Lange hatte ihr der linke Fuss starke Schmerzen bereitet. Die Operation am 25. Mai 2005 bringt Eva Walker aus Hünenberg ZG die erhoffte Besserung: Die 74-jährige Rentnerin kann endlich wieder schmerzfrei gehen. Drei Monate nach dem Eingriff unternimmt sie mit ihrem Mann bereits wieder Bergwanderungen.

Doch das Glück währt nur kurz. Eine sogenannte Iontophorese, eine Elektrotherapie, endet im Desaster. Walker erinnert sich: «Die Therapeutin befestigte Elektroden oberhalb des Fussknöchels und unterhalb des Knies. Nach ein paar Minuten brannte es im Bein grausam.»

Auf dem Weg nach Hause schiessen der Rentnerin starke Schmerzen vom Unterschenkel bis in die Zehen. «Ich konnte kaum noch gehen. Abends war der Knöchel geschwollen, der Fuss gefühllos.» Drei Tage später geht Walker, wie verordnet, in die zweite Behandlung. «Ich berichtete der Therapeutin von den Schmerzen und den Gefühlsstörungen. Doch sie ging nicht darauf ein.» Stattdessen setzt die Therapeutin jetzt die Elektroden am operierten Fuss an, vorne am Ballen, oben und unten. Walker: «Sie drehte auf, doch ich spürte nichts. Darauf prüfte sie am Gerät, ob ein Stecker lose ist.» Sie habe noch höher gedreht und dann gesagt: «So stark kann ich es nicht lassen.» Und dann gefragt: «Haben Sie Metall im Fuss?»

Und ob: Buchstäblich zwischen den Elektroden, im Innern von Walkers Fuss, hatte der Chirurg mit zwei Schrauben die Zehengelenke fixiert. Der Strom, auf die Schrauben geleitet, verbrannte rundum das Fleisch und führte innerlich zu einer Nekrose, einer dauerhaften Schädigung von Zellen und Gewebe.

Walker schluckt seither Schmerzmittel, und statt Bergtouren liegen noch kurze Spaziergänge drin - mit einer Beinschiene. «Bein und Fuss werden nach wenigen Schritten gefühllos und lahm. Nachts biegt es meine Zehen durch, sie werden stocksteif.» Doch die Beteiligten ziehen sich bis heute aus der Verantwortung - auch die Kosten für Spezialschuhe und Schiene muss Walker selber tragen.

«Das ist medizinisch verboten»
Der Beobachter konfrontiert den verantwortlichen Orthopäden Philipp Bernhart aus Zug mit den Vorwürfen: Er hat Walker operiert und die Behandlung verordnet. Doch Bernhart weicht aus: Walker habe nach der Operation «immer noch Restbeschwerden». Es liege «eine sehr komplexe Situation» vor. Regula Fehr Braun von der Physiotherapie Oberdorf in Baar ZG, wo Walker die verhängnisvolle Elektrotherapie erhielt, räumt Fehler ein. «Unsere Angestellte, die heute nicht mehr hier arbeitet, hat einen Fehler gemacht.» Es sei aber «schwer nachvollziehbar», dass die Elektrotherapie allein für die Beschwerden verantwortlich ist.

Der Beobachter legt Edward Senn Auszüge aus der Krankengeschichte vor. Als ehemaliger Chefarzt der Rehaklinik Bellikon und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist Senn international ein führender Experte in physikalischer Medizin. «Hier liegt grober Pfusch und Missbrauch einer anerkannten Behandlung vor. Diese Therapie hätte so nie durchgeführt werden dürfen», sagt er. «Die Schrauben führten zu einer elektrochemischen Veränderung des Gewebes. Eine Elektrotherapie mit Gleichstrom unmittelbar im Bereich von implantiertem Metall ist gefährlich und medizinisch verboten.»

Bekanntes Schwarzpeterspiel
Sowohl Chirurg Philipp Bernhart wie auch die Physiotherapeutin hätten das wissen müssen. Er habe die Therapie «nicht verordnet», hält Bernhart in Walkers Krankengeschichte fest. Das stimmt nicht: Im Überweisungsschreiben von Bernhart an die Physiotherapeutin ist die Elektrotherapie klar aufgeführt. Und Physiotherapeutin Fehr sagt, die Behandlung sei «mit dem Arzt abgesprochen» gewesen. Wer die Hauptverantwortung zu tragen hat, wird juristisch zu klären sein. Eva Walker will sich jetzt einen Anwalt nehmen.