21_99_schafe.jpgWer hat sich nicht schon mal in eine weiche Wolldecke geschmiegt oder einen flauschigen Wollpullover gestreichelt? Wir alle lieben Wolle, dieses reine, sinnliche Naturprodukt.

Das Wolltier ist in der Schweiz gut vertreten: 420000 Schafe zählt unser Land, verteilt auf 20000 Schafhalter. Sie alle kämpfen mit dem gleichen Problem: Die Wollproduktion rentiert nicht mehr. Das ist zwar schon lange so, nur nahm man diesen Zustand hin, weil der Bund ja immer noch fleissig Subventionen ausschüttet. Anderthalb Millionen Franken zahlt er allein an die Wollproduktion die gesamten Direktzahlungen an die Schafhalter belaufen sich gar auf 33 Millionen.

Doch nun will der Staat den Geldhahn für die inländische Naturfaser zudrehen: Dieses Jahr werden die Wollproduktionssubventionen auf eine Million heruntergekürzt. Bis zum Jahr 2004 soll die staatliche Geldquelle ganz versiegen.

Das Scheren lohnt sich nicht mehr

«Es lohnt sich nicht mehr, die Wolle zu verkaufen», sagt Markus Schneeberger, Geschäftsführer des Schweizerischen Schafzuchtverbandes. Pro Schur gibt ein Schaf zwei bis drei Kilogramm Wolle. Dafür erhält der Besitzer von der Inlandwollzentrale drei bis vier Franken. Allein die Schur aber kostet pro Schaf schon fünf Franken. Wenn man die Zeit rechnet, um die Wolle zu sortieren, und die Transport- oder Portokosten hinzuzählt, bleiben unter dem Strich nur rote Zahlen. Schneeberger: «Viele Schafhalter sind dazu übergegangen, die Wolle fortzuwerfen.»

Schweizer Schafe liefern pro Jahr 600 Tonnen Wolle an die Inlandwollzentrale. 600 Tonnen von guter, aber nicht absolut hochwertiger Qualität. Die Bekleidungsmittelindustrie verlangt nach feiner Merinowolle, die vorwiegend aus Australien oder Neuseeland importiert wird. Die Schur des weissen Alpenschafs dagegen wird vielfach anderen Wollarten beigemischt oder für Steppdecken oder Teppiche verwendet. «Wenn die bessere Ware aus dem Ausland gleich viel kostet», sagt Markus Schneeberger, «sind wir nicht mehr konkurrenzfähig.»

Wie viele Naturprodukte ist auch die Wolle ein Opfer des globalisierten Marktes geworden. Der Weltmarktpreis für die 1,5 Millionen Tonnen Schafhaare, die jedes Jahr weltweit produziert werden, ist heute auf dem historischen Tiefstand. Zusätzlich machen neue Kunstfasern dem Naturprodukt den Garaus.

Freilich ist die Wollproduktion für die Schweizer Schafhalter nur ein Supplement. Viel wichtiger ist das Fleisch der Tiere. Die Einkünfte aus der Haltung der blökenden Herden stammen zu 98 Prozent aus der Fleischproduktion. Lammfleisch ist beliebt: Schweizer Schafproduzenten vermögen den einheimischen Bedarf nicht zu decken über die Hälfte des hierzulande verzehrten Schaffleisches muss importiert werden. Trotzdem ist auch der Fleischpreis ins Rutschen geraten.

Neue Ideen sind nötig

Die Schafhalter stehen also gleich doppelt unter Druck. Und mit den versiegenden Subventionen für die Wollproduktion dürfte sich ihre Situation zusätzlich verschärfen.

Die Devise heisst deshalb: Eigeninitiative und Kreativität entwickeln. Denn an neuen Verwendungszwecken für Wolle fehlt es nicht. Aufgrund ihrer hohen Selbstentzündungstemperatur ist das Naturprodukt gut geeignet als Isolationsmaterial für Bauten. Und um Bäume gebunden, kann es ideal vor Wildschäden schützen.

Mit der Wollverarbeitung sind aber auch traditionelle, fast vergessene Handfertigkeiten wie das Filzen verbunden. Auch diese sollen wieder zum Leben erweckt werden. Bereits tun sich in der Schweiz immer mehr erfinderische Bauern und Schafhalter zusammen, um Wolle selber zu verarbeiten und zu vertreiben.

Ein Beispiel dafür ist die Gruppe «pURI Wullä» im Kanton Uri. In Heimarbeit waschen und karden Bäuerinnen die Wolle und stellen daraus Steppdecken, Kissen oder verschiedene Produkte aus Filz her, beispielsweise Hüte oder Gilets. Die Tätigkeit zahlt sich wirtschaftlich für die Heimarbeiterinnen aus, ebenso für die Schafhalter, die zwar an ihrer Wolle auch hier nicht viel verdienen, aber sie zumindest ohne Aufwand loswerden können.

«Wichtig an der ganzen Sache ist, dass die Bauern den Wert der Wolle wieder schätzen lernen», sagt die bäuerlich-hauswirtschaftliche Beraterin Frieda Steffen. Und zukunftsweisend sind solche Modelle auch in finanzieller Hinsicht. Frieda Steffen: «Da ist noch viel Marktpotenzial vorhanden.»

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