Das Handy wärmt Ihnen das Gehirn auf», stand auf einem Flugblatt, das vor einiger Zeit in die Briefkästen von Oberägeri ZG flatterte. «Es verändert die Gehirnströme und führt zu einem frühzeitigen Tod.» Absender der Angstmacherpost sind das «Weltfundament für Natur-Wissenschaft» und die «Verstrahlungsfreie Schweiz» beides Ableger der Universalen Kirche (UK) mit Sitz im Kanton Bern.

Die wegen antisemitischer Aussagen in Verruf geratene theosophische Sekte (Beobachter Nr. 4/1996) hat Nachwuchsprobleme. Ein für diesen Winter angesagter Einführungskurs musste abgesagt werden. Jetzt versucht die UK, die in der Schweiz rund 300 Mitglieder zählt, mit weltlichen Themen Terrain zurückzugewinnen.

Das wichtigste Aktionsfeld ist zurzeit die Opposition gegen Mikrowellen, Mobilfunkantennen und Elektrosmog. Bereits 1999 rief Architekt Kurt Sieber aus Goldiwil BE die Organisation «Verstrahlungsfreie Schweiz» samt Regionalgruppen ins Leben. Eine davon ist der Verein «Verstrahlungsfreies Bündnerland», präsidiert vom Bad Ragazer Seminarleiter Albert Gort. Auch im Kanton Zürich ist die «Verstrahlungsfreie Schweiz» präsent, dort tritt die UK-Rechtsanwältin Claudia Zumtaugwald als Kontaktperson auf. Für einen «strahlenlosen» Kanton Bern wirbelt Sieber. Und in Zug gelang es einer UK-Frau, eine bereits bestehende Bürgerinitiative in «Verstrahlungsfreies Zug» umzutaufen.

Doch die Freude währte nicht lange. Als der Vorstand den Sektenhintergrund erkannte, änderte er flugs den Namen, und die UK-Frau verliess den Verein. «Die wollten uns in ein schweizweites Netz integrieren», sagt Vizepräsident Peter Hieronymi.

Die theosophische Sekte leistete ganze Arbeit: Wer immer sich im Kanton Zug in Sachen Elektrosmog engagierte, erhielt Einladungen der UK-Gruppen. «UK-Anhänger nützen Ängste aus mit dem Ziel, Nachwuchs zu rekrutieren», sagt die Zuger Kantonsrätin Anne Ithen. «In den Bürgergruppen lernen sie die Leute kennen und versuchen dann, diese an eigene Veranstaltungen zu locken.»

Einladungen gabs auch zu einer Tagung «für interessierte Mitarbeiter an einer verstrahlungsfreien Schweiz». Referent: Hans U. Hertel, wichtiges UK-Mitglied und Präsident des «Weltfundaments für Natur-Wissenschaft». Viel sagend hiess es, die Teilnahme bedinge «die Bereitschaft, sich für etwas Neues aufzumachen und ein offenes System zu werden».

Inzwischen müssen Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer ausserordentlich offen sein, denn seit letztem Herbst vermischen sich antisemitische Hetze und der Kampf gegen den Mobilfunk immer mehr zu einer einzigen «Theorie». Im letzten VS-Rundbrief wird der Siegeszug der Handys als Strategie der «Weisen von Zion» und auch «unserer, den Zionisten hörigen Landesregierung» dargestellt. Da der Mobilfunk die Männer unfruchtbar mache, würden die Handys für das zionistische Ziel einer drastischen Bevölkerungsreduktion eingesetzt. Selbst Christoph Blocher wird im VS-Rundbrief als «Mitdiener am Zionismus» denunziert.

In den diversen Bürgergruppen gegen weitere Natelantennen sind die Meinungen über den Umgang mit der «Verstrahlungsfreien Schweiz» gespalten. Während die einen ein Zusammengehen mit bekennenden Antisemiten grundsätzlich ablehnen, plädieren andere dafür, keinesfalls Mitstreiter zu verlieren.

Unheilige Allianzen geschlossen

Zu den Letzteren zählt Hans Ulrich Jakob aus Schwarzenburg BE, gewissermassen der Doyen dieser Gruppen. Er trat wiederholt an Veranstaltungen der Universalen Kirche auf, und obwohl die Chemie zwischen ihm und dem Duo Hertel/Sieber nicht mehr stimmt, hält er eisern an seiner Doktrin fest: «Wir können die Leute nicht auswählen. Wir müssen jene nehmen, die gewillt sind, mitzustreiten.»

Die schweizerische Energie-Stiftung hingegen will mit Hertel, Sieber und ihren Mitstreitern nichts zu tun haben. «Wir sind nicht Mobilfunkgegner, sondern wir wollen die Belastungen auf ein Mass reduzieren, bei dem auch die Schwächsten geschützt sind», erklärt Geschäftsleiter Armin Braunwalder. «Deshalb distanzieren wir uns nicht nur von den Verharmlosern, sondern auch von einer "Verstrahlungsfreien Schweiz", die die Ängste der Leute ausnützt. Das schadet der Sache.»