Zwei Wochen vor dem Umzugstermin dachten wir schon: Das wars. Wir fürchteten, dass Bulle Maxi in die Musth gekommen war. Das ist eine Zeit, in der männliche Elefanten einen massiven Testosteronschub haben und entsprechend aggressiv sind. Da ist die Gefahr sehr gross, angegriffen zu werden – für andere Tiere, Pfleger und selbst für die Elefantenweibchen. Ein Umzug wäre unter diesen Umständen schwierig gewesen.

Wenn ein Elefant in die Musth kommt, merkt man das als Pfleger am Urin. Der riecht dann anders und schäumt, wenn man ihn beim Säubern der Anlage mit Wasser wegspritzt. Tatsächlich schäumte Maxis Urin 14 Tage vor dem Stichtag. Doch glücklicherweise hörte es dann wieder auf, aus welchen Gründen auch immer. Wäre Maxi in die Musth gekommen, hätten wir noch ein zusätzliches Problem gehabt: Elefantenkuh Indi ist hochschwanger, wir wollten sie unbedingt so früh wie möglich vor dem Geburtstermin transportieren. Sie kam am Zügeltag dann auch als Erste dran, zusammen mit ihrer Tochter Chandra.

Das Umzugs-Video
Die sensible Dame vom Zirkus Knie

Wir waren alle wirklich sehr angespannt. Was, wenn die beiden aus Stress anfangen würden rumzutröten und damit auch die anderen Tiere nervös machen würden? Aber alles ging glatt, wenn man davon absieht, dass Indi volle zwei Stunden brauchte, bis sie sich aus dem Container traute. Sie hat sich vermutlich überlegt, ob sich das lohnt oder nicht. Und sie war dann noch zwei Tage etwas durch den Wind.

Dass ausgerechnet Indi am meisten Mühe mit dem Umzug hatte, ist erstaunlich. Sie kommt vom Zirkus Knie und sollte das Reisen gewöhnt sein. Aber sie hat sowieso einen schwierigen Charakter. Sie ist nicht gern allein, zugleich tut sie sich bereits mit kleinen Veränderungen schwer.

Alle andern in der Truppe nahmen es wirklich locker. Erstaunlich war auch, dass die Elefanten, denen der Transport noch bevorstand, nicht rumbrüllten, weil sie ihre Gspäändli vermissten. Sonst geht es jeweils recht schnell, dass sie nach einander rufen.

Monatelang trainiert: Das Ziel war, dass die Tiere freiwillig in den «Zügelwagen» steigen.

Quelle: Dominic Büttner
Stosszähne kürzen? Sicher nicht!

Nach Indi und Chandra war Max an der Reihe. Er machte es wirklich bravourös, stieg auch gleich aus am neuen Ort und schien überhaupt nicht gestresst. Da wusste ich, das kommt gut. Am zweiten Tag mussten noch unsere alte Dame Druk und Ceyla mit ihrer Tochter Farha überführt werden. Auch das ging problemlos.

Weil wir ja keine Ahnung hatten, wie schnell und ob die Elefanten überhaupt mitspielen würden, hatten wir den Kran vorsichtshalber für zwei Wochen gemietet. Dass wir schon nach zwei Tagen fertig sein würden, hätte ich nie gedacht.

Die Zeit vor der Züglete war eine Zeit grosser Anspannung. Ziel war, dass der Umzug für die sechs Elefanten möglichst stressfrei vonstattengeht. Es beruht alles auf Freiwilligkeit. Die Tiere in die Container zu zwingen, wie das in vielen Zoos immer noch üblich ist, kam für uns hier in Zürich nicht in Frage.

Wir haben monatelang mit den Tieren für den grossen Tag geübt, haben sie langsam an die Transportkisten gewöhnt, haben ihnen beigebracht, aufs Target zu folgen. Das ist ein Stab, den sie mit der Stirn berühren müssen. Dann gibts einen Pfiff als Bestätigung, dass das gut und richtig war, und eine kleine Belohnung. So kann man sie etwa ans Gitter holen, um die Füsse zu pflegen, oder sie eben in den Container locken. Folgt das Tier nicht, gibts keine Belohnung, und es wird von uns ignoriert – das mögen Elefanten überhaupt nicht.

Im Vorfeld gab es auch den einen oder andern Spezialisten, die mit gut gemeinten Ratschlägen kamen, etwa dass man Maxi die Stosszähne kürzen sollte, damit er sie sich im Container nicht abbricht. Ich hielt das aber nicht für nötig – und habe glücklicherweise recht behalten. Ich kenne die Tiere ja auch schon lange. Immerhin bin ich seit 15 Jahren im Elefantenhaus tätig.

Die Tiere haben jetzt mehr Freiheiten

Dass sich die Elefanten wohl fühlen am neuen Platz, merkt man jetzt schon. Dabei dürfen sie noch gar nicht raus, die Aussenanlage und die grosse Halle sind noch nicht fertig. Sicher ungewohnt für die Tiere – und auch für uns, ehrlich gesagt – sind die neuen Gerüche hier.

Vermutlich die grösste Umstellung mit dem neuen Gehege ist aber, dass wir nie mehr zu den Elefanten reingehen, sondern nur noch durch ein Gitter geschützt mit ihnen Kontakt haben. Ich bin froh darüber. Für die Tiere, die so viel mehr Freiheiten haben als früher, aber auch für uns Pfleger. Als Revierleiter trage ich auch für die Mitarbeiter im Team die Verantwortung – und man darf nicht vergessen, dass wir es mit wirklich grossen Wildtieren zu tun haben.

Eins ist aber sicher: Streicheleinheiten für unsere Dickhäuter wird es weiterhin geben – nur eben durchs Gitter.