Rudolf A. ist empört. «Ich wurde wie ein Versuchskaninchen behandelt. Zum Glück habe ich die letzten Monate schadlos überstanden.» Der 60-jährige Berner leidet an Prostatakrebs und suchte vor knapp zwei Jahren Hilfe in der auf Komplementärmedizin spezialisierten Aeskulap-Klinik im schwyzerischen Brunnen. Dort wurde er mit PC-Spes behandelt, einem angeblich pflanzlichen Nahrungsergänzungsmittel. Was Rudolf A. indes nicht wusste: PC-Spes ist in der Schweiz als Arzneimittel gar nicht zugelassen.

Die Aeskulap-Klinik allerdings hatte eine Bewilligung für PC-Spes, bestätigt der Schwyzer Kantonsarzt Christian Sacher. Diese wurde vor zehn Jahren vom damaligen Kantonsapotheker ausgestellt und besagt, dass «die Aeskulap-Klinik auch Medikamente verwenden darf, die nicht von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel registriert sind». Dieses Schreiben ist bei den Schwyzer Behörden jedoch umstritten und sei laut dem neuen Heilmittelgesetz, das vor einem Jahr in Kraft trat, nicht mehr gültig, sagt Nicole Wyss, Sprecherin des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic.

Letzten Frühling verschwand PC-Spes plötzlich vom Markt: Amerikanische Forscher hatten in der Substanz ein künstliches Östrogen entdeckt, das die Blutklumpenbildung fördert. Aus diesem Grund wurde PC-Spes mit einem blutverdünnenden Stoff gestreckt. Zudem wurde ein Schmerzmittel in die Substanz gemischt. Die US-Herstellerfirma Botaniclab rief die Produkte zurück.

Als Ersatzmittel für PC-Spes wurde Rudolf A. vor knapp einem Jahr Prostasol verabreicht. Der Patient sah keinen Anlass zur Beunruhigung und blätterte rund 15000 Franken für die ganze Behandlung hin. «Ich vertraue den Ärzten, die mir ein Medikament verschreiben», sagt Rudolf A., «schliesslich will ich gesund werden.»

Prostasol sei ein Nahrungsergänzungsmittel mit natürlichen Inhaltsstoffen, sagt der Anästhesist Ben Pfeifer, der seit zwei Jahren in der Aeskulap-Klinik praktiziert. «Es kommt der klinischen Wirkung von PC-Spes nahe.

Pfeifer sei bei deutschen Patientenorganisationen bekannt als «Oberverkäufer von PC-Spes», sagt Uwe Peters von der deutschen Prostatakrebshilfe. «Seit PC-Spes verboten ist, zaubert er Prostasol aus dem Hut.» Die Aeskulap-Klinik bezieht das Mittel vom holländischen Vertreiber Promed, der auch PC-Spes lieferte.

«Wir verwenden Prostasol, weil wir überzeugt sind, dass es gegen Prostatakrebs wirkt», sagt Aeskulap-Chefarzt Marcel Brander. Das Mittel ist in der Schweiz allerdings nicht als Arznei zugelassen, erklärt Swissmedic-Sprecherin Nicole Wyss. Von einer angeblichen Spezialbewilligung, die die Aeskulap-Klinik für Prostasol haben will, weiss Wyss nichts. Auch der Schwyzer Kantonsarzt Christian Sacher hat das Präparat nicht bewilligt.

Aufgrund der Beobachter-Recherchen will sich Sacher nun «sofort an die Swissmedic wenden, um den Vorfall zu melden». Pikant: Die Schwyzer Kantonsapothekerin Regula Willi weiss seit Wochen, dass die Aeskulap-Klinik ein nicht registriertes Mittel einsetzt. «Wir wollen die Patienten nicht verunsichern», begründet Sacher die behördliche Zurückhaltung.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Aeskulap-Klinik wegen nicht zugelassener Arzneimittel die Behörden beschäftigt. Seit Februar 2002 läuft gegen die Verantwortlichen der Klinik eine Strafuntersuchung. Gegenstand der Ermittlungen ist die Substanz Dinitrophenol (DNP), mit der der amerikanische Arzt Nicholas Bachynsky in der Aeskulap-Klinik Krebspatienten behandelte. DNP ist ursprünglich ein Pflanzenschutzmittel, das Nieren, Leber und Nerven schädigen kann. Wegen seiner Nebenwirkungen ist DNP in keinem Land als Heilmittel registriert. Ausserdem war Bachynsky nicht als Arzt zugelassen: In den USA verlor er seine Lizenz, weil er DNP als Schlankheitsmittel vertrieben hatte.

Mindestens 21 krebskranke Menschen, die Bachynsky vorwiegend in den USA und in Kanada angeworben hatte, reisten in die Aeskulap-Klinik nach Brunnen, um sich einer Behandlung mit DNP zu unterziehen. Von seinen Patienten kassierte Bachynsky zwischen 50'000 und 100'000 Dollar pro Therapie.

Die Verantwortlichen der Aeskulap-Klinik sind sich keiner Verfehlung bewusst. «Bisher gibt es keine Hinweise, dass in der Aes-kulap-Klinik bei Krebsbehandlungen mit DNP Komplikationen aufgetreten sind», sagt Chefarzt Brander. Dass Bachynsky in einzelnen Fällen Honorare von über 50'000 US-Dollar für die DNP-Therapie verlangt hatte, will Brander nicht gewusst haben. Er sei von bedeutend tieferen Ansätzen ausgegangen. «Allerdings ist es in den USA üblich, dass Ärzte Lizenzgebühren verlangen.» Dennoch räumt er ein: «Wir haben blauäugig gehandelt.» Nach wie vor aber ist Marcel Brander von der DNP-Therapie überzeugt. «Würden wir morgen eine Bewilligung erhalten, würden wir sie sofort wieder anwenden.»

So weit wird es nicht kommen. «Die Schwyzer Behörden haben Ende Dezember definitiv entschieden, dass Dinitrophenol verboten bleibt», erklärt Kantonsarzt Sacher gegenüber dem Beobachter.

Gegendarstellung

Der Beobachter behauptet, dass die Aeskulap-Klinik bei der Behandlung von Patienten verbotene Krebsmittel eingesetzt habe. Richtig ist, dass von der Aeskulap-Klinik sämtliche Vorschriften in Bezug auf die Abgabe von Medikamenten eingehalten werden. Als die Gesundheitsbehörden aufgrund einer unterschiedlichen Beurteilung der rechtlichen Situation den Einsatz von DNP untersagten, hat sich die Aeskulap-Klinik selbstverständlich sofort daran gehalten. Die Swissmedic hat das von der Aeskulap-Klinik befolgte Verfahren bei der Anwendung von DNP als im Einklang mit dem Heilmittelgesetz stehend bezeichnet.

Der Einsatz von Prostasol ist ebenfalls rechtmässig erfolgt. Er beruht auf einer altrechtlichen Ausnahmebewilligung des Kantonsapothekers vom 16. September 1992, die gemäss Art. 95 Heilmittelgesetz auch nach dessen Inkrafttreten während einer Übergangsfrist von fünf Jahren gültig ist.

Der Beobachter behauptet, gegen die Verantwortlichen der Klinik laufe eine Strafuntersuchung, obwohl ihm ein Schreiben vorgelegt wurde, das beweist, dass die Verantwortlichen der Klinik vom zuständigen Untersuchungsrichter lediglich als Auskunftspersonen einvernommen worden sind.

Der Beobachter schreibt, die Aeskulap-Klinik habe dem Patienten Rudolf A. für die ganze Behandlung 15'000 Franken verrechnet.

Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass im Verlauf der rund einjährigen stationären und ambulanten Behandlung dem Patienten Rudolf A. total 370 Franken für Prostasol in Rechnung gestellt wurden.

Aeskulap-Stiftung, Trägerin der Aeskulap-Klinik

Der Beobachter hält an seiner Darstellung fest.