Zweihundert Kinder wirbeln durch die Luft. Ihr Gekreische füllt die einstige Tennishalle, als wäre Roger Federer daran, sein nächstes Turnier zu gewinnen. «Ich war eben beim Bungee-Jumping», keucht die zwölfjährige Fabienne, «mehr als zehn Saltos habe ich gemacht – megaläss.» Jetzt will sie die Trampoline ausprobieren, dann den sechs Meter hohen Kunststoffvulkan in einem einzigen Anlauf erstürmen: «Super, was man hier alles machen kann.»

Es ist ein regengrauer Nachmittag im Kunststoffparadies Trampolino im Industriegebiet von Dietikon ZH. Betreiber Gerhard Mack ist überrascht, wie gut sich die Zahl der Eintritte seit der Eröffnung im März entwickelt hat – «obwohl wir noch nicht viel in die Werbung investiert haben». Als Mitglied jener Familie, die den Europapark in Rust betreibt, hatte er nach einer erfolgversprechenden Nische im Freizeitpark-Business gesucht: «Wo sonst können Kinder heute noch so friedlich und so wild spielen wie hier?»

Kräftig investieren für die Kinder
Genau dies ist das Problem, so Hans-Jörg Birrer von der Fachstelle Sportanlagen des Bundesamts für Sport: «Die Zunahme des privaten Autoverkehrs schränkt die Möglichkeiten der Kinder für gefahrloses Spielen und Bewegen mehr und mehr ein – selbst in den Siedlungen.» Als Folge davon hätten ihre grobmotorischen Fähigkeiten im Vergleich zu den siebziger und achtziger Jahren allgemein abgenommen.

Indooranlagen für Kinder liegen im Trend: «Das grösste Kinderparadies der Schweiz.» – «Ein Kinderzimmer, halb so gross wie ein Fussballfeld.» – «Hier dürfen Kinder Kinder sein.» – «Der Spass kennt keine Grenzen.» In den letzten zwei Jahren öffnete eine ganze Reihe von entsprechenden Anbietern seine Türen: Bambinos in Zürich, Kindercity in Volketswil, Milandia in Greifensee, Starbie in Dietikon, mal mit, mal ohne pädagogischen Anspruch.

Die Schweiz holt derzeit nach, was im Ausland längst üblich ist – zum Teil mit beträchtlichen Investitionen: Der Bau der Kindercity kostete 17 Millionen Franken.

Beim Gang durch die Trampolino-Halle überprüft Gerhard Mack den Luftdruck des riesigen Wackelbergs, bückt sich nach einem Bonbonpapier und spricht mit drei Jungen, die ein Spielgerät nicht vorschriftsgemäss benutzen: «Sicherheit und Sauberkeit kommen bei uns an erster Stelle», betont Mack. Die Eintrittspreise sind moderat, ebenso die Preise für Getränke, Chicken Nuggets und Spaghetti. Wer möchte, darf die Verpflegung sogar selber mitbringen.

Der elfjährige Elvis ist mit seinem kleinen Bruder hier: «Ein Kollege hat mir davon erzählt. Bis jetzt gefallen mir die Trampoline am besten – da habe ich schon einige Tricks gelernt.» An einem dekorierten Tisch feiert Nathalie mit drei Freundinnen ihren neunten Geburtstag. Eben werden auf bunten Plastiktellern die Pommes frites serviert.

«Wenn wir hier feiern, bleibt mir die Unordnung zu Hause erspart», sagt ihre Mutter Maya Meyer, «und den Kindern gefällt es hier, sie haben etwas zu tun. Dafür bezahle ich gern.»

Sind die neuen Indooranlagen eine ernsthafte Konkurrenz für die etablierten Ausstellungsorte? Remo Besio, Direktor des Technoramas in Winterthur, gibt sich gelassen: «Kinder wollen das Gleiche tun wie die Erwachsenen, sie wollen nicht in die Kinderecke abgeschoben werden. Der gegenseitige Austausch macht einen grossen Teil des Erlebnisses aus.» Deshalb gebe es im Technorama keine spezielle Gestaltung für Kinder – «auch wenn ich in der Werkstatt schon mal auf die Knie gehe, um zu testen, ob ein neues Objekt für Sechsjährige erreichbar ist.» Auch beim Sensorium im Rüttihubelbad BE sieht man keinen Grund, am Konzept etwas zu ändern. Geschäftsleiter Reto Störi will weiterhin alle Altersstufen gleichermassen ansprechen: «Unsere Erfahrungsstationen sind nicht vergleichbar mit Kinderspielzeug, das man irgendwann weglegt, weil es nichts mehr zu entdecken gibt.» Hier würden alle Sinne angesprochen – «das ermöglicht viel mehr Variationen.»

Dem zwölfjährigen Simon haben es vor allem die wassergefüllten Klangschalen angetan, «wo nach einer Weile das Wasser zu springen beginnt. Das ist auch noch für Erwachsene interessant», erzählt er aus tiefster Überzeugung.

Kleine lieben Museen für Grosse
Die gleichaltrige Salome zeigt ebenfalls keine Vorbehalte gegen Orte, an denen nicht nur Kinder etwas geboten bekommen, und zählt ihre Top Five für Regentage auf: das Museum für Musikautomaten in Seewen, das Puppenhausmuseum in Basel, die Glasi in Hergiswil, das Kindermuseum in Baden und das Naturama in Aarau. «Ich weiss nicht, wie oft ich schon dort war», sagt sie, «aber jedes Mal entdecke ich wieder etwas Neues.»

Museen und Ausstellungen für die «Grossen» überfordern Kinder nicht – sie langweilen sie höchstens, ist Isabelle Kaufmann überzeugt. «Herzog und de Meuron: Weisch, die sind mega gsi»: Lachend wiederholt die Physiotherapeutin den Kommentar ihres achtjährigen Sohnes André. Beim Besuch der Ausstellung mit seinem Vater war er von den Modellen der beiden Stararchitekten sichtlich angetan. Obwohl sich die Eltern vorher gefragt hatten, wie sinnvoll es überhaupt sei, den Kleinen dahin mitzunehmen.

Dabei soll man Kinder nicht unterschätzen – es ist erstaunlich, was sie auch skurrilen, pädagogisch unbedarften Museen abgewinnen können. Als erfahrene Museumsbesucherin macht Isabelle Kaufmann nur eine Einschränkung: «Wenn man sich nicht bewegen kann, nicht laut reden oder nichts berühren darf, wird es mit jüngeren Kindern rasch mühsam.»

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