Marianna Meier-Fakiv aus Meilen ZH hatte die Hälfte des Schulgelds für den einjährigen Deutschkurs ihres Stiefsohns aus den Malediven bereits bezahlt, als der Entscheid der Zürcher Fremdenpolizei eintraf: Das Gesuch für ein Studentenvisum wurde abgelehnt. Die Begründung lautete wie fast immer, wenn Schweizer Behörden Visagesuche zurückweisen: Die Ausreise sei nicht gesichert. Die Fremdenpolizei unterstellte indirekt, dass der 20-Jährige hier untertauchen oder ein Asylgesuch stellen könnte.

Der Entscheid habe sie «vor den Kopf gestossen», sagt Marianna Meier-Fakiv. Sie hatte einen zeitaufwändigen bürokratischen Hürdenlauf hinter sich und alle formellen Anforderungen erfüllt, die an Gastgeber von Ausländern gestellt werden. Unter anderem lag eine notariell beglaubigte Garantieerklärung über 30'000 Franken vor: Meier-Fakiv wäre für allfällige Kosten aufgekommen, die der Aufenthalt ihres Gastes verursacht hätte. Auch für die fristgerechte Wiederausreise ihres Stiefsohns bürgte sie schriftlich. Umsonst.

«Ich weiss nicht, was wir sonst noch hätten tun können», sagt sie resigniert. Von einem Rekurs riet ihr ein Rechtsanwalt ab: Die Erfolgschancen seien zu gering. Ausserdem hätte sie einen Kostenvorschuss von 500 bis 700 Franken leisten müssen – im Fall eines negativen Bescheids hätte Meier-Fakiv das ganze Geld verloren. «Das ist doch reine Willkür.»

Kein Rechtsanspruch auf ein Visum
Darf sich der Staat so direkt in persönliche Angelegenheiten wie den Besuch eines Familienangehörigen mischen? Er darf: Es besteht kein Rechtsanspruch auf ein Besuchervisum, nicht einmal für Kinder von Schweizer Bürgern.

Das musste auch Vincent Touré (Name geändert) erfahren, ein seit langem in der Schweiz eingebürgerter Kongolese. Seine Mutter und die Mutter seiner Tochter hatten ein Touristenvisum beantragt. Tourés Tochter, ebenfalls Schweizer Bürgerin, hatte ein Kind geboren. Nun wollte die Grossfamilie zum ersten Mal zusammenkommen.

Das Gesuch wurde vom Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (Imes) abgelehnt – mit der Begründung, die Ausreise der Frauen sei wegen der politischen und wirtschaftlichen Lage im Heimatland nicht gesichert. Tourés Garantieerklärung, dass er für Kosten und Ausreise der beiden Frauen aufkommen würde, fand keine Berücksichtigung.

Elisabeth Schönbucher Adjani, Tourés Anwältin, legte gegen den Entscheid Beschwerde ein. Sie stellte sich auf den Standpunkt, die Mutter sei im Heimatland im Familienverband gut verankert und verwalte die Besitztümer der Familie – gute Gründe für eine ordnungsgemässe Rückkehr. Überdies sei die Achtung des Familienlebens ein in der Schweizer Verfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiertes Grundrecht.

Auch die Beschwerde wurde abgelehnt. Die Mutter sei allein stehend und habe gegenüber ihren volljährigen Kindern keine Verpflichtungen mehr. Falls der Sohn seine Mutter sehen wolle, könne ja er nach Afrika reisen, steht in der Urteilsbegründung. «Sie ist gespickt mit nicht belegten Annahmen und Vorurteilen», ärgert sich die Anwältin. Dazu gehört etwa eine süffisante Bemerkung, dass der Antragsteller seinerzeit selber als Asylbewerber in die Schweiz gekommen sei.

Besonders stossend findet Schönbucher Adjani das Argument der Beschwerdeinstanz, eine Garantieerklärung habe «lediglich moralisch verbindlichen Charakter» und sei, selbst wenn sie «in bester und ehrlicher Absicht abgegeben» werde, «mangels Vollstreckbarkeit rechtlich nicht relevant». «Warum wird denn überhaupt eine Garantieerklärung verlangt?», fragt sich Schönbucher Adjani und ist überzeugt, dass Visagesuche von Menschen aus bestimmten Ländern von vornherein aussichtslos seien.

«Kontrollinstrument der Migration»
Womit sie nicht ganz falsch liegt. Stephan Häberli, Jurist der Imes-Sektion Visum und Grenzkontrolle, räumt ein, dass die Visumerteilung als «Kontrollinstrument der Migrationspolitik» genutzt werde. Die Beurteilung eines Gesuchs sei auch davon abhängig, woher ein Antragsteller stamme. Häberli: «In bestimmten Weltregionen, insbesondere in Schwarzafrika, ist der Migrationsdruck sehr hoch.» Die Einwanderungsbehörden wollten verhindern, dass Menschen aus solchen Regionen mit einem Touristenvisum in die Schweiz gelangten und dann untertauchten. Der Eindruck, die Schweiz behandle Gesuche restriktiv, sei aber falsch, so Häberli, nach wie vor würden mehr Visa ausgestellt als abgelehnt.

Nicht nachvollziehbar sind negative Entscheide, wenn Gesuchstellern legales Handeln zum Vorwurf gemacht wird. Diese Erfahrung musste der Sohn eines Mannes aus dem ehemaligen Jugoslawien machen, der seinen Vater in der Schweiz besuchen wollte. Das Touristenvisum wurde mit der Begründung verweigert, der Sohn habe vor einigen Jahren – erfolglos – ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung gestellt, weshalb seine Wiederausreise aus der Schweiz nicht gesichert sei.

Der Vater, der schon seit Jahren als Krankenpfleger in der Schweiz arbeitet, will sich einbürgern lassen. «Würde mein Sohn nicht wieder ausreisen, bekäme ich Probleme mit den Behörden – auch in Bezug auf die Einbürgerung. Das kann nicht in meinem Interesse sein», sagt er. Er will anonym bleiben, um seine Einbürgerung nicht zu gefährden.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Walter Strahm aus Laupen BE. Zunächst wurde seiner Freundin aus Manila das Touristenvisum verweigert. Strahm setzte daraufhin alle Hebel in Bewegung, bis er den verantwortlichen Sachbearbeiter im Imes persönlich am Telefon hatte. Er erklärte ihm, er wolle seine Freundin besser kennen lernen, bevor er konkrete Heiratspläne schmiede.

Guter Draht zum Sachbearbeiter hilft
Der Sachbearbeiter wollte ihn zunächst abwimmeln, empfahl ihm aber im Verlauf des Gesprächs, ein Wiedererwägungsgesuch und weitere Dokumente wie seinen Lebenslauf einzureichen. Dem Gesuch wurde schliesslich stattgegeben. «Irgendwie fand ich einen guten Draht zu ihm, sonst wäre es hoffnungslos gewesen», erklärt sich Walter Strahm sein Glück.

Solche Hoffnungen macht sich Marianna Meier-Fakiv nicht mehr. Sie wäre schon froh, wenn ihr das eingezahlte Schulgeld für den Deutschkurs ihres Stiefsohns zurückerstattet würde.