Kaum etwas kann einen lauen Sommerabend am Fluss so zuverlässig ruinieren wie der Auftritt eines Stechmückengeschwaders. Die Larven der Blutsauger entwickeln sich in stehenden Gewässern. Davon gibt es besonders an zum Picknick ladenden, wildromantischen Uferabschnitten meist mehr als genug.

In einem Liter Wasser finden sich bis zu 1000 Mückenlarven. Die meisten von ihnen werden gefressen, bevor sie schlüpfen. Darum haben Stechmücken bei der Eiablage eine Vorliebe für erst vor kurzem gebildete Wasseransammlungen wie etwa Pfützen. Wenn sie dort die Ersten sind, hat ihr Nachwuchs die besten Chancen. Ihre engsten Nahrungskonkurrenten, die Wasserflöhe, sind bei der Besiedlung neuer Brutplätze weniger schnell, weil sie auf einen Transport durch andere Tiere oder den Wind angewiesen sind. Man hat festgestellt, dass in Tümpeln, in denen auch Wasserflöhe leben, massiv weniger Stechmückenlarven vorkommen. Deshalb wird nun geprüft, ob man nicht Floheier gezielt ausbringen könnte, um die Mückenplage im Zaum zu halten. Gerade in einem von Hochwassern geprägten Jahr wie diesem eine verlockende Aussicht.

Es mag ein schwacher Trost sein, aber es handelt sich bei der Stechmücke nicht um eine Plage der Moderne – das älteste bekannte Exemplar wurde als Einschluss in einem gegen 80 Millionen Jahre alten Stück Bernstein gefunden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihr eine breite Palette an Wirbeltieren als Blutlieferanten diente, darunter auch diverse Dinosaurier. Stechmücken sind offensichtlich ein Erfolgsmodell der Evolution. Heute gibt es mehr als 3500 Arten, gut 100 davon auch in Europa.

Und bei aller Antipathie – sie sind selbst ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. Nicht nur die Mücken, auch ihre Eier und Larven werden von vielen Insekten, Vögeln und Fischen geschätzt. Das Problem ist, dass wir Menschen als unfreiwillige Blutspender ganz unten in dieser Nahrungskette stehen. Zwar begnügen sich die meisten Stechmücken mit Nektar und zuckerhaltigen Pflanzensäften, aber die befruchteten Weibchen brauchen zwingend Protein, um Eier produzieren zu können. Und das gewinnen sie aus dem Blut von Warmblütern, wie der Mensch einer ist.

Nach allen Regeln der Logik müsste die Stechmücke beim Blutsaugen eigentlich an einem Hitzeschock sterben. Ihre Körpertemperatur schnellt dabei von der Umgebungstemperatur auf 32 Grad Celsius hoch. Hat die Mücke fertig gesaugt, sinkt die Temperatur fast ebenso schnell wieder. Das überlebt kaum ein Tier. Und auch die Mücke nur dank einem Trick, den die Gelbfiebermücke der Wissenschaft offenbart hat. Diese Art kann zwar auch an Reptilien, also wechselwarmen Tieren, saugen und sich so den Temperaturstress meist ersparen. Trotzdem hat sie ernährungstechnisch nichts gegen Warmblüter einzuwenden. Sobald warmes Blut in ihren Saugrüssel kommt, bildet sie einfach blitzschnell ein Hitzeprotein. Das bewahrt ihre empfindlichen Verdauungsenzyme vor dem Hitzeschock.

Anophelesmücken haben noch eine andere Methode, um den Hitzeschock zu vermeiden. Sie scheiden einen Tropfen aus Urin und frisch gesaugtem Blut aus, der an ihrem Hinterteil haften bleibt. Lange Zeit rätselten Forscher, warum die Mücken das für sie so wertvolle Blut in verschwenderischer Manier gleich wieder abgeben. Schliesslich beobachteten Mitarbeiter der Universität Tours eine saugende Mücke durch eine Wärmebild-kamera. Des Rätsels Lösung: Sobald sie zu saugen beginnt, steigt die Temperatur im Kopf der Mücke stark an, im Hinterleib aber nur wenig. Der Trick ist der Tropfen – weil er verdunstet, wird die Mücke von hinten gekühlt. Und wenn sie nicht genug Urin für einen ausreichend grossen Kühlungstropfen hat, nimmt sie eben etwas Blut zu Hilfe. Kommt ja genug nach. Offenbar kann die Anophelesmücke ihre Körpertemperatur mit diesem Trick besonders gut tief halten. Davon profitieren auch die Malariaerreger, die sich im Körper der Mücke vermehren und für ihre normale Entwicklung auf eine niedrige Körpertemperatur des Wirtstiers angewiesen sind.

Mücken haben aber noch mehr drauf als den Umgang mit Temperaturschwankungen. Wie alle, die sich gerne draussen bewegen, aus leidvoller Erfahrung am eigenen Leib wissen, hält Regen die Stechmücken nicht vom Fliegen ab. Sie sind zwar am aktivsten, wenn es warm und leicht bewölkt ist. Dann nutzen sie Aufwinde, lassen sich gern einmal treiben und erreichen eine Fluggeschwindigkeit von 1,5 bis 2,5 Kilometern pro Stunde. Ist es regnerisch, bleiben die Insekten lieber in Bodennähe. Aber der Regen ficht sie kaum an. Die im Vergleich zu ihnen riesigen Regentropfen stellen keine Gefahr dar.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein geplagter Biologe auf die Idee kam, ein paar Mücken einzusperren und sie künstlich zu beregnen, um der Sache auf die Spur zu kommen. Und siehe da: Fliegt die Stechmücke durch heftigen Regen, kollidiert sie im Schnitt alle 25 Sekunden mit einem Tropfen. Forscher des Georgia Institute of Technology haben beobachtet, dass die Mücken meist an den Flügeln oder an den Beinen getroffen und dadurch in eine Drehung versetzt werden. Innerhalb von Sekundenbruchteilen jedoch nehmen die Insekten wieder ihre ursprüngliche Position ein. Werden sie am Körper getroffen, reisst der Tropfen sie bis zu 20 Körperlängen nach unten. Spätestens dann aber können sie sich vom Wasser befreien und weiterfliegen.

Eine durchschnittliche Stechmücke bringt nur gerade zwei Milligramm auf die Waage – kein Wunder, dass sie nicht zu spüren ist, wenn sie auf der Haut landet. Ein Wassertropfen ist etwa 50-mal schwerer. Trifft er die Mücke, ist das ungefähr so, als würde ein Mensch von einem Bus getroffen. Weil die Mücke aber sehr leicht und ausserdem stabil gebaut ist, überlebt sie den Crash schadlos.

Wegen der geringen Masse der Mücke wird bei der Kollision nur sehr wenig Kraft übertragen. Der Regentropfen verformt sich geringfügig, platzt aber nicht auf, wie er es beim Aufprall auf ein grösseres Objekt, etwa auf eine Libelle, tun würde. Kurz: Die Mücke wird nicht nass und verhält sich im Regen etwa so wie ein Sandsack beim Boxtraining, der einfach mit dem Schlag mitgeht.


Dabei sind die Kräfte, die auf die Mücke wirken, beachtlich. Schlägt ein Tropfen auf die Stechmücke auf, übt er die 50- bis 150-fache Kraft ihres Körpergewichts auf sie aus. Doch das Aussenskelett der Mücke ist derart stabil, dass es selbst zehnmal stärkeren Einwirkungen standhalten könnte – nicht aber dem schwungvollen Aufprall einer flachen Hand oder einer Zeitung, wenn die Mücke es sich unvorsichtigerweise an der Schlafzimmerwand gemütlich gemacht hat.

Alles in allem ist die Widerstandsfähigkeit der Stechmücken beeindruckend: Kurzfristig halten sie eine Belastung von bis zu 300 g aus. Das ist das 300-Fache der Erdbeschleunigung. Für Menschen sind schon 14 g in der Regel tödlich.

Neben starkem Wind, der einen kontrollierten Flug verunmöglicht, gibt es ein weiteres Wetterphänomen, das die Stechmücke zwingt, am Boden zu bleiben: den Nebel. Ein durchschnittlicher Regentropfen mit einem Durchmesser von einem halben bis zu fünf Millimetern (bei einem Wolkenbruch gar bis zu acht Millimetern) bringt die winzige Mücke nicht aus dem Konzept. Der viel harmloser wirkende Nebel hingegen schon. Er besteht aus Wassertröpfchen, die einen Durchmesser von nur 0,01 bis 0,1 Millimeter haben und in der Luft schweben.

Diese winzigen Tröpfchen sind ausgesprochen tückisch für die Stechmücke. Kommt sie mit ihnen in Kontakt, funktionieren ihre Schwingkölbchen, die sogenannten Halteren, nicht mehr richtig. Diese Flügelstummel haben die Form eines Trommelschlegels. Sie sitzen am Ansatz der Flügel und bewegen sich während des Flugs mit derselben Frequenz wie die Flügel, aber genau gegenläufig, auf und ab. So können die Mücken ihren Flug stablisieren, die Geschwindigkeit messen und sich im Raum orientieren.

Kommen nun ständig winzige Wassertröpfchen an die Schwingkölbchen, entstehen Fehlinformationen über Beschleunigung und Flugtempo. Die Mücke kann ihren Flügelschlag nicht mehr ausreichend kontrollieren und gerät ins Trudeln. Damit hätten wir doch noch etwas gefunden, was die Mücken im Zaum hält. Aber wer will schon bei Nebel am Flussufer picknicken?

Mücken und ihre Tücken

Warum juckt der Stich?

Ein Stich allein würde keinen Juckreiz auslösen. Schuld ist der Speichel aus dem Saugrüssel der Mücke: Er enthält einen Cocktail aus mehreren Substanzen. Manche davon verhindern die Blutgerinnung, damit der Rüssel nicht verstopft. Zudem braucht das Tier flüssiges Blut, da es geronnenes nicht verdauen kann. Andere Stoffe fördern die Hautdurchblutung des Opfers. Und etwas Betäubungsmittel schützt die Mücke vor vorzeitiger Entdeckung. Unser Immunsystem reagiert auf die körperfremden Proteine dieses Speichelcocktails und setzt eine heilende Entzündung in Gang. Die Haut rötet sich und schwillt an. Dabei setzen die Zellen das Gewebehormon Histamin frei, das den Juckreiz verstärkt. Die Immunreaktion beginnt etwa drei Minuten nach dem Einstich.

Was tun, wenn es juckt?

Kratzen ist eine schlechte Idee. Zwar erzeugt es eine Schmerzempfindung, die das Jucken überlagert. Doch sobald wir zu kratzen aufhören, juckt es noch stärker. Ein Teufelskreis. Besser ist Kühlen. Am einfachsten geht das, wenn man etwas Spucke auf die Einstichstelle gibt und verdunsten lässt. Feuchte Umschläge und kühlende Salben haben denselben Effekt. Auch Antihistaminika wirken oft gegen Juckreiz.

Wie schützt man sich?

Mücken finden ihre Opfer, indem sie der CO2-Spur folgen, die diese ausatmen. Sie orientieren sich auch an den Ausdünstungen. Überdecken kann man die Gerüche mit ätherischen Ölen oder Duftkerzen. UV-Lampenfallen («Insektengrill») sind gegen Mücken wirkungslos.