Sollte demnächst ein Donnergrollen das Rhonetal heimsuchen, könnte sich König Salomon im Grabe umgedreht haben. Dem weisen Herrscher aus dem Alten Testament wäre dann nämlich das staatsrätliche Urteil von 2002 zu Ohren gekommen, das der damalige Walliser Staatsratspräsident Wilhelm Schnyder als «salomonisch» bezeichnet hatte.

Das Verdikt hätte den jahrhun-dertealten Rechtsstreit um die Gebietshoheit über das Turtmanntal beenden sollen: Sowohl die Gemeinde Turtmann im Rhonetal wie auch das hoch darüber thronende Oberems beanspruchen die gesamte Talschaft für sich allein. Der Staatsrat hatte die umstrittenen 67,6 Quadratkilometer beiden Gemeinden je zur Hälfte zugesprochen – mit dem Fluss Turtmänna als hauptsächliche Grenzlinie.

Den 130 Oberemsern wollte das Urteil nicht in den Schädel, sie zogen den Fall ans Kantonsgericht weiter. Der Zwist warf auch im Internet Wellen, wo der Oberemser Otto Bregy die «übelsten Tricks der relativ grossen und reichen Talgemeinde» gegenüber einer «sehr kleinen und mausarmen Berggemeinde» anprangerte. Der «echte König Salomon», schrieb Bregy, würde sich darob «mindestens einmal» im Grab drehen.

Wasser auf die Mühlen der Justiz


Dem weisen Salomon seis geklagt: Auch das Kantonsgericht sprach sich für halbe-halbe aus. Die 1200 Turtmänner könnten laut Gemeindevizepräsident Simon Graber «gut mit diesem Urteil leben». Die Oberemser aber erwägen eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht, liess Gemeindepräsident Enus Meichtry verlauten.

Der Walliser Grenzfall war 1612 aktenkundig geworden. Damals hofften die Zeugen noch auf «bessere Erläuterung der Grenzverteilung» – «ohne Rücksicht auf Liebe, Hass, Freundschaft oder Feindschaft, Gold oder Silber». Heute gehts hauptsächlich um das weisse Gold, das der Fluss Turtmänna seit 1922 produziert: Elektrizität. Die Wasserzinsen haben 6,5 Millionen Franken auf ein Sperrkonto gespült. Bei einer Teilung flössen neben den Millionen vom Sperrkonto jeder Gemeinde im Jahr 190000 Franken zu. Doch die Oberemser gehen lieber auf tutti.

«Nächstes Jahr liegt der Bundesgerichtsentscheid vor», hofft Simon Graber. Und das Turtmanntal, sagt er, habe immerhin gute Chancen, dank diesem «längsten Prozess der Welt» ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen zu werden.

Quelle: Thomas Andenmatten