Man nehme: 35 Liter pures Hahnenwasser, gebe es in einen Stahltank, lasse darin einen Rotor laufen, der die Flüssigkeit in einem linksdrehenden Wirbel in die Höhe bringt, von wo es durch ein Rohr in der Mitte rechtsdrehend wieder nach unten fällt. Dann wieder von vorn. Das Prozedere wird fünf Minuten lang wiederholt, und schon kommt unten «levitiertes Wasser» heraus.

Laut seinem Erfinder, dem deutschen Physiker Wilfried Hacheney, soll dieses kostbare Nass viel gesünder sein als herkömmliches Leitungswasser. Durch das Bewegen mische sich, wie bei frischem Quellwasser, mehr Sauerstoff unter die Grüppchen von H2O-Molekülen; damit lasse sich die im Leitungsnetz entstehende «Verklumpung» des Wassers rückgängig machen. So lautet, etwas vereinfacht, Hacheneys Theorie.

In Deutschland glauben bereits Zehntausende an die Heilwirkung von levitiertem Wasser. Auch in der Schweiz wird die Fangemeinde immer grösser. Mindestens drei Vertreiber gibt es in der Deutschschweiz, und allein die Firma Watercom (früher Aqua-Perl) im aargauischen Turgi zählt nach eigenen Angaben «mehr als 1000 Kunden, darunter auch Grossfirmen», Tendenz steigend.

Rudolf Schibli, Watercom-Geschäftsleitungsmitglied, führt den Erfolg darauf zurück, dass sich die Leute «immer mehr mit alten Erkenntnissen der Wasserforschung beschäftigen». Auch seien sie für die Wasserqualität sensibilisiert, seit sie um die Zusätze im Leitungswasser wüssten. Umsatzzahlen will Schibli aber nicht bekanntgeben.

Klar ist: Beim Geschäft mit dem luftigen Wasser fliesst zumindest das Geld reichlich. Für rund Fr. 1.40 pro Liter liefert Watercom den veredelten «Hahnenburger» frei Haus, üblicherweise in einem Gebinde von fünf Gallonen (18,9 Litern), damits nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Kochen und Einreiben reicht. Wer will, kann auch für 5500 Franken einen eigenen Tank zur Herstellung von levitiertem Wasser bestellen. Und natürlich brauchts dazu einen Dispenser, der das Wasser hygienisch in Plastikbecher abfüllt. Kostenpunkt: ab 698 Franken, ohne Wartung und ohne Becher.

Urteil des BAG: «Bringt nichts»
Wem das esoterisch aufstösst, sieht sich durch einschlägige Publikationen bestätigt: Theorien über levitiertes Wasser werden zusammen mit chinesischem Taoismus oder der Naturlehre der neuseeländischen Maori erörtert. Erfinder Hacheney wird im selben Atemzug mit einem österreichischen Schamanen genannt. Auch in Hacheneys Publikationen finden sich mehr philosophische Betrachtungen als nachvollziehbare Beweise. Deshalb ist die Wissenschaft skeptisch: Kaum ein Fachmann befasst sich ernsthaft mit dem Thema, und der Duden kennt das Verb «levitieren» nur im Zusammenhang mit Parapsychologie.

Klare Worte für die Wasserprediger findet allerdings das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG): «Levitiertes Wasser bringt nichts», sagt Pierre Studer, wissenschaftlicher Adjunkt der Abteilung Lebensmittel. Der zusätzliche Sauerstoff gelange im Körper nicht an den richtigen Ort; anderslautende Studien der Levitationsanhänger seien «nicht fundiert». Das Ganze habe «mehr mit Esoterik zu tun als mit Wissenschaft».

Vom Beobachter auf den Fall aufmerksam gemacht, ist das BAG jetzt eingeschritten: Nicht erlaubt seien diverse heilende Anpreisungen im Prospektmaterial sowie auf den Internetseiten, teilte das Bundesamt den Anbietern schriftlich mit. Werden die Angaben nicht umgehend entfernt, so drohen die Behörden mit Zwangsmassnahmen.

Das erstaunt die Anbieter, obwohl sie ihre Versprechungen bereits schrittweise zurückbuchstabieren mussten. Neu verkaufen sie ihr Gesundwässerchen bloss noch als «Trinkwasser». In St. Gallen verbot der Kantonschemiker das Produkt vorübergehend, weil auf Prospekten eine heilende Wirkung versprochen wurde.

Als vorerst letzte Massnahme soll nun die Behauptung abgeschwächt werden, wonach levitiertes Wasser «bewirkt», dass im Körper abgelagerte Schadstoffe ausgeschwemmt werden. Das Wasser «kann» dies jetzt bloss noch bewirken. «Ob es wirkt, muss jede und jeder für sich selber entscheiden», gibt sich Anbieter Schibli zurückhaltend. Ob diese Taktik reicht, um den gesetzlichen Bestimmungen zu genügen, ist fraglich: Der Segen des BAG ist noch ausstehend.

Während sich die offiziellen Anbieter in Zurückhaltung üben, berichten im Internet anonyme Anhänger über Erfolge bei Neurodermitis, Migräne, Ubergewicht oder Akne. Sogar gegen Krebs helfe levitiertes Wasser, will Friedrich Hacheney, Sohn des Erfinders, nachgewiesen haben.

Effekt hält bloss eine Stunde
Mit den heutigen wissenschaftlichen Methoden sei «kein Effekt nachweisbar», weiss demgegenüber Urs von Gunten, Leiter des Forschungsbereichs Chemie an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz in Dübendorf ZH. Mag sein, aber auch die Homöopathie ist nicht bewiesen, trotzdem hilft sie vielen Menschen. Von Gunten relativiert: «Bei der Homöopathie können wir immerhin beweisen, dass es positive Effekte gibt, wir wissen nur nicht warum. Beim levitierten Wasser können wir nicht einmal dies.»

Widerlegen könne man die angeblichen Eigenschaften zwar auch nicht, doch glaube er persönlich nicht daran: «Selbst wenn im Wasser mehr Sauerstoff vorkommt und dies positive Effekte haben sollte, bewegen sich die Moleküle derart rasch, dass dieser Zustand nicht lang anhalten kann.» Einer seiner Kollegen wird deutlicher: «Placeboeffekt: Wer dran glaubt, wird gesund.»

Ganz nutzlos ist levitiertes Wasser indes nicht: Im Rahmen des Wettbewerbs «Jugend forscht» haben die beiden deutschen Gymnasiastinnen Katharina Ullmann und Wiebke Braatz diesen Frühling eine ganze Reihe von Versuchen durchgeführt. Resultat: Das veredelte Nass unterscheidet sich praktisch nicht vom kommunen Leitungswasser – und wenn, dann höchstens eine Stunde lang.

Aber immerhin: Die mit levitiertem Wasser gegossene Kresse wuchs etwas schneller als das mit normalem Wasser getränkte Grün. Allerdings, so fanden die Jungforscherinnen heraus, könnte das auch die Folge einer verrosteten Schraube in der Levitationsmaschine sein. Denn Eisen kann das Wachstum fördern.