«Wasche dich nicht, ich komme», soll Napoleon seiner Joséphine geschrieben haben, kurz bevor er von seinem Ägyptenfeldzug nach Hause zurückkehrte. Ausgerechnet Napoleon, der eine besondere Vorliebe für das Eau de Cologne 4711 gehabt und wöchentlich mehrere Liter davon verbraucht haben soll, um damit sich, seine Gemächer und seine Pferde einzunebeln. Nach seiner langen Expedition wollte er aber offenbar nichts lieber riechen als den Körpergeruch seiner Frau.

Heute würden viele Napoleons Vorliebe wohl als Fetisch abtun, ohne zu ahnen, welch grossen Einfluss der Geruch von Menschen auf uns hat – besonders in der Sexualität. Rund 23'000-mal atmen wir täglich ein und aus; unser Körpergeruch und der von anderen sollte uns dabei aber besser nicht in die Nase steigen. Lieber sprühen wir ein Deo in die Achselhöhlen und Parfum an den Hals, um möglichst nicht so zu riechen, wie wir riechen.

Geruchssinn galt als niedriger Sinn

Der schlechte Ruf des Körpergeruchs begann sich schon im 18. Jahrhundert einzuschleichen, als der Unterschied zwischen zivilisierten Menschen und wildem Gesindel auf einmal riechbar war und üble Gerüche als Ursache vieler Krankheiten galten, allen voran der Pest, die die Luft im wahrsten Sinne des Wortes verpestete. Auch der Geruchssinn an sich war den zivilisierten Menschen zu animalisch. Sie wollten nichts mehr mit diesem niederen Sinn zu tun haben, dem Tiere frönen, um Freund von Feind zu unterscheiden oder um etwas Fressbares zu finden.

Diese Geringschätzung des Riechens ist vermutlich einer der Hauptgründe, weshalb sich die Wissenschaft lange nicht um den Geruchssinn des Menschen gekümmert hat. Erst seit rund 20 Jahren kennt man die Grundlagen und beginnt zu begreifen, was in Volksweisheiten und Redensarten schon lange verankert ist.

Jemanden nicht riechen können, anrüchig sein, verduften, den richtigen Riecher haben: Gerüche sind immer da, selbst wenn uns die Begriffe dafür fehlen. So müssen wir uns mit Vergleichen behelfen, wenn etwas zum Beispiel wie ein nasser Putzlappen oder nach faulen Eiern stinkt.

So funktionieren Riechen und Schmecken

Infografik zu Geruch

Zum Vergrössern der Grafik bitte auf das Bild klicken.. Quellen: «Anatomie Lernatlas», Axel/Buck Nobelpreis, UNIZH, Jeannette Nuessli Guth/ETHZ, Steve Parker: «Der menschliche Körper: neuer Bildatlas der Anatomie» (Dorling Kindersley)

Quelle: Daniel Röttele (Infografik)
Spermien verändern Schwimmbewegung wegen Geruch

Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir 350 Riechrezeptoren besitzen, die jeweils eine Gruppe von strukturell ähnlichen Duftmolekülen erkennen. Weil Düfte aus vielen verschiedenen Molekülen bestehen, werden mehrere Rezeptoren aktiviert. So entsteht ein bestimmtes Muster, das vom Gehirn als entsprechender Duft identifiziert wird. Erst kürzlich hat man herausgefunden, dass der Mensch über eine Billion Düfte unterscheiden kann – und nicht «nur» 10'000 wie bislang angenommen. Selbst im Schlaf nimmt unsere Nase Gerüche wahr.

Aber nicht nur sie. Auch unsere Haut kann «riechen» beziehungsweise mit rund 20 Rezeptoren auf Düfte reagieren, genau wie die Prostata, der Darm und die Spermien. Diese reagieren auf Moleküle im weiblichen Genitaltrakt, die ähnlich «duften» wie synthetisches Maiglöckchenaroma: Die Spermien verändern ihre Schwimmbewegung und Schwimmgeschwindigkeit. Das konnte das Labor des deutschen Geruchsforschers Hanns Hatt nachweisen.

Reagieren Frauen positiv auf männlichen Schweiss?

Von einem Stoff, der das andere Geschlecht so zuverlässig beeinflusst wie der Maiglöckchenduft die Spermien, träumt die Parfumindustrie schon lange. Ein paar dieser Pheromone, wie die Sexuallockstoffe genannt werden, liessen sich im Tierreich bereits nachweisen; allen voran der äusserst wirksame Lockstoff Androstenon, der vom Eber abgesondert wird und bei der Sau eine sofortige Paarungsbereitschaft auslöst.

Ob Pheromone bei Menschen ebenfalls so anregend wirken wie bei Tieren, ist stark umstritten; und noch mehr, ob sie extrahiert oder künstlich hergestellt werden können. Zwar ist auch in unserem Schweiss Androstenon enthalten – bei Männern mehr als bei Frauen –, und in verschiedenen Tests finden sich zumindest Hinweise, dass Pheromone einen gewissen Effekt haben: Bei einem Experiment setzten sich Frauen in einem Wartesaal bevorzugt auf diejenigen Stühle, die zuvor mit Androstenon eingesprüht worden waren. Sofort paarungsbereit wie die Säue waren die Frauen deswegen jedoch nicht.

«Bislang konnte noch kein menschliches Pheromon gefunden werden, das bei Mitmenschen eindeutig immer dieselbe Reaktion auslöst», gibt der Geruchsforscher Hanns Hatt zu bedenken. Möglicherweise ist das Organ, das vermutlich auf Pheromonmoleküle reagiert, bei uns schon längst verkümmert. Das bringt gewisse Hersteller aber nicht davon ab, Pheromonmittelchen mit garantierter Wirkung anzupreisen. An den Erfolg glaubt sogar Hanns Hatt: «Wenn eine Person überzeugt ist, dass ihr Parfum sie unwiderstehlich macht, wird sie viel selbstbewusster auftreten.» Die Macht der Suggestion ist nicht zu unterschätzen.

Was Frauen wollen

Bezüglich der spezifischen Wirkung von Pheromonen beim Menschen hat die Wissenschaft also noch grundlegende Zweifel. Erwiesen ist hingegen, dass Körpergeruch einen grossen Einfluss auf die Sexualität hat. Wer seinen Geruchssinn verliert, hat ein geringeres Bedürfnis nach Sex Partnerschaft «Ich habe keine Lust auf Sex» . Es fehlt der nötige Reiz, der Geruch des Liebsten, der Nähe schafft.

Seit der berühmten T-Shirt-Studie, die Claus Wedekind und sein Kollege Manfred Milinski 1995 an der Uni Bern durchführten, weiss man zudem, dass Frauen sich bei der Partnerwahl auf ihre Nase verlassen können. Die Probandinnen mussten an T-Shirts schnuppern, die unparfümierte Männer zwei Tage lang getragen hatten, und anschliessend sagen, welchen Geruch sie am liebsten mochten. Interessanterweise roch der jeweilige Favorit nicht nur völlig anders als die Probandin, er hatte auch ein ebenso unterschiedliches Immunsystem.

HLA-Komplex nennen die Wissenschaftler die Gruppe von Genen, die bei der Immunabwehr entscheidend sind. Der Clou: Unterschiedliche Immunsysteme bieten beste Voraussetzungen für einen gesunden Nachwuchs. «Idealerweise unterscheiden sich die Immunsysteme von Mann und Frau zu etwa 70 Prozent», präzisiert Hanns Hatt. Es gibt also nicht nur den «einen», die Bandbreite an idealen Sexualpartnern ist relativ gross. In den USA werden sogar «Pheromonpartys» gefeiert. Die Idee: Paarungswillige bringen ein T-Shirt mit, in dem sie drei Nächte geschlafen haben. Vor Ort wird erst geschnuppert und dann gekuschelt – sofern es bei zwei T-Shirts «klick» gemacht hat.

Männer sind beim Geruch nicht so wählerisch

Jeder Mensch riecht anders. Nur der Eigengeruch von eineiigen Zwillingen ist so ähnlich, dass selbst sensible Hundenasen den Unterschied nicht erschnüffeln können. Vermutlich können nicht einmal Parfums oder Schweiss den individuellen Geruch des Körpers übertünchen. Abgesehen davon wählen Frauen sowieso bevorzugt Parfums mit Inhaltsstoffen, die ihren Eigengeruch betonen. Männer sind generell nicht so wählerisch, was den Geruch der Sexpartnerin angeht.

Wenn man jemanden nicht riechen kann, ist aber nicht zwingend der Eigengeruch daran schuld, vor allem bei platonischen Beziehungen, in denen der HLA-Komplex keine Rolle spielt. Denn unser Geruch ist immer ein Mix aus Eigengeruch, Schweiss, Ausdünstungen und allfälligen Duftprodukten. Und weil der Geruchssinn quasi einen direkten Draht zum limbischen System im Hirn hat, wo Emotionen verarbeitet werden, lösen Gerüche oft Gefühle aus. Benutzt das Blind Date zufälligerweise dasselbe Rasierwasser wie der untreue Ex oder hat es vergessen zu duschen, wird ihm selbst ein optimaler HLA-Komplex nicht viel nützen.

Stimmungen kann man riechen

Hinzu kommt, dass diverse Faktoren unseren Eigengeruch verändern können. Krankheiten beispielsweise: Starke Diabetiker Diabetes Haben Sie «den Zucker» im Griff? riechen nach Nagellackentferner, schwerkranke Leberpatienten nach Erde und Leber, Typhuskranke nach frischem Brot. Im Alter riechen wir ebenfalls anders: Probanden, die Geruchsproben erschnuppern mussten, konnten erkennen, ob es sich um eine ältere Person handelte.

Selbst Stimmungen schlagen sich im Körpergeruch nieder. Eine Forscherin liess Probanden entweder einen Horrorfilm oder eine Komödie schauen. Als andere Testpersonen eine Woche später an den Geruchsproben schnupperten, konnten sie überdurchschnittlich gut einschätzen, ob es sich um eine ängstliche oder fröhliche Person handelte.

Schliesslich können auch Hormone unseren Körpergeruch beeinflussen. Männer riechen Frauen dann am liebsten, wenn sie ihre fruchtbaren Tage haben. Eine Studie mit Stripperinnen zeigte, dass die Frauen während ihres Eisprungs deutlich mehr Trinkgeld verdienten als sonst. Schönheit liegt also nicht nur im Auge des Betrachters, sondern auch in dessen Nase.

Parfums: Besser nicht auf die Haut

Nicht nur die Nase reagiert auf Düfte Ätherische Öle Allergisch auf gute Düfte , auch die Haut. Eine Studie des deutschen Geruchsforschers Hanns Hatt zeigt, dass Duftmoleküle in der Lage sind, zellbiologische Veränderungen auszulösen, wodurch die Hautzellen unter anderem sehr viel schneller wachsen können. «Solange nicht klar ist, wie die Hautzellen auf Düfte reagieren, würde ich keine hochdosierten Parfums auf die Haut sprühen», so Hatt. Besser ist, das Parfum auf die Kleidung oder auf die Haare zu sprühen.

Vorsicht, wer die Pille absetzt

Forscher der Universität Liverpool haben herausgefunden, dass sich der Geruchssinn der Frau während der Pilleneinnahme verändert. Das heisst: Lernt eine Frau einen Mann kennen und nimmt die Pille, kann es sein, dass sie sich nach Absetzten der Pille Antibabypille Frauen verzichten immer häufiger darauf wieder von ihm trennt – durch die Hormonveränderung ist es möglich, dass sie ihn nicht mehr riechen kann.

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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