Apple ist jetzt auch eine Bank und vergibt Kredite. In den USA hat der Elektronikkonzern soeben die neue «Buy-now-pay-later»-Option (BNPL) lanciert: Kaufe jetzt, bezahle später. Weil Apple praktisch alle seine Angebote über kurz oder lang weltweit lanciert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Europa als dafür interessanter Markt an die Reihe kommt.

Wer mit seinem iPhone über die Apple-eigene Bezahlfunktion Apple Pay in einem Onlineshop einkauft, kann mit BNPL seine Einkäufe in vier Raten innert sechs Wochen abzahlen und muss dafür weder Zinsen noch Gebühren entrichten. Apple bezahlt den Händler aber sofort, übernimmt somit das Ausfallrisiko und gibt dem Kunden oder der Kundin einen Gratiskredit.

Warum macht Apple das? Bestimmt nicht aus Grosszügigkeit. Erstens kassiert der Konzern für die Zahlungsabwicklung Gebühren beim Händler, und zweitens baut er damit das Know-how auf, um die Zahlungskraft seiner Kundinnen und Kunden besser einschätzen zu können. 

Vor allem aber springt Apple auf einen Zug auf, der bereits Fahrt aufgenommen hat. Mehrere andere Firmen sind in diesem Geschäftsmodell tätig. In Europa ist die schwedische Firma Klarna Marktführerin, sie ist auch in der Schweiz präsent, etwa in den Onlineshops von H&M, Zara und Calida.

Der Vorteil für die Kundin: Die Lieferung kommt sofort, bezahlt werden muss aber erst in 30 Tagen. Die moderne Form des früher gebräuchlichen «Kaufs auf Rechnung». Auch monatliche Raten sind bei Klarna möglich, wobei dann Zinsen erhoben werden. Mahngebühren kosten ebenfalls.

Tückischer Kaufanreiz

Trotzdem eine gute Sache, denkt die gewiefte Konsumentin. Stimmt im Grundsatz schon, doch es gibt ein Aber. In Deutschland umwirbt Klarna die Händler damit, dass der durchschnittliche Bestellwert mit Klarna 58 Prozent höher sei als bei anderen Kunden; 30 Prozent aller Nutzer hätten überhaupt nur aufgrund dieser Finanzierungsoption eingekauft.

Anders gesagt: Das Modell funktioniert nur, weil die Kunden mehr und teurer einkaufen, als sie das sonst tun würden. Sie kaufen etwas, was sie sich vielleicht nicht leisten können. Oder was sie sich nicht leisten würden, wenn sie sofort bezahlen müssten.

Klarna-Konkurrentin Bob Finance, eine Tochter des Kioskkonzerns Valora, gibt dies verklausuliert zu: «Ermöglichen Sie Ihren Kundinnen und Kunden, sich grössere Wünsche zu erfüllen», lockt Bob Finance potenzielle Händler an. Der Kunde kann wählen, wie lange und mit welchen Raten er die Ware abbezahlt, «und Ihr Onlineshop steigert den Umsatz». 

Der Uhrenkonzern Breitling etwa bietet die Ratenzahlung via Bob Finance seit Juni 2020 in seinem Schweizer Onlineshop an. Die Kunden können die gewünschte Uhr in bis zu 48 Monatsraten abstottern, zu 0 Prozent Zins. Bob Finance übernimmt dabei die «Zahlungsabwicklung, die Vorfinanzierung sowie das Risiko eines Zahlungsausfalls», die Uhrenfirma erhält das Geld sofort, allerdings abzüglich einer Provision für Bob Finance. Wie hoch diese genau ist, weiss man nicht – aber sie ist sicher höher als die Gebühr, die Breitling einer Kreditkartenfirma bezahlen müsste, wenn der Kunde auf diesem Weg bezahlen würde.

Bonitätsprüfung mit Lücken

Zwar führen Apple, Klarna und Bob Finance zuerst eine Bonitätsprüfung durch, bevor jemand ein solches BNPL-Geschäft abschliessen kann. Aber sie ist weniger streng als eine Kreditfähigkeitsprüfung, die obligatorisch ist vor dem Abschluss eines Leasing- oder Konsumkreditgeschäfts.

Bei der Bonitätsprüfung wird, vereinfacht gesagt, bloss geschaut, ob jemand Schulden hat und ob er sie pünktlich abzahlt. Bei einer Kreditfähigkeitsprüfung werden auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse geprüft, sie schützt darum viel besser vor einer Überschuldung.

Wohin dies führen kann, sieht man am besten auf der Videoplattform Tiktok. Dort plaudern junge Erwachsene unbefangen und vermeintlich sorglos über ihre wachsenden Schulden, die sie im Konsumrausch anhäufen. Das ist besonders perfid, weil das Videoportal Tiktok gern von Influencern genutzt wird, um die Jugendlichen zu Käufen zu animieren. 

Die Anbieter nutzen dies aus. In einem Klarna-Werbespot ist Rapperlegende Snoop Dogg in einem gigantischen rosaroten Bett unter überdimensionierten Kristallleuchtern zu sehen, umgeben von Hunden mit langen Mähnen. Die Kamera zoomt langsam weg, während er sagt: «Zu wissen, dass ich all das später bezahlen kann, macht mich so entspannt.» Unerwähnt bleibt, dass er mit seinem auf 150 Millionen Dollar geschätzten Vermögen so oder so entspannt auf irgendwelche Rechnungen warten kann. 

Die Anbieter verpacken also die Kredite so, dass sie schick und lustig aussehen – aber es sind immer noch Schulden. Das finden nicht nur Budget- und Schuldenberatungs-Fachleute problematisch, sondern auch die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), das Aufsichtsorgan der Finanzindustrie. Sie mahnt deshalb die Konsumenten, BNPL sei «bequem und (zu) verführerisch».

Und auch die Wissenschaft betont die Schattenseiten. Laut Thorsten Hens, Professor für Finanzökonomie an der Universität Zürich, nützen die Geschäfte die Psychologie der Käuferinnen und Käufer «geschickt aus». «Sie bieten Rabatte an, wenn man sofort kauft, schlagen nach jedem Kauf sofort das nächste Item vor und schreiben: ‹Wer das gekauft hat, kauft auch …›. Damit aktivieren sie unter anderem das Herdenverhalten», sagt Hens dem Beobachter. «Das Resultat ist eine Shopping-Frenzy, die die Kundinnen und Kunden in den Ruin treibt, wie es auf Tiktok dokumentiert ist.»

Dennoch rechne sich dieses unseriöse Geschäft, «da die Zinsen bei BNPL hoch sind. Damit kann man die Zahlungsausfälle ausgleichen.» Hens findet BNPL deshalb «gefährlich».

Klarna: Die Zahlungsmethode «Sofortzahlung» ist gefährlich

Einige Onlineshops bieten anstelle von Rechnung oder Banküberweisung auch die sogenannte Sofortüberweisung als Zahlungsmethode an – oft dann, wenn es entscheidend ist, dass das Geld möglichst schnell zum Empfänger kommt und nicht erst am Folgetag wie mit einer Banküberweisung. Das ist beispielsweise bei Flugbuchungen der Fall, um sich einen günstigen Tarif zu sichern. 

Aber: Das hinter der «Sofortüberweisung» stehende System ist für die Nutzerinnen und Nutzer sicherheitstechnisch brandgefährlich.

Man muss dafür nämlich seine E-Banking-Zugangsdaten samt den Sicherheitscodes (zum Beispiel TAN) eintippen, damit das Geld sofort abgebucht werden kann. Damit erhält die hinter dem System stehende Firma Klarna aber direkten Zugriff auf das Konto des Kunden, kann den Saldo sehen, andere Transaktionen anschauen und theoretisch auch weitere Zahlungen auslösen.

Verschiedene Schweizer Banken raten entschieden davon ab, Raiffeisen verbietet es der Kundschaft gar ausdrücklich, die persönlichen Zugangsdaten im Internet weiterzugeben. Klarna entgegnet, dass die Codes weder gespeichert noch weitergegeben würden.

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Martin Müller, Redaktor
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