Am eindrücklichsten ist der Selbstversuch: Starten Sie auf Ihrem PC das Programm Notepad oder, als Mac-Anwender oder -Anwenderin, BBedit (erhältlich als Freeware unter www.barebones.com). Suchen Sie dann über den Befehl «Datei öffnen» nach Word-Dokumenten (Dateiendung .doc) auf Ihrer Festplatte, öffnen Sie diese im Texteditor und staunen Sie.

Zuerst fällt auf, dass alle Formatierungen für Schriften, Absätze und Layout optisch nicht mehr vorhanden sind, die Textwüste dafür zahllose krude Zeichen und Passagen enthält, die den eigentlichen Inhalt beinahe unleserlich machen. Bei genauerer Betrachtung findet man plötzlich Wörter, Passagen oder gar Textversionen, die doch seinerzeit beim Schreiben des Textes explizit gelöscht wurden. Oder sogar solche, die aus einem ganz anderen Dokument stammen müssen. Irgendwo taucht auch plötzlich die Pfadangabe auf, wo auf der Festplatte die Datei abgespeichert ist, die Versionsnummer des fürs Schreiben benutzten Programms, der Name und die Adresse des Autors alles Informationen, die das Word-Dokument auf dem Bildschirm oder ausgedruckt nicht enthält und auch nicht enthalten sollte.

Der Selbstversuch zeigt: Word und andere moderne Textverarbeitungs- und Office-Programme zeigen nicht alles, was sie abspeichern. Im Unterschied zur zweidimensionalen Darstellung auf dem Bildschirm oder Papier enthalten die Dateien eine dritte und vierte Dimension: Zusatzinformationen zum Text sowie die Chronologie der Entstehung.

Datenverbreitung ist heikel

Bei einem einsam und unvernetzt vor sich hin schreibenden Anwender, der Briefe und Texte ausschliesslich auf Papier weitergibt, mögen diese versteckten Angaben nicht von Bedeutung sein, da mit dem Ausdruck die dritte und vierte Informationsdimension automatisch wegfällt. Wenn allerdings private und geschäftliche Texte auch elektronisch verbreitet werden etwa auf CD, per E-Mail oder auf der Homepage , dann wird es problematisch.

Selbst unerfahrene Empfänger können über die Programmfunktion «Datei w Eigenschaften» von Word, Excel und Konsorten die Datei-Metainformationen einsehen, die nicht nur statistische Angaben zum Text enthalten, sondern auch Auskunft geben über Erstellungs- und Änderungsdatum, die Dauer der Bearbeitung sowie den Namen desjenigen, der das Dokument zuletzt gespeichert hat. Zwar scheinen diese Informationen auf den ersten Blick nicht heikel. Doch sie können es werden, wenn der Empfänger so feststellen kann, dass der Text nicht vom Absender verfasst wurde, oder der Chef daraus auf die Effizienz eines Angestellten schliesst.

Öffnen die Empfänger die Datei wie eingangs beschrieben in einem Text- oder sogar einem Hex-Editor, der noch mehr versteckte Informationen zutage fördert, kann es gar strafrechtlich relevant werden, weil gelöschte Passagen und verworfene Versionen des Textes sowie wenn als Vorlage der Datei ein anderes Dokument diente die Inhalte anderer Texte plötzlich sichtbar werden. Man denke nur an die ärztliche und anwaltliche Schweigepflicht, an die Möglichkeit von Wirtschaftsspionage oder auch die erste Wut, die zu Beginn und mit entsprechend drastischen Worten in der Regel den Prozess des Beschwerdebriefschreibens diktiert.

Die wichtigste Massnahme, um solche Probleme zu verhindern, ist die Deaktivierung der Word-Programmoption «Schnellspeicherung zulassen». Diese Funktion sorgt dafür, dass jeweils nur die Änderungen an einem Dokument gespeichert werden, und sie ermöglicht es, wie demonstriert, gelöschte Passagen oder verworfene Fassungen des Textes wieder sichtbar zu machen. Selbst Microsoft warnt in der Supportdatenbank vor dieser Funktion weshalb sie bei der Installation trotzdem standardmässig aktiviert ist, bleibt ein Geheimnis.

Mit Kniff auf Nummer sicher

Darüber hinaus empfiehlt es sich, jede Datei vor dem Austausch im Netzwerk (E-Mail, Archivserver, Homepage) oder per Speichermedium (Floppy, Zip, CD) mit dem Befehl «Speichern unter...» neu abzulegen. So werden sofern die Funktion «Schnellspeicherung zulassen» deaktiviert ist gelöschte Passagen und verworfene Fassungen definitiv gelöscht, was sich auch in einer geringeren Grösse des Dokuments niederschlägt. Wer vollends auf Nummer Sicher gehen will, wählt dabei nicht das vom Programm vorgeschlagene Speicherformat «Word-Dokument», sondern ein geeignetes Exportformat wie ASCII, PDF oder RTF, das keine oder zumindest weniger Metainformationen und versteckte Texte enthalten kann.

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