Und ward nicht mehr gesehen
Seit Jahren prellt der Betrüger Simon Bittel Firmen um Tausende von Franken und taucht dann ab. Polizei und Justiz können ihm nichts anhaben.
Veröffentlicht am 30. Januar 2006 - 17:32 Uhr
Er gibt sich charmant und zuverlässig. Zuverlässig gerade auch in Gelddingen: Simon Bittel zahlt selbst grosse Beträge pünktlich und bar auf die Hand, tritt solvent auf und wedelt wie zum Beweis gern mit dicken Geldbündeln. «Zehn Wagen für rund 250’000 Franken hat er bei uns gekauft und immer bar bezahlt», erinnert sich Valentin Fürst, Verkäufer bei der Garage Franz Reinhart AG im solothurnischen Egerkingen. «Eines Tages holte er sich vor einem Wochenende noch drei Autos, schwatzte mir die Papiere ab, versprach, das Geld am Montag zu bringen – und verschwand. Der Verlust beträgt 76’500 Franken, mit Zinsen mittlerweile gegen 95’000 Franken.»
Das Autohaus ist mit der Schmach, so schamlos übers Ohr gehauen worden zu sein, nicht allein. Selbst grosse Häuser wie die schweizweit tätige Amag blieben von Bittels windigem Geschäftsgebaren nicht verschont. «Der Schaden hält sich aber in Grenzen, da ihm der Betrug nur bei einem Occasionswagen gelungen ist», sagt Amag-Mediensprecher Dino Graf.
«Die Opfer schämen sich»
Der 52-jährige Bittel, der laut seinem Anwalt weder lesen noch schreiben kann, hinterlässt in den letzten Jahren in weiten Teilen des Schweizer Mittellands eine Spur der Verwüstung wie weiland Sturm «Lothar». Die Spur führt von Biel über Roggwil nach Egerkingen, Däniken, Schönenwerd bis Rupperswil. Auch in der Zentralschweiz liegen Verlustscheine bei einem Inkassobüro vor.
Besonders hart traf es Roggwil BE. «Benno», wie Simon Bittel sich selber nennt, erwirbt hier 2002 eine Liegenschaft mit einem stattlichen Wohnhaus, einem baufälligen Nebengebäude sowie einem 883 Quadratmeter grossen Grundstück und lässt diese am 22. August beim Grundbuchamt auf seine Frau Heidi eintragen. Bittel gibt Arbeiten an den Gebäuden in Auftrag, bleibt den meisten Handwerkern aber das Geld schuldig. So auch Schreiner Rudolf Burkhard, bei dem er immer noch 10’000 Franken offen hat. Maler, Dachdecker, Heizungsmonteure, Elektroinstallateure – kaum eine Branche, die nicht auf ausstehenden Rechnungen sitzt.
«Jeder, der von Bittel über den Tisch gezogen wurde, schämt sich für seine Vertrauensseligkeit. Darum findet Bittel immer wieder neue Opfer», erklärt Dario Scharegg vom Autohaus Däniken. Er hat, wie auch Peter Wisler von Wisler Nutzfahrzeuge in Schönenwerd, einen Abschreiber von rund 80’000 Franken hinnehmen müssen.
In Roggwil meldeten sich so viele Geschädigte bei der Kantonspolizei, dass diese sich genötigt sah, ein Schreiben an sämtliche bekannten Gläubiger zu senden. Dieses weist darauf hin, dass polizeiliche Ermittlungsverfahren wegen Betrugs laufen: «Anhand der Schuld von Herrn Bittel gehen wir davon aus, dass auch Sie Opfer eines Betrugs geworden sind.» Die Betroffenen werden gebeten, «bei der örtlichen Polizei eine entsprechende Strafanzeige zu deponieren. Nur so ist es möglich, dem Treiben Einhalt zu gebieten.»
Einhalt geboten wurde dem Treiben bislang nicht. Denn Bittel ist ein flüchtiges Wesen und versteht es meisterlich, sich sämtlichen Konsequenzen seines kriminellen Tuns zu entziehen: Er lebt in einem Wohnwagen, den er nach Belieben verschiebt. Nicht einmal die Mieter seiner Liegenschaft in Roggwil sind im Besitz einer gültigen Telefonnummer. Er selber ruft stets mit unterdrückter Nummer an. Betreibungen und Pfändungen verlaufen im Sand – Wertobjekte wie die Liegenschaft in Roggwil oder wertvolle Autos sind auf seine Frau eingetragen. Verhaftungen und Verhandlungen entzieht er sich mit medizinischen und psychiatrischen Gutachten, die ihm Haft- oder Verhandlungsunfähigkeit attestieren. Selbst eine 1993 rechtsgültig verhängte Strafe von 40 Monaten Zuchthaus wegen gewerbsmässigen Betrugs blieb ohne Folgen: Die Polizei musste ihn aufgrund der Gutachten nach einem Tag wieder laufen lassen.
Seit einigen Jahren beschäftigt Simon Bittel wieder die Bieler Justiz. 2004 übernahm Gerichtspräsident Maurice Paronitti den Fall. Insgesamt 20 Strafanzeigen führten schliesslich zu einem Prozess, unter anderem wegen gewerbsmässigen Betrugs und Veruntreuung. Der Gerichtstermin wurde allerdings wegen einer ärztlich festgestellten Verhandlungsunfähigkeit aufgeschoben. «Der Angeschuldigte ist gar nicht erschienen, und das Gericht hat öffentlich verfügt, dass eine Gegenexpertise gemacht werden soll, weil seit der Überweisung der ersten Tatbestände weitere Anzeigen eingegangen waren und man sich fragen durfte, wieso der Angeschuldigte sich derart paradox verhält», berichtet Paronitti. Aufgrund des Amtsgeheimnisses und des Persönlichkeitsschutzes darf er zum laufenden Verfahren nicht mehr sagen.
Tödliche Schüsse im Wohnwagen
Nicht auf die Justiz verlassen mochten sich möglicherweise weniger duldsame Geschäftspartner von Bittel: Im Juni 1999 wurden er, seine Frau sowie einer der drei Söhne von Unbekannten im Wohnwagen überfallen, gefesselt und geknebelt. Als gegen Mitternacht die beiden anderen Söhne heimkehrten, schossen die überraschten Einbrecher auf die Ankömmlinge und töteten einen der beiden. Das Verfahren gegen unbekannt ist nach wie vor hängig.
Simon Bittel ergeht sich derweil in Schweigen: Er liess über einen seiner Anwälte verlauten, dass er jegliche Stellungnahme verweigere.