Registrierung wartete. Es brauchte die Intervention des Schulleiters, damit sie geschah.

Der Zürcher Anwalt Ueli Kieser hat schon mehrere harzige Fälle vertreten. Auch wenn sie nach seinem Eingreifen jedes Mal innert kurzer Zeit erfolgte, sagt er: «Die Registrierung ist sehr kompliziert, und häufig wechseln die Anforderungen an die Dokumente, die man einreichen muss.» Die Richtlinien sind unklar, ärgert sich auch Gabi Rohner. So wurde bei ihr etwa moniert, dass in ihrer Ausbildung das Herz nicht behandelt worden sei - dabei zeigten ihre Dokumente, dass sie das Fach Kardiologie belegt hatte. Auch kommt es vor - so ein weiterer Vorwurf -, dass der Nachweis über 250 Stunden praktische Ausbildung nach Monaten nachträglich verlangt wird; aus den Registrierungsanforderungen ging das nicht hervor. Hans U. Baumgartner, Geschäftsleiter einer Kasse für Alternativmediziner, kritisiert das EMR als intransparent: Man könne nur über eine Hotline kommunizieren - für sage und schreibe CHF 3.13 pro Minute - und habe es dadurch immer wieder mit einer anderen Person zu tun. «So kann man sich gar nicht über den Stand des Registrierungsverfahrens schlaumachen.»

Das EMR, das rund 16'000 Therapeutinnen und Therapeuten mit einem Qualitätslabel versieht und indirekt Hunderttausende von Patienten betrifft, ist ein seltsames Konstrukt. Es nimmt eine öffentliche Funktion wahr, ist aber eine Abteilung einer privaten Aktiengesellschaft, der Kommunikationsagentur Eskamed AG in Basel. Gründerin, Geschäftsführerin und Hauptaktionärin ist die Ärztin Silva Keberle. Sie verteidigt sich gegen den Vorwurf, die Registrierung sei intransparent: «Alle Qualitätskriterien sind in unseren Reglementen im Detail beschrieben. Änderungen werden zwei bis vier Jahre im Voraus angekündigt.» Dass Entscheide willkürlich seien, weist Keberle weit von sich. Zudem sei es nur eine verschwindend kleine Minderheit, weniger als ein Prozent, die für die Registrierung einen Anwalt zugezogen hätte.

«Veröffentlichen keine Umsatzzahlen»
Der Eintrag ins EMR kostet mehrere hundert Franken, dazu kommt eine jährliche Erneuerungsgebühr von rund 300 Franken. «Dafür überprüft das EMR lediglich, ob jemand die geforderten 20 Stunden Weiterbildung erbracht hat», sagt Baumgartner. Pro Jahr machen allein die Erneuerungsgebühren rund fünf Millionen Franken aus. Festgelegt werden sie von der Geschäftsleitung der Eskamed AG, also von Keberle. Wie hoch die gesamten Gebühreneinnahmen sind, will sie nicht sagen: «Als private Aktiengesellschaft veröffentlichen wir keine Umsatzzahlen.» Einen Einblick in die finanziellen Verhältnisse des EMR haben selbst die Krankenversicherer nicht, auch wenn sie in verschiedenen EMR-Gremien vertreten sind. Der Preisüberwacher hingegen, so Keberle, habe die Erfolgsrechnung 2006 des EMR geprüft und «nicht beanstandet». Immerhin etwas erreichte Preisüberwacher Rudolf Strahm, bei dem etliche Therapeuten wegen der teuren Hotline intervenierten: Auf Anfang 2008 wird sie gratis.

Seit Jahren in der Kritik
Beim EMR sind rund 200 therapeutische Methoden registriert, für die Qualitäts- und Ausbildungsstandards festgelegt sind. Doch längst nicht alle diese werden von den rund 40 beim EMR angeschlossenen Krankenkassen vergütet: «Wir anerkennen gegenwärtig etwa 80 Methoden», sagt Bruno Peter, Leiter Spezialleistungen bei der Concordia. «Dabei ist es eine Gratwanderung, denn wenn wir eine Methode streichen, wandern Kunden zu einer anderen Versicherung ab.» Jede Krankenkasse ist frei, über die Therapiemethoden zu entscheiden, die sie vergüten will. Zwar ist das EMR-Label für die Versicherer günstig: Sie zahlen dafür 5000 Franken pro Jahr. Doch einige Kassen vertrauen lieber ihrem eigenen Urteil. «Wir haben schon unsere Qualitätsstandards und das Wissen im eigenen Haus gehabt, bevor es das EMR gab», sagt Christian Beusch von der Visana, wo drei Personen für die Registrierung zuständig sind. Man brauche das EMR schlicht nicht; am Ende bleibe die Verantwortung doch beim Versicherer. Und schneller entschieden wird auch. «Innerhalb einer Woche erfolgt bei uns die Registrierung», sagt Beusch. Beim EMR, das 39 Personen beschäftigt, dauert es mindestens acht bis zehn Wochen.

Immer wieder steht das EMR seitens der Therapeuten und ihrer Verbände in der Kritik. Seit Jahren laufen denn auch Gespräche zwischen den Krankenkassen und dem Bund, um die Registrierung der Therapeuten beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) anzubinden, doch es harzt. «Die Gespräche sind sistiert, werden aber sicher wieder aufgenommen», sagt Suzanne Auer vom BBT, «denn die jetzige Situation ist nicht befriedigend.»