Kleingedrucktes darf unfair sein
Firmen dürfen Konsumenten weiterhin über den Tisch ziehen. Der Nationalrat lehnt griffigere Regeln gegen unfaire allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ab.
Veröffentlicht am 14. März 2011 - 17:03 Uhr
Es hätte ein kleines Schrittchen hin zu mehr Konsumentenschutz sein sollen. Wenn Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Konsumenten krass benachteiligen, sollten sie sich vor Gericht dagegen wehren können. So schlug es der Bundesrat vor, und der Ständerat stimmte dieser Revision des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im letzten Herbst zu.
Doch vorläufig wird nichts daraus. Die bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und BDP schmetterte diese Änderung jetzt im Nationalrat mit 100 gegen 72 Stimmen ab. Können sich die beiden Parlamentskammern National- und Ständerat nicht einigen, bleibt es bei der heutigen Regelung, wonach einzig «irreführende» AGB-Klauseln vor Gericht bekämpft werden können.
Doch der Beweis der Irreführung gelingt praktisch nie. Deshalb gibt es in der Schweiz weiterhin massenhaft und in fast allen Branchen Bestimmungen, die die Rechte der Konsumenten massiv einschränken. Zwei Beispiele dafür sind die Berechnung von Kreditzinsen (auf dem Gesamtbetrag statt nur auf dem offenen Restbetrag) oder die automatische Verlängerung von befristeten Fitnessabo-Verträgen.
Den Widerstand gegen einen griffigeren Konsumentenschutz könne sie sich nur «mit massivem Lobbying des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse erklären», sagt SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. Einer dieser Strippenzieher ist CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener, Lobbyist der Versicherungsbranche. Eine Klagemöglichkeit brauche es nicht, weil sich Konsumenten ja in einigen Branchen an eine Ombudsstelle wenden könnten, sagte Hochreutener 2009 im «K-Tipp». Mit dem Beobachter wollte er damals nicht darüber reden. Jetzt lässt er sich im «Tages-Anzeiger» zitieren, er sei gegen die Gesetzesänderung, weil «unklar» sei, in welchen Fällen dann tatsächlich gegen die AGB geklagt werden könnte. Ob denn die bisherige Regelung klarer oder besser sei, wollte der Beobachter von Hochreutener wissen – die Antwort blieb auch diesmal aus.
Wenn Konsumenten mit den AGB nicht einverstanden seien, sollten sie halt mit der entsprechenden Firma verhandeln, sagte FDP-Nationalrat Kurt Fluri in der Parlamentsdebatte. Wann haben Sie das letzte Mal einen Vertrag abgeschlossen und dabei erfolgreich das Kleingedruckte abgeändert, Herr Fluri? «Noch nie», sagt Fluri gegenüber dem Beobachter, «denn ich war bislang immer einverstanden.» Aber als Verwaltungsrat einer Regionalbank wisse er, dass Hypothekarkunden gelegentlich Änderungen verlangten und sie ab und zu auch bewilligt würden.
Für Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, ist das Argument der Vertragsfreiheit «reine Theorie»: Wenn der Konsument mit den AGB der Firma X nicht einverstanden ist, kann er nicht zu Konkurrentin Y, denn innerhalb einer Branche ähneln sich die AGB in der Regel wie ein Ei dem anderen. Stalder ist «schwer enttäuscht» vom Entscheid des Nationalrats und will nun raschestmöglich genügend politischen Druck aufbauen, um einem neuen Anlauf für mehr Konsumentenschutz zum Erfolg zu verhelfen.
Übrigens schickte der Nationalrat nicht alle Vorschläge des Bundesrats für einen faireren Wettbewerb bachab. Immerhin fanden schärfere Regeln gegen Registerhaie, die mit überteuerten Einträgen in nutzlose Firmenregister Kasse machen, problemlos eine Mehrheit. Davon profitieren aber nicht etwa die Konsumenten – sondern die Gewerbetreibenden.
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