Verflossene stellen den Ex an den Pranger
Mehrere Frauen pflegten eine Beziehung zum selben Mann. Als sie das entdeckten, stellten sie Informationen über ihren Exlover auf Facebook. Ihnen drohen rechtliche Konsequenzen.
Veröffentlicht am 19. August 2014 - 09:43 Uhr
Melissa Zeindler*, Judith Ilg* und Franziska Meier* leben im Thurgauischen, Solothurnischen und Luzernischen und wussten lange nichts voneinander. Bis sie eines Tages feststellten: Alle drei hatten denselben Mann geliebt, den 42-jährigen Thilo Sorg*. Und jede hatte ihm im Lauf der Zeit mit 5000 bis 10000 Franken unter die Arme gegriffen.
Zusammengefunden haben die drei, als eine der Frauen bei Sorg amtliche Briefe fand, die an ihren Angebeteten gerichtet waren, aber an die Adresse einer anderen Frau geschickt worden waren. Worauf sie mit dieser Frau Kontakt aufnahm; die zwei stiessen auf eine Dritte, mit der Sorg ebenfalls eine Beziehung hatte. Alle drei fühlten sich von Sorg hintergangen und ausgenutzt. Sie unterstellen ihm, systematisch Partnerinnen zu suchen, auf deren Kosten er dann lebt.
Melissa Zeindler sagt: «Mich hat er wegen meines Wohnorts Amriswil auf Facebook angeschrieben. Er sei dort schon einmal gewesen. So kamen wir ins Gespräch.» Es sei seine Masche, Frauen im Internet aufzureissen, den Kontakt zu intensivieren, eine Beziehung zu starten und sich von seiner Freundin aushalten zu lassen, sobald er bei ihr eingezogen sei. Wenn die Beziehung in die Brüche gehe, dauere es allem Anschein nach nicht lange, bis er sich eine Neue angelacht habe.
Thilo Sorg, der mittlerweile in Deutschland lebt, schweigt dazu. Auf Anfrage des Beobachters sagt er einzig, er habe Strafanzeige erstattet – unter anderem wegen Rufmords und Urheberrechtsverletzung.
Die Chancen, dass Sorg vor Gericht recht bekommt, stehen nicht schlecht. Denn gemäss dem Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger, Spezialist für IT-Recht, ist das, was die drei Frauen tun, unzulässig: «Mit so einer Gruppe werden verschiedene Persönlichkeitsrechte verletzt, wie zum Beispiel das Recht auf Datenschutz. Es kann aber auch eine Anzeige wegen Ehrverletzung drohen.» Jemanden im Cyberspace zu verunglimpfen ist kein Kavaliersdelikt.
Die Frage liegt daher nahe, ob den drei Frauen überhaupt klar ist, welche Folgen ihre Handlungen im Internet haben können. «Ich glaube schon, dass sich diese Frauen bewusst sind, was sie da tun. Rachegelüste spielen hier sicherlich mit», so Steiger. Wenn Rache eine Rolle spiele, sei das Internet eine einfache Möglichkeit, jemanden blosszustellen. Mit wenigen Klicks schart man viele Leute um sich und erlangt eine grosse Reichweite. «Wenn man so etwas im realen Leben machen will, kostet das viel Zeit und Arbeit», sagt Steiger.
Melissa Zeindler weist jegliche Rachewünsche von sich: «Würden wir uns rächen wollen, gingen wir zu dritt nach Deutschland, um die Sache zu klären. Uns geht es nur darum, andere Frauen vor ihm zu warnen.» Über 300 Leute, die sich der Facebook-Gruppe angeschlossen haben, haben die Warnung schon erhalten.
Das Ganze erinnert an einen Pranger aus dem Mittelalter. Doch im Vergleich zu früher gibt es einen Unterschied. «Damals waren es die Behörden, die solche Massnahmen anordneten. Das heute im Internet zu tun ist Selbstjustiz», sagt Rechtsanwalt Steiger.
Sollte es zu einer Verurteilung kommen, können den drei Frauen Schadenersatzforderungen, eine Busse oder eine bedingte Geldstrafe blühen.
*Name geändert