Der Plan war gut: Dank Sonnenenergie sollte Rolf Scheuber nach seiner Pensionierung im Jahr 2018 stets ein paar zusätzliche Franken übrig haben. Im Sommer 2014 installierte er Solarpanels auf dem Dach seines Hauses in Biel-Benken. Die Fotovoltaikanlage leistet gut 13 Kilowatt und liefert pro Jahr knapp 13'000 Kilowattstunden Strom – mehr, als er benötigt. Der Überschuss fliesst zum festgesetzten Minimalpreis von sechs Rappen pro Kilowattstunde ins Netz des lokalen Elektrizitätswerks.

Der Bund fördert Solarstrom und stellte Scheuber vor die Wahl: Entweder bezieht er einen einmaligen Beitrag an die Investitionskosten, die Einmalvergütung. Oder er erhält über zwölf Jahre eine sogenannte kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für seinen überschüssigen Strom. Der Haken: Für die KEV bestand damals schon eine lange Warteliste. Den einmaligen Beitrag hätte er hingegen sofort erhalten.

 

«Die 3000 Franken im Jahr wären ein willkommener Zustupf zur Rente gewesen.»

Rolf Scheuber, Besitzer einer Solaranlage 

 

Rolf Scheuber, von Beruf Treuhänder, rechnete: Die Anlage kostete ihn 42'000 Franken. Als einmalige Vergütung hätte er 12'500 Franken erhalten, also etwa einen Drittel der Investitionskosten. Vom Elektrizitätswerk erhielte er zusätzlich pro Jahr rund 1100 Franken. Mit der Variante Einmalvergütung hätte die Anlage sich also in 27 Jahren amortisiert. Die KEV dagegen hätte jährlich 3000 Franken betragen. Die Kosten wären so in 17 Jahren gedeckt gewesen: Zwölf Jahre mit KEV und gut fünf mit Minimalvergütung. Scheuber entschied sich für diese Variante. «Die 3000 Franken im Jahr wären zudem ein willkommener Zustupf zur künftigen Rente gewesen.»

Eben: ein feiner Plan

Doch dann kam das neue Energiegesetz. Auch Rolf Scheuber legte am 21. Mai 2017 ein Ja in die Urne. Das Kleingedruckte hatte er nicht gelesen. Er erhielt es am 8. Dezember per Post nachgeliefert – von der Swissgrid, der nationalen Stromnetzbetreiberin, die bis Ende 2017 für die Auszahlung der Fördergelder verantwortlich war. Sie liess ihn wissen, dass seine Anlage neu keine KEV mehr erhalten könne, nur noch die Einmalvergütung; KEV gäbe es lediglich für Anlagen mit einer Leistung ab 100 Kilowatt. Entsprechend den Übergangsbestimmungen im neuen Gesetz gelte das auch für Anlagen, die bereits in Betrieb seien und auf der Warteliste für die KEV stünden.

Rolf Scheuber wunderte sich: «Wo ist das vielgelobte Demokratieverständnis von Frau Bundesrätin Leuthard geblieben, wenn die Regeln während des Spiels einfach so geändert werden?», schrieb er der Swissgrid zurück. Diese konnte ihm aber nicht entgegenkommen – Gesetz ist Gesetz. Scheuber fühlt sich verschaukelt. «Als ich mich zwischen KEV und Einmalvergütung entscheiden sollte, hiess es klipp und klar, diese Wahl sei endgültig und könne nachträglich nicht geändert werden. Aber anscheinend galt das nur für eine Seite.»

14'500

bereits laufende Solaranlagen stehen auf der Warteliste – ihre Betreiber erhielten noch kein Fördergeld. 

«Nie eine Garantie»

Beim Bundesamt für Energie versteht man den Ärger. Sprecherin Angela Brunner sagt aber: «Die Aufnahme auf die Warteliste war nie eine Garantie, dass man die KEV auch tatsächlich erhält.» Man wolle die KEV-Warteliste verkürzen. Sie wurde immer länger, weil nicht genug Geld zur Verfügung steht. Die Einmalvergütung deckt maximal 30 Prozent der Investitionskosten; mit dem gleichen Geld können deshalb mehr Anlagen gefördert werden als mit der Einspeisevergütung.

Rolf Scheuber fragt sich jetzt vor allem, wie lange er noch Geduld haben muss. «Auf der neuen Warteliste stehen rund 14'500 Anlagen, die bereits in Betrieb sind und deshalb Vorrang haben», sagt René Burkhard, Geschäftsleiter der Swissgrid-Tochter Pronovo AG. Sie ist seit Anfang Jahr zuständig für das Verteilen der Fördergelder. Der neue Player steigt mit einer guten Nachricht ein: Im März wurde das Kontingent für Anlagen wie jene von Rolf Scheuber aufgestockt. «Wir können noch dieses Jahr alle Betreiber auszahlen, die ihre Anlage bis zum Stichtag vom 15. September 2015 in Betrieb genommen haben», so Burkhard.

Scheuber kommt also von einer Warteliste auf die nächste. Immerhin: Hier ist die Schlange nun deutlich kürzer. 

Privaten Solarstrom effektiver nutzen

Wer eine Fotovoltaikanlage hat, freut sich über sauberen Strom und ein Stück Unabhängigkeit. Ärgerlich ist aber, dass die Stromquelle oft sprudelt, wenn man sie nicht braucht – etwa weil man tagsüber bei der Arbeit ist. Wenn man abends Wäsche waschen oder kochen will, muss man teuren Strom aus dem Netz kaufen. Doch es gibt neue Ideen zur besseren Nutzung der selber produzierten Energie.

Virtuell vom Nachbarn

Die eine Idee orientiert sich an Gedanken, die wir von Uber oder Airbnb kennen. Nur dass es nicht um ungenutzte Betten oder Fahrzeuge geht, sondern um ungenutzten Solarstrom. Mit Hilfe der App Change38 können Nachbarn sehen, wo um sie herum mehr Strom produziert als genutzt wird. Diesen Strom können sie über ihr Elektrizitätswerk beziehen. Ein Pilotprojekt dazu läuft in Basel. Dort hat das Start-up In Situ Energy gemeinsam mit dem Energieversorger IWB die Idee umgesetzt. Da es allerdings noch nicht möglich ist, Strom direkt nach nebenan zu schicken, bleibt der Ausgleich innerhalb der Nachbarschaft vorerst virtuell. Doch zumindest im Portemonnaie des Stromproduzenten macht sich die Sache bemerkbar. Er bekommt vom Elektrizitätswerk zusätzlich zur üblichen Einspeisevergütung einen Bonus, wenn ein Nachbar «seinen» Strom bezieht.

Günstigere Batterien

Die andere Idee ist ganz real: Statt Energie ins Netz einzuspeisen, kann man sie zu Hause speichern. Aktuell nutzen Besitzer einer Fotovoltaikanlage nur gerade 30 Prozent des eigenen Stroms. Laut dem Branchenverband Swissolar lässt sich dieser Anteil durch den Einsatz eines Speichers auf 60 Prozent erhöhen.

Bis jetzt hat sich die Anschaffung von Batterien aber finanziell nicht gelohnt. Das ändert sich gerade. Die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (Irena) prognostiziert, dass bis 2030 die Preise für Batteriespeicher um 66 Prozent fallen. Deswegen erwartet man 17-mal so viel Heimspeicher, denn auch ältere Anlagen lassen sich damit nachrüsten.

Zudem soll die Lebensdauer der als Speichermedium eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien künftig steigen. Und die Kosten könnten durch neue Technologien weiter sinken. (Anja Martin)

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