Es war einmal ein Gewinnversprechen: Was oft märchenhaft klingt oder zumindest als freudige Überraschung daherkommt, kann ärgerliche Folgen und ein kostspieliges Nachspiel haben. Die Versprechen dienen auch als Lockvogel: Sie sollen «Gewinner» zu Bestellungen verleiten oder an Verkaufsveranstaltungen locken. Manchmal soll der «Gewinn» auch bloss über eine teure 0900-Nummer abgerufen werden – was wiederum die Kasse der Absender klingeln lässt. Ausserdem beschaffen sich Firmen mit Gewinnversprechen die begehrten und für teures Geld gehandelten Adressen von Konsumentinnen und Konsumenten.

Auch Reisegewinne haben verschiedene Fussangeln: Zum Beispiel zahlt die Begleitperson einen so hohen Preis, dass der «Gewinn» gleich mitbezahlt ist. Oder die Anbieter halten sich mit Buchungs-, Bearbeitungs- und Einzelzimmerzuschlägen oder der angeblich obligatorischen Annullationskostenversicherung schadlos. Häufig sind die Hotels so abgelegen, dass man fürs Essen keine (preisgünstigen) Alternativen hat. Die folgenden acht Erfahrungen aus dem Beratungsalltag des Beobachters stehen stellvertretend für die harte Realität hinter 1001 Gewinnversprechen.

Rechnung ohne Bestellung
Ilona Rihs erhielt einen Anruf von Arena & Partner in Glattbrugg – zur Feier ihres Namenstages habe sie einen Wellness-Aufenthalt gewonnen. «Ich forderte Arena auf, die Unterlagen zur Ansicht zu schicken», sagt Rihs. Doch statt der Unterlagen kam zwei Tage später eine Rechnung: «Wir danken für Ihre Bestellung», schrieb Arena. Fast 1200 Franken sollte Rihs für sich und ihren Mann zahlen. Umgehend schickte Ilona Rihs die Rechnung zurück. Aber erst als der Beobachter nachhakte, bestätigte Arena deren Stornierung mit der Bemerkung: «Wir konnten keinen Fehler von unserer Firma aus feststellen.»

Teurer Teppich aus der Türkei
Käthi Gschwend reiste mit ihrer Tochter in die Türkei. Die Tochter hatte die Reise gewonnen, Käthi Gschwend zahlte als Begleitperson 450 Franken an die Sunshine Travels GmbH, Wallisellen. Die Rundreise hat Gschwend gefallen, doch eine bittere Erfahrung vermiest ihr die Erinnerung: Die Reisegruppe wurde zu einem Teppichgeschäft gebracht. Als Käthi Gschwend Interesse für einen kleinen Teppich zeigte, führte sie ein Verkäufer durch viele Gänge. «Ich habe Panik bekommen und fürchtete, dass ich meine Leute nicht mehr finde», beschreibt Gschwend die Situation, in der sie dann einen Kaufvertrag für 10'000 Franken unterschrieb. Nach der Rückkehr wollte Käthi Gschwend den Kauf rückgängig machen. Doch das Teppichgeschäft drohte ihr mit hohen Prozesskosten, wenn sie nicht zahle. Diese Drohung belastete Käthi Gschwend so sehr, dass sie nicht mehr schlafen konnte und die 10'000 Franken schliesslich zahlte. «Ich habe einen Fehler gemacht, jetzt muss ich das halt ausfressen», sagt sie heute.

Der falsche Direktor
Gratisnachtessen im Restaurant, als Gewinn eine Türkeireise, Besichtigung einer Fabrik, Kauf von zwei Teppichen zu überhöhten Preisen – Josef Roth erlebte auf seiner Reise mit Sunshine Travels das Übliche. Doch dann erging es ihm übel: Einen Monat später erhielt er einen Anruf direkt an seinen Arbeitsplatz – angeblich vom Direktor der Teppichfabrik, die er auf der gewonnenen Reise besucht hatte. Rasch schuf der vermeintliche Direktor eine vertrauenerweckende Gesprächssituation, indem er Details vom Teppichkauf erzählte – etwa dass Josef Roth einen Raki, seine Partnerin einen Apfeltee getrunken hatte.

Dann eine überraschende Wende: Ob Roth ihm nicht aus der Patsche helfen könne. Um Teppiche aus dem Zollfreilager auszulösen, müsse er unversehens 18'000 Franken zahlen. Ob Roth ihm diese Summe nicht für kurze Zeit ausleihen könne. Er könne sich mit einem Honorar von 4000 Franken erkenntlich zeigen und zur Absicherung Teppiche im Wert von 80'000 Franken hinterlegen. Nichts Böses ahnend, übergab Josef Roth zwei Stunden später dem Sohn des angeblichen Direktors das Geld – und hat seither von beiden nichts mehr gehört. Die Teppichfabrik in der Türkei weist jede Verbindung zum «Direktor» von sich. Die deponierten Teppiche sind laut Expertise bloss 3000 Franken wert. Josef Roth erstattete Anzeige, doch seine Chancen, das Geld zurückzubekommen, sind gleich null.


Trotz Bestellung nichts gewonnen
Gleich zweimal erhielt Hans Mühlethaler vom Diamant Versand in Staad SG ein Gewinnschreiben: «Wann dürfen wir denn nun endlich zur Gewinnübergabe zu Ihnen kommen?» Mühlethaler kreuzte einen «Wunschtermin für die Gewinnübergabe» an und bestellte zwei Produkte. Denn der unterzeichnende «Dir. Ludwig Rupertz» hatte im persönlichen Brief auch notiert, dass ihn «eine unverbindliche Testbestellung sehr freuen» würde. Die Ware kam, Mühlethaler zahlte. Doch am vereinbarten Montag wartete er vergeblich den ganzen Tag zu Hause auf Direktor Rupertz. Mühlethaler wartete auch vergeblich auf eine Erklärung. Der Diamant Versand beantwortete weder seine drei eingeschriebenen Briefe noch die Anfrage des Beobachters.

Stur bis vors Bezirksgericht
«Der Jackpot ist geknackt, Sie wurden als glücklicher Gewinner ermittelt.» Verena Keller fand sich zur angegebenen Zeit in einem Restaurant ein – und sass unvermittelt in einer Produkteshow der Vital-Line AG, Wallisellen. Dabei unterschrieb sie einen Kaufvertrag für Bettwaren im Wert von 5225 Franken. Die Lieferung enttäuschte: «Ich bekam nicht annähernd die feine und leichte Qualität wie an der Vorführung gezeigt, sondern schwere und dicke Ware.» Sie rügte den Mangel sofort, doch Vital-Line lehnte die Rücknahme ab – und blieb bei dieser Weigerung, selbst als Keller mit einer Expertise beweisen konnte, dass die gelieferte Ware falsch deklariert war.

Verena Keller reichte Klage beim Friedensrichter ein: Vital-Line blieb der Verhandlung unentschuldigt fern. Erst vor Bezirksgericht lenkte die Firma ein. Doch auch nach der Gerichtsverfügung musste Verena Keller nochmals eingeschrieben mahnen, bis ihr Vital-Line den Kaufpreis zurückzahlte. «Dank den 350 Franken Prozessentschädigung habe ich unter dem Strich nichts verloren. Doch den Zeitaufwand und den Ärger ersetzt mir niemand», fasst sie den zehnmonatigen Kampf zusammen.

Gewinnversprechen: Die Rechtslage

«Lässt sich denn gegen solche Gewinnversprechen rechtlich nichts machen?», fragen viele Ratsuchende am Beratungstelefon. Die Antwort ist einfach und kompliziert zugleich.

Thomas Koller, Rechtsprofessor an der Universität Bern: «Betrachtet man das Gewinnversprechen als Offerte und wertet das Einfordern des Gewinns als Akzept, kommt ein Vertrag zustande.» Doch Koller warnt: «Der Teufel steckt im Detail.»

Nur wenn die Gewinnzusage so formuliert ist, dass sie der Empfänger nach Treu und Glauben als Versprechen ernst nehmen darf, ist sie bindend.

Nun sind aber all die zirkulierenden Gewinnunterlagen mit ihren zahlreichen Scheinen oft sehr verwirrend, die Formulierungen perfid. Das bedeutet: Ob ein Gewinn eingefordert werden kann, lässt sich nur konkret und im Einzelfall beantworten.

Dementsprechend schwierig ist es, die Prozesschancen abzuschätzen. «Prozesse sind für den Kläger schlicht zu riskant», sagt Thomas Koller. Und auch ein Musterprozess bringt wenig, weil die Firmen, selbst wenn es einmal zu einer Gewinnzusage käme, sofort mit geänderten, aber gleichwohl werbewirksamen Gewinnversprechen wieder auftreten könnten. Das ganze Spiel – sprich: die aufwändige Prüfung und Beurteilung – finge von vorne an.

Kürzlich hat wieder einmal ein Gewinner versucht, seinen Gewinn gerichtlich einzufordern. Es kam sogar zu einem konsumentenfreundlichen Urteil, wie die «Schweizerische Juristen-Zeitung» berichtete. Geld gesehen hat der erfolgreich klagende Gewinner dennoch nie. Denn als sein Anwalt das zugesprochene Geld, rund 5000 Franken, bei der Versandhandelsfirma einfordern wollte, erwies sich diese als zahlungsunfähig.

Dennoch sind Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber Gewinnversprechen nicht ganz machtlos. Thomas Koller rät zu einem, wie er selber einräumt, zwar «unjuristischen, aber wirksamen» Gegenmittel: «Nichts bestellen, nichts kaufen, weg damit ins Altpapier! Denn die Werbewirkung von Altpapier ist bekanntlich gering.»