Wenn Claudia S. meditiert, erinnert nichts an einen buddhistischen Mönch. Mit vorgeneigtem Kopf sitzt sie auf einem Stuhl, in Pullover und Jeans, die Hände auf den Oberschenkeln, die Augen geschlossen. Kerzen, Weihrauch oder monotone Singsangmusik fehlen.

Die junge Frau sieht aus, als mache sie ein Nickerchen. Doch der erste Eindruck täuscht. Fast lautlos summt sie ein Mantra vor sich hin, einen Wortteil aus dem indischen Sanskrit. Bei diesem «inneren Klang» vergisst sie alles andere.

Nach einer Viertelstunde schlägt die scheinbar Versunkene die Augen auf, setzt sich gerade hin und fühlt sich «einfach wunderbar».

Das Meditieren ist für Claudia S. nicht mehr aus dem Leben wegzudenken: «Es hat mir bei Prüfungen, Liebeskummer und in anderen Stresssituationen geholfen.»

Meditieren bedeutet im Buddhismus «müheloses Verweilen in dem, was ist» – im eigenen Körper, einer eigenen Welt. In einer Art Selbsthypnose lockert sich bei der Meditation die intellektuelle Kontrolle über Fantasien, Wünsche und Erinnerungen. Ohne die Lenkung durch den Verstand werden verschüttete Gefühle freigesetzt. «Die Freisetzung des Unbewussten baut nicht nur Stress ab, die innere Entspannung führt auch zu mehr äusserlicher Gelassenheit», sagt Claudia S.

Meditieren ist auch gut für die körperliche Fitness. Verschiedenste positive Veränderungen von Körperfunktionen sind wissenschaftlich nachgewiesen. So sinken etwa während des Meditierens der Blutdruck und der Sauerstoffverbrauch sowie die Atem- und die Pulsfrequenz. Zudem nimmt die Durchblutung von Muskeln und Haut zu.

Die Gehirnströme von Meditierenden senden regelmässige Alphawellen aus, was auf einen Zustand von «entspannter Wachheit» hinweist. Die Funktionen des Nervensystems werden optimiert. Dies wiederum beeinflusst eine ganze Reihe von biochemischen und hormonellen Veränderungen, die Stress beseitigen.

Meditative Zustände lassen sich auf verschiedene Weise erreichen. Zum Beispiel durch intensives Betrachten des eigenen Spiegelbilds (Spiegelmeditation) oder mit Hilfe von Klängen (Klangmeditation). Auch beim Beten kann man meditieren. Viele Kirchen bieten Kurse an.

«Jeder Eindruck braucht auch Ausdruck», stellte der österreichische Psychoanalytiker Wilhelm Reich fest, als er sich mit der seelischen Verarbeitung zurückgehaltener Gefühle beschäftigte. Dieses Ziel verfolgt die so genannte dynamische Meditation. Sie soll besonders gut von angestauten Ängsten und Ärger befreien. Beim dynamischen Meditieren geht es manchmal auch hoch zu und her: Die Akteurinnen und Akteure tanzen wie Derwische, lachen aus vollem Hals oder sprechen sinnlose Silben vor sich hin.

Auch der gleichmässige Rhythmus beim Joggen ist für viele eine Art Meditation. Denn wer sich körperlich verausgabt, schaltet das aktive Denken aus und erreicht eine innere Stille, während der Körper äusserlich in Bewegung ist.

Meditation gegen Suchtprobleme
Meditieren ist nicht nur Balsam für die Seele, es hilft auch bei psychosomatischen Problemen. Die innere Einkehr reduziert Ängste, vermindert Schlaflosigkeit und Unruhe und wirkt gegen Erschöpfung und Ermüdung.

Auch Suchttherapeuten verwenden Meditationstechniken in ihren Behandlungsprogrammen, und Krankheiten wie Ohrensausen (Tinnitus) und Schuppenflechte lassen sich durch Meditation günstig beeinflussen. Ärzte führen dies vor allem auf den Stressabbau zurück.

Das Erlernen der verschiedenen Meditationsmethoden ist nicht schwierig, aber es braucht Disziplin. «Mit dem Meditieren ist es wie mit dem Klavierspielen», sagt Claudia S., «Ubung macht die Meisterin.» Nur wer regelmässig meditiert, kann davon profitieren. «Doch das fällt meistens nicht schwer, denn man erkennt rasch, wie gut diese Zeit investiert ist.»