Sparsame Autos können ganz schön teuer werden. Weil Serge Hug aus Ossingen ZH seine BP-Benzinkarte nur selten einsetzt, merkte er erst Wochen nach dem Diebstahl, dass sie fehlte. Da flatterte schon die Monatsrechnung ins Haus – mit Bezügen von 15000 Franken, das meiste Benzin davon in Litauen abgezapft.

Dass Ganoven das Kartenkonto plünderten, fiel auch der BP lange nicht auf. Man hafte ausschliesslich für Schäden, die nach der Verlustmeldung anfallen, beschied sie ihrem Kunden. Nur dank dem Eingreifen des Beobachters ging die Geschichte für Serge Hug glimpflich aus - er muss die 15000 Franken nicht zahlen.

Die Risiken von Kunden-Kreditkarten sind den wenigsten Nutzern bewusst. Dabei ist es für Profis ein Leichtes, den PIN-Code zu knacken. In einzelnen Fällen braucht es für eine Ladung Benzin nicht mal einen PIN-Code: Mit der Myone-Karte von Manor lässt sich täglich für 100 Franken tanken, ohne PIN oder Unterschrift.

Verzugszinsen von bis zu 15 Prozent


Trotz den Sicherheitslücken finden Kundenkarten zunehmend Verbreitung. Nicht nur die meisten Benzingesellschaften, sondern auch Warenhäuser wie Manor oder Globus, Autovermieter wie Hertz oder Fachgeschäfte wie Möbel-Pfister haben eigene Kreditkarten in Umlauf - und profitieren gleich dreifach davon: Erstens sollen die Kunden dem Unternehmen treu bleiben, zweitens gewinnen sie Kundendaten, und drittens ersparen sich die Firmen einen Teil der Kommissionen, die bei den klassischen Kreditkarten anfallen.

Dafür langen die Schmalspur-Kreditkarten bei den Verzugszinsen kräftig zu: 14 bis 15 Prozent Jahreszins verrechnen etwa Globus und Manor. Demgegenüber sind die Rabatte bescheiden. Bei Globus sind es zwei, bei Möbel-Pfister drei Prozent.

Wie viele Karten insgesamt in Umlauf sind, weiss niemand. Und noch weniger sind die Ausmasse des Datenmeeres bekannt, das mit jeder Kartennutzung einen Tropfen grösser wird.

Laut einer Studie des Marktforschers AC Nielsen verfügen heute 92 Prozent aller Schweizer Haushalte über eine Coop-Supercard, 85 Prozent über eine Cumulus-Karte der Migros. Neben den grossen Anbietern (siehe Nebenartikel «Schweizer Kundenkarten à la carte: Die Pluspunkte der sieben Grossen auf einen Blick») gibt es eine Vielzahl von Detailhändlern und Dienstleistern mit eigenen Karten. Allein das Kinounternehmen Kitag hat 120000 Cinécards in Betrieb.

«Wenn fast alle Firmen solche Kundenbindungsprogramme haben, nimmt deren Wettbewerbsvorteil ab», meint Karin Frick, Forschungsleiterin am Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI). Während Prämien und Rabatte für die Kunden zur Selbstverständlichkeit würden, so Frick, verknüpften die Herausgeber immer mehr Dienstleistungen mit der Karte – am Ende ist das Angebot nicht mehr überschaubar. Die Praxis bestätigt Fricks Diagnose: Sowohl Migros wie auch Coop und Manor bauen ihr Kartensystem laufend aus.

Was in den wuchernden Partnerstrukturen mit den Einkaufsdaten der Kunden passiert, ist nicht immer klar. Bei Swiss und Globus ist im Kartenvertrag vorgesehen, dass die Daten auch an Dritte weitergegeben werden. Doch in der Praxis bleiben die Personendaten unter der Kontrolle der Herausgeber. «Wir müssen verhindern, dass unsere Klubmitglieder mit Werbung bombardiert werden. Deshalb laufen alle Mailings der Partnerfirmen über uns», sagt Urs Eberhard von Swiss. Auch bei Manor ist man sich der Problematik bewusst: «Das Marketing könnte mit Datenhandel finanziert werden, was jedoch nicht im Sinne des Kunden wäre», führt Karl Vögtlin von Myone aus.

Thomas Bader, Aktivist bei der Datenschutzorganisation Bigbrotherawards, weist auf eine weitere Gefahr hin: Bei Zusammenschlüssen und Übernahmen bleibt unklar, was mit den Kundendaten passiert. Jüngstes Beispiel ist die von Coop aufgekaufte Epa: Den Inhabern der Shopping-Card der Epa bietet Coop zwar eine Supercard an, sobald ihre Epa-Stammfiliale zu einem Coop-Warenhaus umgebaut wird. Doch was später mit den Kundendaten der Epa passiert, weiss derzeit niemand.

Auch die Polizei greift manchmal auf die Datenbanken der Kartenherausgeber zurück: In mehreren Fällen haben die Beamten Abfallsünder aufgespürt, indem sie den Kartennummern auf den Kassabons im Kehricht nachgingen.

Dennoch geht die Mehrheit der Einkaufenden heute sehr locker mit ihren Daten um. «Die Bedrohung ist abstrakt», erklärt Karin Frick das Konsumentenverhalten, «noch ist es nicht zu krassen Diskriminierungen gekommen.» Noch hat zum Beispiel keine Krankenkasse personalisierte Einkaufsdaten gekauft und daraus Rückschlüsse auf Lebenswandel und Gesundheit einzelner Personen gezogen.

Die Gefahren «nicht unterschätzen»


Einen Vorgeschmack auf künftige Risiken lieferte letzten Herbst ein Fall in den USA: Einer Deutschen wurde die Einreise verweigert, als die Grenzbeamten herausfanden, dass sie beim Internetbuchhändler Amazon Bücher über Terrorismus bestellt hatte. «Wir dürfen das Ganze nicht unterschätzen», warnt Daniel Menna, Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. «Was morgen mit unseren Daten passiert, kann man heute nicht wissen.