Die Stadt Zug hat der Patrouille Suisse keine Einwilligung gegeben, Mitte Juni anlässlich des Eidgenössischen Jodlerfests eine Flugshow samt Trainings durchzuführen. Stadtpräsident André Wicki formuliert es deutlich: «Es ist weder ein Gesuch der Armee eingegangen, noch hat die Stadt Zug eine Bewilligung erteilt.» 

Das ist erstaunlich. Ein Armeesprecher hatte zuvor auf Anfrage behauptet, das VBS sei im Besitz einer schriftlichen Zustimmung der Stadt Zug. Konfrontiert mit Wickis Aussage, krebste er zurück. «Unsere Abklärungen haben ergeben, dass im Falle des Jodlerfests in Zug die explizite Bewilligung nicht vorlag.» 

Die Armee ist in Erklärungsnot

«Die Armee hat es versäumt, nachzuhaken und die explizite Bewilligung des Veranstalters einzuholen – auch aufgrund eines Missverständnisses.» Das Organisationskomitee habe der Armee nämlich den Versicherungsnachweis und die Lärmpublikation vorgelegt. Deshalb sei sie davon ausgegangen, dass auch die Bewilligung für das Training und den Flug vorliege. 

Stephan Schleiss, OK-Präsident und Zuger SVP-Regierungsrat, betont allerdings: «Seitens Luftwaffe wurden nur die Nachweise der Versicherung und der Lärmpublikation als Anforderungen kommuniziert und eingefordert.»

Luftwaffenchef macht «implizite» Bewilligung geltend

Der Fall ist pikant. Bei einem Trainingsflug für die geplante Show am Jodlerfest kollidierten am 15. Juni im Grenzgebiet von Baar und Zug zwei Patrouille-Suisse-Flugzeuge. Ein «Tiger» touchierte ein anderes Flugzeug. Dabei landeten Trümmerteile auf dem Betriebsgelände des Rohstoffgiganten Glencore. Das Ganze hätte fatal enden können. Nur mit Glück entging man in Baar und Umgebung einer Katastrophe. 

Derzeit untersucht die Militärjustiz den Fall. Es ist unklar, wann mit einem abschliessenden Bericht zu rechnen ist.

«Der Anlass inklusive Programm wurde von der Stadt Zug bewilligt. Wir konnten davon ausgehen, dass das implizit auch für die Flugvorführung gilt.»

Peter Merz, Chef Luftwaffe der Armee

Die Luftwaffe habe hier ihre Kontrollpflicht nicht wahrgenommen, räumt Peter Merz, Chef Luftwaffe der Armee, auf Anfrage ein. «Wir haben nicht kontrolliert, ob das OK des Eidgenössischen Jodlerfests eine explizite Bewilligung für die Flugvorführung der Patrouille Suisse eingeholt hatte.» Dann aber macht der Luftwaffenchef auf Schadenbegrenzung: «Aufgrund der Tatsache, dass das OK jedoch ein Bewilligungsgesuch für den Anlass inklusive Programm an die Stadt Zug gestellt hatte und dieses bewilligt wurde, konnten wir davon ausgehen, dass diese Bewilligung implizit auch für die Flugvorführung der Patrouille Suisse gilt.»

Der Chef der Luftwaffe und die Kommunikationsleute der Armee stellen sich also auf den Standpunkt, dass sowohl die Flugshow am Jodlerfest als auch die entsprechenden Trainingsflüge trotz fehlender expliziter Einwilligung der Stadt Zug durchgeführt werden durften.

Widerspruch zu den VBS-Weisungen

Bloss: Es gibt eine Weisung des VBS, die die Teilnahme von Militärflugzeugen an Flugshows und besonderen Anlässen regelt. Der Wortlaut dieses Reglements führt zu einem ganz anderen Schluss als demjenigen, den die Armee darzulegen versucht. In der von VBS-Vorsteherin Viola Amherd unterzeichneten Weisung steht: «Für militärische Flugvorführungen mit Jet-Flugzeugen hat die Luftwaffe dafür zu sorgen, dass die oder der Gesuchsteller die behördliche Zustimmung aller an den Flugplatz anstossenden Gemeinden beibringt.»

Ein Sprecher der Armee bestätigt, dass in diesem Zusammenhang mit «Flugplatz» der Ort gemeint ist, wo die entsprechende Veranstaltung durchgeführt wird. Im Falle des Eidgenössischen Jodlerfests war es demnach die Stadt Zug. Derselbe Armeesprecher bestätigt auch, dass die behördliche Zustimmung jeweils schriftlich zu erfolgen habe. 

«Die Vorführungen standen im Widerspruch zu den Weisungen des VBS.»

Bernhard Rütsche, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern

Zwei befragte Rechtsprofessoren beurteilen die Sachlage denn auch ganz anders als die Armee. «Ich teile die Auffassung, dass jeweils eine spezifische Bewilligung für eine solche Flugvorführung vorliegen muss», sagt Bernhard Rütsche, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern. Mit anderen Worten: Der Rechtfertigungsversuch der Luftwaffe taugt nicht.

«Die Vorführungen standen im Widerspruch zu den Weisungen des VBS», hält Rütsche fest. Die geplante Flugshow und die damit verbundenen Trainings hätten also gar nicht durchgeführt werden dürfen. Staatsrechtsprofessor Markus Müller von der Universität Bern kommt zum gleichen Schluss.

Einwilligung der Nachbargemeinden wäre nötig gewesen

Nicht nachvollziehbar ist auch, warum die Kommunikationsabteilung der Armee wie auch Luftwaffenchef Peter Merz behaupten, eine Einwilligung der an die Stadt Zug anstossenden Gemeinden – zum Beispiel der Gemeinde Baar – sei nicht nötig gewesen. «Der Anlass fand auf Boden der Stadt Zug statt», lässt Luftwaffenchef Merz dazu verlauten.

Aufgrund der genannten VBS-Bestimmung ist für die beiden Experten Bernhard Rütsche und Markus Müller aber klar, dass die Armee auch die Einwilligung der Nachbargemeinden der Stadt Zug hätte einholen müssen. Der Baarer Gemeindepräsident Walter Lipp aber weiss nichts von einem solchen Gesuch. «Die Gemeinde Baar hat keine Bewilligung erteilt. Es wurde meines Wissens auch keine nachgesucht.» Klar scheint, dass die Patrouille Suisse an jenem 15. Juni auch Gemeindegebiet von Baar überflog.

Hans Peter Roth verfolgte an jenem Tag die Trainingsflüge der Patrouille Suisse von seiner Wohnung in Baar aus. In einem Leserbrief machte er seinem Ärger über den «Lärmterror» Luft. Roth sagt, diese Überflüge seien eindeutig Trainingsflüge gewesen, nämlich mehrmalig und in Formation.

Fazit: Die Luftwaffe hat die Vorschriften des eigenen Departements in zentralen Punkten nicht eingehalten. Auf Anfrage lässt VBS-Vorsteherin Viola Amherd durch einen Sprecher mitteilen, die Armee habe die Lehren, die sie aus dem Fall gezogen habe, bereits dargelegt. Die Chefin VBS sei darüber informiert worden. 

Die Frage der Haftung

Das Verhalten der Armeeverantwortlichen hätte im Schadenfall versicherungstechnische Folgen haben können. «Es wäre zu einem Staatshaftungsfall gekommen», sagt Bernhard Rütsche. Gemäss Militärgesetz hafte der Bund ohne Rücksicht auf Verschulden für den Schaden, den Angehörige der Armee Dritten widerrechtlich zufügen.

Es gebe dazu einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1997, in dem das Bundesgericht bejaht hatte, dass der Bund für einen Zusammenstoss zwischen einem Militär- und einem Zivilflugzeug hafte. «Umso mehr wäre es in diesem Fall zu einer Haftung gekommen», resümiert Rütsche.