Ich erinnere mich noch so genau an den Vorfall, als hätte er sich vor einer Woche ereignet. Ich war 18 und wäre beinahe gestorben. «Der Blinddarm war bereits durchgebrochen», sagte die Ärztin, als ich nach der Operation aus der Narkose erwachte. «Vor der "Penicillin-Ära" hätten Sie kaum eine Chance gehabt.» Meine Mutter bekommt heute noch Gänsehaut, wenn sie an jene Zeit zurückdenkt. Ich war mit Bauchschmerzen und hohem Fieber von der Schule nach Hause gekommen.

«Das wird wohl nur eine Darmgrippe sein», dachten wir zuerst. Auch die Möglichkeit einer Blinddarmentzündung kam uns in den Sinn. Wir schlugen in einem Gesundheitsratgeber nach – und waren uns bald einig: Der Blinddarm konnte es nicht sein, die Symptome passten nicht. Ein fataler Irrtum.

Heute würden wir wahrscheinlich nicht in einem Gesundheitsbuch blättern, sondern im Internet Rat holen – und aufgrund der Informationen schneller zum Arzt gehen. Doch auch die Informationen im Internet sollten mit Vorsicht genossen werden. Denn neben seriösen Anbietern treiben auch Scharlatane im World Wide Web ihr Unwesen – und Laien können kaum beurteilen, ob der «Doktor im Internet» wirklich ein qualifizierter Mediziner ist und ob man sich auf seine Gesundheitstipps verlassen kann.

Spitäler haben die Nase vorn
Gute Beratungsadressen sind die Homepages von Spitälern. Mitte 1999 richtete das Universitätsspital Zürich (USZ) als erste öffentliche Klinik der Schweiz eine Mailbox im Internet ein. «Fragen Sie die USZ-Ärztin», wird der Ratsuchende begrüsst – und nach einem weiteren Mausklick erscheint ein Frageformular auf dem Bildschirm.

Wer vom medizinischen Angebot des USZ profitieren will, muss neben der Bestätigung der Teilnahmebedingungen lediglich seine E-Mail-Adresse für die Antwort angeben. Alle weiteren Angaben wie etwa Adresse, Alter, Gewicht, Grösse, Begleitbeschwerden oder Krankheitsgeschichte sind freiwillig.

«Das Echo auf unseren Beratungsdienst ist sehr positiv», sagt Helen Winkler, Marketingleiterin des Universitätsspitals Zürich. «Pro Woche bearbeiten wir rund 70 Anfragen.» Dank der E-Mail-Beratung des USZ gelangen Ratsuchende rasch an zuverlässige Informationen über Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten. Zudem können heikle Themen wie etwa Fragen zur Immunschwäche HIV ohne Hemmungen angesprochen werden. «Viele Patienten wollen auch nur eine Zweitmeinung zu ihrem Gesundheitsproblem einholen», sagt Helen Winkler.

Betreut wird die USZ-Mailbox von der Ärztin Elsbeth Gehri. Anfragen, die sie nicht selber beantworten kann, gibt sie umgehend an die klinikeigenen Spezialärzte weiter.

Der Online-Beratungsdienst des USZ ist zurzeit noch gratis. «Es ist aber möglich, dass unsere medizinischen Beratungen künftig wie herkömmliche Telefondienste verrechnet werden», sagt Helen Winkler. «Das hängt unter anderem von der Marktentwicklung ab.» Indirekt profitiert das Universitätsspital schon heute von der neuen Dienstleistung. Denn wie andere Unternehmen nutzt auch das USZ das Internet als Marketingkanal. Da liest man zum Beispiel: «Das Universitätsspital Zürich gehört dank seinen hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten, seiner innovativen technischen Infrastruktur und kompetenten Pflege zu den führenden Spitälern der Welt.» Wer hätte da kein Vertrauen?

Die USZ-Mailbox will in erster Linie medizinische Informationen auf hohem Niveau anbieten und Ratgeber sein. «Wir machen keine Ferndiagnosen und verschreiben auch keine Medikamente. Das wäre unseriös», betont Helen Winkler. «Zudem werden die Patientinnen und Patienten primär an ihren Hausarzt oder auf spitalinterne Spezialsprechstunden verwiesen.»

Viagra per Internet
Nicht alle Online-Ratgeber arbeiten so seriös wie das Universitätsspital Zürich. In einer Studie hat das international renommierte Medizinfachblatt «New England Journal of Medicine» nachgewiesen, dass verschiedene Online-Ärzte das rezeptpflichtige Potenzmittel Viagra anonym im Internet verkaufen. Ein Arzt, der Viagra via Internet Patienten anbot, die er weder gesehen noch untersucht hatte, wurde letztes Jahr von der Gesundheitsbehörde in Washington angezeigt.

Wie beim elektronischen Handel im Internet lauern auch bei medizinischen Mailbox-Diensten Datenschutzprobleme. Die Mailbox des Unispitals Zürich warnt die Benutzerinnen und Benutzer deshalb mit den Worten: «Bitte beachten Sie, dass wir für die Vertraulichkeit der Antwort nach Verlassen unseres Hauses keine Verantwortung übernehmen können.» Wer also ganz sicher gehen will, erzählt von seinen Gebresten nicht im Internet, sondern weiterhin nur beim Hausarzt.