Wir feiern 30 Jahre Beobachter.ch – es begann mit einem Modedesigner
Der Beobachter war schneller online als der «Blick», die deutsche «Bild» und die «New York Times». Ein kleiner Rückblick zum Geburtstag.
Veröffentlicht am 30. Oktober 2025 - 06:00 Uhr

Die Beobachter-Website im Jahr 1996.
In der Politikwissenschaft gibt es die sogenannte «3,5-Prozent-Regel». Die besagt, dass es für eine garantiert erfolgreiche Revolution 3,5 Prozent der Bevölkerung braucht. Sobald so viele gegen die alte Ordnung auf die Strasse gehen, stürzt die. Die Regel hat ihre Kritiker, logisch, aber auf das Schweizer Internet passt sie ganz gut.
1995, als Beobachter.ch aufgeschaltet wird, sind ziemlich genau 3,5 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer mit dem Internet verbunden. Mit seiner Website ist der Beobachter schneller online als der «Blick», die deutsche «Bild» und schlägt sogar die «New York Times».
Von pfeifenden Modems zu Glasfaser und 5G
Erst einmal ist die Internetrevolution 480 Pixel breit und handgemacht. 1996 baut Markus Hasler die erste richtige Beobachter-Website. Eigentlich ist er Modedesigner. Aber Grafiker, die sich beruflich auf das Internet einlassen wollen, sind rar. Zu unsicher, ob das Ganze nicht eine kurze Modeerscheinung ist – so schnell wieder verschwunden wie das Tamagotchi oder The Verve.
Also designt und pflegt Quereinsteiger Hasler Beobachter.ch, zusammen mit zwei Arbeitskollegen der Update AG. «Es war eine lustige Zeit, wir konnten viel experimentieren», sagt er. Alle zwei Wochen stellen sie eine Handvoll Artikel aus dem Heft ins Internet. Sprich: Sie programmieren die Texte in HTML-Code und verlinken sie dann mit der Startseite. «Manche Artikel hatten ein Bild. Serifenschrift war aber verboten, weil man das bei der kleinen Auflösung nicht gut lesen konnte.»
Ein Jahr nachdem Hasler die ersten Beobachter-Texte online gestellt hat, sind schon fünfmal so viele Schweizer online. Und 1999 schon zehnmal.
Aus 480 Pixel werden 640, dann 720, 1080 … Heute hat ein vernünftiger Monitor 4000 und aufwärts. Der Internet Explorer frisst zuerst den Netscape-Browser. Dann bekommt er Konkurrenz von Firefox und Opera, und heute dominieren Safari und Chrome. DSL lässt das pfeifende Dial-up-Modem verstummen. Heute surft, wer kann, per Glasfaser und ärgert sich, wenn im Zug kein 5G zu haben ist. Zuerst kommt der PDA in die Hosentasche, dann der Blackberry, dann das iPhone.
1995 ist der Beobachter ein gedrucktes Magazin mit einer Visitenkarte im Internet. 2025 ist er einfach dort, wo man ihn gerade braucht und möchte. Rechtsberatung liefert der Beobachter auch als Kurzvideo auf Instagram. Wem eine Recherche im Heft gefallen hat, scannt den passenden QR-Code und liest in der App weiter. Wen nur die Gesundheitsthemen interessieren, lässt sich diese jeden Montag per E-Mail schicken. Die bewegende Geschichte des Mannes, der am Mord seiner Mutter fast zu Grunde ging, wird in fünf Teilen als Podcast erzählt.
Kurz: Der Beobachter ist immer mehr zur Wolke geworden. Je nachdem, was man von ihm möchte und wo man ihm begegnet, sieht er ein bisschen anders aus.
Trotzdem tut er im Kern überall immer noch dasselbe: Er liefert verlässliche Informationen. Darüber, wie die Schweiz ist, wie sie funktioniert – und wie sie sich ändern muss, damit sie gerechter wird. Er gibt dem einzelnen die Hebel des Rechts in die Hand und setzt sich für eine gerechtere Gesellschaft ein. Schon fast seit 100 Jahren tut er das offline und seit 30 Jahren online.
Und wenn die nächste Revolution um die Ecke kommt, dann ziemlich sicher auch dort.
- «Spectrum»: Mit 3.5 Prozent der Bevölkerung gelingt die Revolution
- Historisches Lexikon der Schweiz: Internet