«Ein Register über die Interessenbindungen der Richter?» Totenstille am anderen Ende der Telefonleitung. Dann die kurze Antwort: «So etwas haben wir nicht.» Der Gerichtsschreiber des Bezirksgerichts Uster ist sich seiner Sache ziemlich sicher.

Sein Kollege in Bülach weiss zwar, dass man «so etwas» hat. Aber: «Das ist eine lose Blattsammlung mit von Hand ausgefüllten Formularen der Richter.» Und beim Obergericht in Zürich ist die Rede von einem alten Computerprogramm, das den Ausdruck der gesamten Richterliste verunmögliche. «Abgesehen davon würden Sie auch gar nichts finden», fügt Generalsekretär Paul Zimmermann unüberhörbar verärgert hinzu. Und: «Das ist doch nur diese Hess-Manie.»

Die Interessenbindungen von Nationalratspräsident Peter Hess kann man wenigstens im Internet nachlesen. Nicht so jene der Gesetzeshüter. Dabei müssten sämtliche Richterinnen und Richter im Kanton Zürich seit dem 1. Januar 2000 ihre Interessenbindungen laut Gesetz offen legen. Sie sind verpflichtet anzugeben, in welcher Partei und in welchen Kommissionen, Firmen, Stiftungen und Vereinen sie neben ihrem richterlichen Amt noch tätig sind. Und vor allem: Die Daten gehören in ein öffentliches Register, das jeder Bürger einsehen kann. Damit soll das Vertrauen in die Justiz gestärkt werden. Das Zürcher Stimmvolk stimmte dem Gesetz mit überdeutlichem Mehr zu. Doch die Zürcher Gesetzeshüter nehmen es mit dem Gesetz, das sie selber betrifft, nicht so genau. So haben die Gerichte inzwischen zwar die Nebentätigkeiten ihrer Richter mehr oder weniger erfasst. Doch von einem öffentlich zugänglichen Register kann keine Rede sein. Ihre beruflichen Daten herauszugeben, empfinden viele Richter als Zumutung. So stiess der Beobachter bei seiner Umfrage vorwiegend auf schlecht informiertes Gerichtspersonal, faule Ausreden und arrogante Gerichtspräsidenten.

Das geheimnisvolle «i»
«Sie sind die Erste, die das will», sagt Richard Eichenberger, Präsident des Bezirksgerichts Winterthur – als wäre das ein Grund, das Register nicht zu führen. Entsprechend hilflos fallen die Ausflüchte aus: Von dicken Bundesordnern ist beim Bezirksgericht Zürich die Rede, die zu kopieren «eine Person einen ganzen Tag beschäftigen würde», von unnötigem Aufwand und hohen Kosten. Und immer wieder muss das untaugliche Computerprogramm als Sündenbock herhalten. Die Gerichtsschreiberin in Hinwil weiss wenigstens, wie man das alte Ding bedient: «Man muss bloss bei jedem Richter ein ‹i› – für Interessenbindungen – eingeben.»

Offensichtlich hat man sich auch eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes noch keine ernsthaften Gedanken darüber gemacht, wie die Öffentlichkeit das Register einsehen kann. Man könne ja vorbeikommen, heisst es verschiedentlich – und wohl im «alten Computerprogramm» und in den «dicken Bundesordnern» wühlen. Einzig die Bezirksgerichte in Affoltern, Meilen und Dielsdorf versprechen, die Liste ohne Umschweife zu schicken.

Auch die Gerichtspräsidenten sind wenig auskunftsfreudig: Paul Schneeberger, Präsident des Bezirksgerichts Pfäffikon, will zuerst haargenau wissen, was der Beobachter mit den Listen vorhat, bevor er sie herausrückt. Nur: Im Gesetz steht nichts davon, dass die Bürgerin einen Grund angeben muss, um das Register einzusehen. Der Gerichtspräsident von Andelfingen, Willy Meyer, verliert sich in juristischen Spitzfindigkeiten: «Ich will zuerst abklären, ob es juristisch dasselbe ist, wenn ich Ihnen die Liste schicke oder wenn Sie vorbeikommen und sie hier anschauen.»

Ausweichmanöver und Arroganz auch bei den oberen Gerichtsinstanzen: Das Verwaltungsgericht und das Kassationsgericht wollen vom Verschicken der Liste nichts wissen. «Und melden Sie sich bitte an, wenn Sie kommen.» Auch dem Sozialversicherungsgericht kommt die Anfrage ungelegen: Der Generalsekretär ist in den Ferien, Richter Ueli Spitz – in den letzten zwei Jahren Präsident – fühlt sich nicht zuständig und verweist an den stellvertretenden Generalsekretär. Dieser gibt sich Mühe, relativiert aber: «Ich muss schauen, ob das Register noch aktuell ist.»

Auflistung im Internet kein Thema
Nach hartnäckigem Insistieren schickten die meisten Gerichte die Listen dann doch – «ausnahmsweise». Aber eine kundenfreundliche Aufbereitung der Interessenbindungen – zum Beispiel im Internet – ist für die meisten Zürcher Gerichte kein Thema.

Zwar findet Obergerichtspräsident Remo Bornatico die Idee gut und verspricht, das Projekt voranzutreiben. Aber er ist die Ausnahme. «Wir haben dem Gesetz auch so Genüge getan», sagt etwa Generalsekretär Claude Wetzel vom Verwaltungsgericht knapp. Und sein Kollege beim Kassationsgericht liefert die passende Erklärung: «In Bezug auf das Internet ist man zurückhaltend, weil es anfällig ist für Viren.» In Bezug auf das längst in Kraft getretene Gesetz sind die Zürcher Richter ihrerseits offenbar anfällig für faule Ausreden.