Die harsche Kritik an der Sendung «Gesundheit Sprechstunde» zeigt Wirkung. Der Beobachter hat in der letzten Ausgabe berichtet, dass verdeckt Gelder bezahlt werden, um in der Fernsehshow auftreten zu können. Stutz persönlich treibt das Geld ein.

Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat nach dem Beobachter-Bericht ein Verfahren gegen die von Ringier TV produzierte Sendung eröffnet. Das Bakom prüft, ob Stutz Schleichwerbung betrieben und verbotenerweise für rezeptpflichtige Medikamente geworben hat.

Jetzt zieht die Affäre weitere Kreise. Sponsoren der Sendung und verdeckte Geldgeber bezahlen sechs- bis siebenstellige Beträge auf Bankkonten der Ringier AG sowie der Ärztevereinigung FMH. Drei Millionen Franken kostet die Sendung laut Ringier-TV-Chef Fibo Deutsch jährlich. Kann Stutz die Kosten nicht über offizielle Sponsoren decken, zapft er das FMH-Konto an: Allein über dieses Konto floss letztes Jahr über eine Million Franken, wie die FMH-Jahresrechnung zeigt.

Die FMH bietet nicht nur Hand für diese Transaktionen, sondern tritt zudem offiziell als Sponsor der Sendung auf – das FMH-Logo wird vor und nach der Sendung «Gesundheit Sprechstunde» gross eingeblendet. Dagegen laufen jetzt viele Ärzte Sturm. Denn mit dem Fall Stutz hat die Ärzteschaft ein veritables Imageproblem am Hals. «Was in dieser Sendung propagiert wird, ist reinste Konsumation und Perversion des medizinischen Denkens», ärgert sich der Neurologe Walter Waespe aus Zollikerberg ZH. Seine Kritik richtet sich auch gegen das Gesundheitsschiff. In dieser schwimmenden Klinik lassen sich zahlungswillige Stutz-Fans auf Herz und Nieren untersuchen. Waespe: «Die Idee eines finanziell sicherlich sehr profitablen Gesundheitsschiffs ist derart abstrus, dass ich mich nur wundern kann, dass die FMH diese Art des Medizinverständnisses in unserem Namen unterstützt.» Die FMH solle der Sendung daher möglichst schnell den Rücken kehren.

«Geldzwischenlagerung ist untragbar»
Mit dieser Forderung ist er nicht alleine. In einem Brief an FMH-Präsident Hans Heinrich Brunner forderte der Verein Berner Hausärzte bereits letztes Jahr, der Sendung «Gesundheit Sprechstunde» «jegliche Unterstützung zu entziehen». Dem Verein gehören 700 Ärzte an. «Es ist untragbar, dass die FMH Gelder von Sponsoren zwischenlagert», sagt Vereinspräsident Marcus Grossenbacher. Die 530 Ärzte zählende Gesellschaft der Ärztinnen und Ärzte des Kantons Solothurn lanciert gar einen Vorstoss bei der Schweizer Ärztekammer, dem Quasi-Parlament der FMH. Präsident Christoph Ramstein: «Die Sendung heizt die Teuerung im Gesundheitswesen an. Die FMH sollte sich daher distanzieren und das Sponsoring der Sendung beenden.»

Der bisherige FMH-Präsident Hans Heinrich Brunner galt als Freund der «Sprechstunde». Er wechselt Ende Juni ins Bundesamt für Gesundheit. Die neue FMH-Führungsspitze will aus der Sendung aussteigen, wie Beobachter-Recherchen zeigen: Mit der Wahl des neuen FMH-Präsidenten am 26. Juni könnte das Ende der Zusammenarbeit mit Ringier und «Gesundheit Sprechstunde» besiegelt sein. Denn alle vier Kandidaten fürs Präsidium bestätigen, den Sponsoring-Vertrag, der bald ausläuft, nicht erneuern zu wollen:

  • Jacques de Haller, Präsident der Gesellschaft für Allgemeinmedizin, aus Genf hält fest: «Die Mehrheit der Ärzteschaft will, dass die FMH das Sponsoring stoppt – dem schliesse ich mich an.»
  • Der Chirurg Yves Guisan aus Château-d’Oex VD, heutiger Vizepräsident der FMH, erklärt: «Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie die Interessen der Patienten besser wahrgenommen werden könnten.»
  • Der Magen-Darm-Spezialist Max Giger aus Winterthur, Mitglied des FMH-Zentralvorstands sowie der Eidgenössischen Arzneimittelkommission, sagt: «Die Sendung ist aus dem Ruder gelaufen. Sie medikalisiert die Patienten – aus gesunden Menschen werden Kranke gemacht.»
  • Und auch für Ludwig T. Heuss, Magen-Darm-Spezialist aus Basel, Mitglied des FMH-Zentralvorstands, ist der Inhalt der Sendung «in hohem Mass umstritten».


Bereits Anfang Jahr mussten Samuel Stutz und Fibo Deutsch von Ringier in Bern beim FMH-Zentralvorstand antraben. Dieser forderte die beiden auf, in der Sendung künftig nicht den Absatz von neuen Medikamenten, sondern die Eigenverantwortung der Patienten zu fördern. Man stellte darauf Stutz einen Aufpasser zur Seite: den Zürcher Arzt Ernst Zehnder.

Doch geändert hat sich nicht viel. Das Resultat der «Gegenmassnahme» Zehnder ist laut Verena A. Briner, Chefärztin der medizinischen Klinik am Kantonsspital Luzern, ernüchternd: «Die Sendung hat sich trotzdem nicht nach unseren Vorstellungen entwickelt.» Kritik an der Zusammenarbeit zwischen FMH, Stutz und Ringier wurde bereits vor drei Jahren laut. Ärzte forderten von Brunner, dass die FMH die Sponsoren der Sendung offen legt und das Engagement überprüft. FMH-Präsident Brunner erklärte sich damals bereit, «angemessene Massnahmen zu treffen».

Aber noch heute liegt der Geldfluss über das FMH-Bankkonto im Dunkeln – zum Ärger vieler Ärzte. «Wir wollen absolute Transparenz, was dieses Konto angeht», sagt Christoph Ramstein von der Solothurner Ärztegesellschaft.
Ärzte-Chef Hans Heinrich Brunner, noch bis Ende Juni 2004 im Amt, will dazu keine Stellung nehmen. «Kein Kommentar», heisst es trotz mehrfacher Anfragen des Beobachters bei der FMH-Direktion in Bern.