Heute trägt man das ökologische Statement auf dem Körper: Die Nachfrage nach Kleidern aus Biobaumwolle steigt Jahr für Jahr. Doch man vergisst leicht, dass viele dieser Klamotten mit billigen chemischen Färbemitteln behandelt sind und nach wie vor die Umwelt und die Arbeiter in den Textilfabriken der Billiglohnländer gefährden.

«Ich will dafür sorgen, dass Kleider von A bis Z ökologisch produziert werden können», sagt die 22-jährige Westschweizerin Caroline Fourré, die an der Zürcher Hochschule der Künste «Style & Design» studiert. Sie hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Stoffe färben lassen – und das gleich doppelt nachhaltig ist: Der Färbeprozess braucht vergleichsweise wenig Wasser und kommt vor allem ohne Gifte aus. Die Farbstoffe werden aus Lebensmittelabfällen gewonnen, die sonst bestenfalls im Kompost landen würden.

In der Winterthurer Ateliergemeinschaft Machwerk zeigt uns Fourré, wie das funktioniert. Die quirlige Studentin köchelt ein paar spezielle Süppchen: In alten Pfannen ziehen Brühen aus Blaukohlabschnitten, Granatapfel-, Avocado- und Zwiebelschalen. Die Avocadoschalen hat sie am Morgen in einem mexikanischen Restaurant vor der Entsorgung gerettet. «Dort wird alle zwei Tage eine grössere Menge Guacamole zubereitet», weiss sie. Die anderen Zutaten stammen aus landwirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben, die Granatapfelschalen etwa von einer Firma, die Fruchtsalat für Coop und Migros herstellt.

Quelle: Anne Seeger (Illustrationen)
Unerwartete Resultate

Ihre ersten Versuche mit Naturfarben hat Fourré mit Safran gemacht, der bereits im Mittelalter zum Einfärben von Stoffen verwendet wurde. Aber warum ein teures Gewürz einsetzen? Inspiriert von der Debatte um die Lebensmittelverschwendung, begann Fourré mit Rüstabfällen zu experimentieren. Und erlebte Überraschungen: Aus der Rande, die das Erdbeerjogurt tadellos rötet, entstand nur ein schwach färbender Sud. Mangoschalen sind nur im getrockneten Zustand brauchbar. Und die roten Granatapfelschalen verwandeln ein weisses Shirt verblüffenderweise in ein gelbes.

Zudem hat sich herausgestellt, dass die tierischen Fasern Seide und Wolle die Farben am besten annehmen – und der Farbton je nach Stoff variieren kann: Rotkohl führt auf Seide zu einem blauen, auf Baumwolle hingegen zu einem violetten Farbresultat.

Fourré stellte eine Farbpalette zusammen. Frisch und pastellfarben sollte sie daherkommen. Eher düstere Naturtöne wie das Grün, das sie mit Chicorée rosso erreichte, fielen raus, «weil ich keine muffigen Hippiefarben wollte».

Tatsächlich scheint Fourré mit ihrer modischen Palette und dem nachhaltigen Färbeprozess den Nerv der Zeit zu treffen. Die Schweizer Firma Calida hat ihr ungefärbte Kleidungsstücke für eine Versuchsreihe zur Verfügung gestellt und zeigt Interesse am Resultat. Derzeit prüft der Wäschehersteller, ob sich Fourrés Gemüsefarben auch industriell anwenden lassen und ob sie dann immer noch licht- und waschecht sind. «Wenn die Ergebnisse zufriedenstellend sind», sagt Fourré – und es klingt, als wäre sie seit Jahrzehnten in der Textilbranche unterwegs –, «ist es möglich, dass wir gemeinsam eine kleine Serie produzieren.»

Quelle: Anne Seeger (Illustrationen)
«Green Fashion liegt im Trend»

Damit wäre die Studentin ihrem Ziel einen grossen Schritt nähergekommen. Denn sie möchte ihre Idee nicht bloss als weiteres Fashion-Kunstprojekt verstanden wissen, sondern etwas bewegen. «Green Fashion liegt im Trend. Die Konsumenten sind bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen. Und die Textilfirmen wollen sich als nachhaltig positionieren.»

Unterdessen sind die Lebensmittelabfälle ausgekocht und die Färbebäder abgesiebt. Im Atelier hat sich ein hartnäckiger Kohlduft ausgebreitet. Fourré legt die vorbehandelten, nassen Stoffe in die Pfannen und lässt sie unter gelegentlichem Rühren eine Stunde lang darin ziehen. Der Stoff wirft gelbe, grüne und blaue Blasen – beinahe wähnt man sich in einer indischen Hinterhoffärberei.

Endlich ist es so weit. Fourré zieht das blaue T-Shirt mit spitzen Fingern aus dem heissen Sud. Das seidene Blaukohl-Shirt hat eine hübsche pastellblaue Farbe angenommen, die Granatapfel-Bluse leuchtet in zartem Goldgelb, die roten Zwiebelschalen haben beige-kaki und die Avocadoschalen lachsfarben gefärbt. Jetzt müssen die Textilien nur noch in einer schwachen Essiglauge fixiert und anschliessend getrocknet werden.

Fourré hat sich den Pfannen zugewendet, schrubbt Arbeitsflächen und Kellen. Zuletzt stopft sie die Gemüsereste in eine Tüte. Sie wird sie den Gründern der Kompostierfirma «WormUp» bringen. Die seien begeistert: «Das verrottet schneller als rohes Gemüse.»

Quelle: Anne Seeger (Illustrationen)