Der Übeltäter versteckt sich hinter dem lateinischen Namen Hylotrupes bajulus und heisst mit bürgerlichem Namen Hausbock. Er schätzt warme Temperaturen und treibt sich bevorzugt im Dachgebälk von Häusern herum, wo er durch Fressgeräusche auf sich aufmerksam macht. Seine Lieblingsspeise: Tannen- und Fichtenholz.

Der Hausbock verunsichert die Hausbesitzer, und das haben auch findige Firmen aus der Holzschutzbranche entdeckt. Sie beherrschen das Spiel mit der Angst vor den knabbernden Tierchen im Estrich gekonnt und sind bei der Suche nach Opfern nicht zimperlich. Ihre Masche: Statt auf Kundschaft zu warten, ziehen sie von Tür zu Tür und bieten ihre Dienstleistungen an. Die Geschäftemacher haben vor allem ältere Leute im Visier und gaukeln ihnen vor, dass es schlecht stehe um das Holz in ihrem Estrich. Folge: Die verunsicherten Hauseigentümer willigen häufig vorschnell in eine unnötige oder überrissen teure Sanierung des Dachstocks ein.

Statt 3000 Franken 300 bezahlt
Immer wieder landen Fälle dieser Art beim Beratungszentrum des Beobachters. So erhielten zwei ältere Frauen aus der Innerschweiz unangemeldet Besuch von einem Holzschutzspezialisten. Nach einem flüchtigen Blick in den Estrich des kleinen Einfamilienhauses empfahl er eine rund 3000 Franken teure Sanierung – bar zu bezahlen nach Abschluss der Arbeit. Den passenden Werkvertrag legte er auch gleich vor. Die Rentnerinnen blieben aber misstrauisch und erbaten sich Bedenkzeit. Ein örtlicher Holzschutzspezialist konnte schliesslich nur eine einzige befallene Stelle ausmachen. Kosten für die Behandlung: 300 Franken! Ähnliches widerfuhr einem älteren Ehepaar aus der Nordwestschweiz. Überrumpelt von den Mitarbeitern einer Holzschutzfirma, unterschrieben sie einen Sanierungsvertrag für den Dachstock. Glücklicherweise konnten sie ihren Entscheid rechtzeitig widerrufen. Das ist möglich, weil Vertragsabschlüsse in den eigenen vier Wänden, ähnlich wie der Kauf eines Staubsaugers bei einem Vertreter, zu den so genannten Haustürgeschäften zählen. Für diese sieht das Obligationenrecht seit 1991 ein Rücktrittsrecht vor. Normalerweise muss die Kündigung schriftlich innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Weist aber der Verkäufer im Vertrag nicht auf diese Möglichkeit hin, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch gekündigt werden.

Dass solche Holzsanierungen überhaupt an der Haustür verkauft werden, hängt mit der Struktur der Branche zusammen: Im Bereich der Schädlingsbekämpfung gibt es keine Berufsausbildung und keine geschützten Titel. Jeder kann solche Dienstleistungen offerieren – die Türen für unseriöse Anbieter stehen weit offen.

Beim Verband Schweizer Schädlingsbekämpfer ist man nicht glücklich über diese Situation. Doch die Verantwortlichen hätten gegenüber unseriösen Anbietern nichts in der Hand, bedauert Verbandspräsident Max Hagner. Er empfiehlt deshalb Hausbesitzern, nicht voreilig Verträge zu unterschreiben, sich Referenzen geben zu lassen und im Zweifelsfall eine weitere Offerte einzuholen.

Der Käfer verrät sich selbst
Wie viel Schaden kann der Hausbock wirklich anrichten? «Die Gefahr durch diesen Schädling wird oft dramatisiert», sagt Markus Meili, Ingenieur bei der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für das Holz (Lignum) in Zürich. Und selbst wenn der Hausbock im eigenen Haus rumort, ist die Angst meist unbegründet: Altgediente Experten aus dem Holzschutzbereich können sich nur an einen einzigen Dachstuhl erinnern, der hierzulande aufgrund von Hausbockbefall einstürzte. Schauergeschichten von dubiosen Hausierern gehören also ins Reich der Märchen.

Trotzdem: Hausbockkäfer und ihre Larven sind Realität und sollten nicht einfach ignoriert werden. Bei periodischen Kontrollen von Dach und Regenrinnen – die jeder Hausbesitzer vornehmen sollte – lohnt sich deshalb ein Blick auf die Dachbalken. Anzeichen eines möglichen Befalls durch den Hausbock sind etwa Ausflugslöcher oder Erhebungen an der Holzoberfläche, die den durch die Haut schimmernden Venen eines Menschen gleichen.

Deutlichster Hinweis auf die Anwesenheit des Schädlings sind aber Fressgeräusche im Holz. Fachleute empfehlen, bei einem Befallsverdacht ein paar Stunden im Estrich zu verbringen und zu horchen. Markus Meili: «Ist nichts zu hören, besteht auch keine Gefahr.» Wer unsicher ist, sollte die eventuell befallenen Stellen säubern und nach sechs bis zwölf Monaten auf neue Spuren kontrollieren.

Kaum zu überprüfen sind hingegen verdeckte Balken, wie sie heute in ausgebauten Estrichen üblich sind. Hier kann beim Bau imprägniertes Holz verwendet werden, das gegen Befall durch Insekten resistent ist. Nötig ist diese Massnahme aber eigentlich nicht. Denn bei richtiger Bauweise sei die Gefahr eines Insektenbefalls sehr gering, sagt Lignum-Experte Meili.

Erhärtet sich der Verdacht auf einen Befall durch den Hausbock, ist es Zeit, Fachpersonen beizuziehen. Zu diesem Zweck betreibt die Lignum ein Beratungstelefon (siehe Kasten rechts). Dort ist eine Liste von Holzschutzspezialisten erhältlich, die in einem Kurs der Schweizer Hochschule für Holzwirtschaft in Biel entsprechend ausgebildet wurden.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Wie bei allen teuren Arbeiten am Haus sollten auch bei einer aufwändigen Schädlingsbekämpfung mehrere Meinungen eingeholt werden. Empfiehlt die beigezogene Fachperson mehr als bloss partielle Massnahmen, lohnt es sich, Offerten anderer Spezialisten zu verlangen.

Gar nichts geben sollte man hingegen auf den Rat jener Holzschutzfachleute, die ungefragt vor der Haustür stehen. Markus Meili: «Wenn jemand nur schnell einen Blick in den Dachstock wirft, kann man davon ausgehen, dass die Offerte wenig seriös ausfällt.»