«Du hast ja Glück», sagte ein junger Flight-Attendant zu Werner Kohler (Bild), Maître de Cabine der Swissair. «Für dich beginnt nun das Pensioniertenleben, du musst dich nicht mehr um deinen Job kümmern.» Was der Youngster nicht wusste: Statt der erwarteten 7600 Franken Pension kann der 57-jährige Kohler gerade mal mit 4000 Franken rechnen. Wenig für einen Familienvater mit erwachsenen Kindern. Wenig für einen Mitarbeiter, der seit 1968 mit Begeisterung dabei ist: erst als Steward, dann als Chefsteward und schliesslich als Maître de Cabine.

Zwar lässt das Pensionsalter 57 fürs Kabinenpersonal der Swissair Gleichaltrige neidisch werden. Doch die frühe Rente ist nicht etwa ein Überbleibsel aus den goldenen Jahren der Hochkonjunktur. Die Arbeit in der Luft ist mit gewichtigen Nachteilen verbunden. Neben dem immer rüpelhafteren Verhalten gewisser Passagiere sind es die langen, unregelmässigen Arbeitszeiten und die Zeitverschiebungen, die beim Personal oft zu gesundheitlichen Problemen führen.

Rente war sicher – bis zum Crash
Schon vor Jahren kam die Swissair mit dem Kabinenpersonal überein, dass diese Belastungen mit der frühzeitigen Pensionierung abgegolten werden sollen – im Alter von 57 Jahren. Das Problem dabei: Auf die AHV-Gelder muss der Frühpensionierte noch acht Jahre warten. Die Swissair schoss deshalb regelmässig Geld in einen Fonds ein.

Daraus erhielt die Crew der Fluglinie die Gelder, die ihr fehlten – den Männern bis zum Alter von 65 und den Frauen bis zum Alter von 63 Jahren. Den Mitarbeitern bescherte das einen gesicherten Ruhestand – jedenfalls bis Anfang Oktober 2001. Denn da erklärte sich die Swissair für zahlungsunfähig und stellte auch die Zahlungen in den Fonds des Kabinenpersonals ein.

Wer seither in den Ruhestand treten soll, blickt seinen Rententräumen hinterher. Allein bis Ende Jahr sind dies noch rund 30 Personen – mehr als üblich. Etliche haben die Pensionierung nämlich aus Steuergründen einige Monate vorgezogen. Wer sich vor dem 1. November 2001 pensionieren lässt, muss nur 80 Prozent seiner Rente versteuern. Später sind es 100 Prozent.

Ein Steuervorteil, an den Werner Kohler heute schon gar nicht mehr denkt. Er sieht sich vielmehr mit der existenziellen Frage konfrontiert, wie er mit 4000 Franken das Leben fristen und sein Eigenheim unterhalten soll. Kohler kommt ausserdem um den Genuss zweier Gratisflüge pro Jahr und von Stand-by-Flügen. Solche Billigflüge konnten die Pensionierten bisher in unbeschränkter Zahl beziehen. Nun fühlt sich der ehemalige Maître de Cabine zu Recht betrogen.

Noch schwerer hat es sein gleichaltriger Kollege Alex Pfister. Dessen Tochter steckt mitten in der Ausbildung als Informatikerin. Das kostet satte 9600 Franken pro Semester. Dem Sohn hat er den Besuch einer Hotelfachschule in Aussicht gestellt – pro Jahr über 20'000 Franken. Alex Pfister: «Aus der Pensionierung wird nichts. Ich schreibe Bewerbungen, damit ich bis 65 weiterarbeiten kann.»

Die betroffenen Flight-Attendants und Maîtres de Cabine haben sich inzwischen einen Anwalt genommen. Auch der Verband des Kabinenpersonals ist aktiv geworden. Er verlangt, dass die Crossair die Regelungen weiterführt, die bei der Swissair galten, und stützt sich dabei auf Artikel 333 des Obligationenrechts. Demnach gehen die Arbeitsverträge samt Rechten und Pflichten auf den neuen Arbeitgeber über, wenn dieser einen Betrieb übernimmt.

Die Crossair will aber von einer Übernahme «mit allen Rechten und Pflichten» nichts wissen. Sie selbst kennt für das Kabinenpersonal das Rentenalter 65 für Männer und 64 für Frauen. Bleibt Werner Kohler, Alex Pfister und ihren Kollegen die Hoffnung, dass aus der Konkursmasse der Swissair oder aus den freien Stiftungsmitteln der Pensionskasse etwas für sie abfällt. Doch diese Hoffnung ist eher schwach.