Das dreistöckige Haus liegt idyllisch zwischen dem Walensee und den steilen Felshängen der Churfirsten. Doch Assad Ghaemmaghami und seine Familie können die Umgebung nicht geniessen: Der Neubau beschert ihnen seit dem Einzug vor drei Jahren nichts als Ärger.

Das Haus ist undicht. Überall sind Spuren des eindringenden Wassers zu sehen: Schimmel in den Ecken, aufgequollenes Parkett, Risse innen und aussen an den Wänden.

Partnerinhalte
 
 
 
 

«Unter der Bauleitung der Architekten wurde hier gewütet», sagt Ghaemmaghami. Überall im Haus zeigt er auf Schäden und Schlampigkeiten. Einige davon sind gefährlich: Die Innentreppe musste er selber mit einem provisorischen Geländer sichern. Und beim unsachgemäss angeschlossenen elektrischen Backofen konstatierte der herbeigerufene Techniker «Lebensgefahr».

Am Anfang der Geschichte stand ein verlockendes Angebot. Eigentlich wollte der Psychologe Ghaemmaghami neben seinem Wohnhaus ein Nachbarhaus kaufen und zur Praxis umbauen. Das sei aber teurer als ein Neubau für Wohnung und Praxis, rechneten ihm die jungen Architekten Thomas Keller und Richard Brander vor. Ghaemmaghami vertraute ihnen und verkaufte sein Wohnhaus.

Umso grösser war die Ernüchterung nach dem – verspäteten – Einzug Ende April 2000. Dass der Bau schadhaft war, war auch den Architekten bewusst: Brander meldete im August der Bauwesenversicherung beschädigte «Wände und Decken über drei Stockwerke», weil Wasser durch das Flachdach eingedrungen war. Ein von der Versicherung beigezogener Experte stellte massive Schäden fest und lastete viele «Planungsfehler» den Architekten an.

Damit endete die einvernehmliche Phase: Die Architekten nahmen fortan nicht mehr an den Besprechungen zur Schadensbehebung teil – und klagten den Bauherrn ein. Obwohl ein Pauschalhonorar von 46000 Franken vereinbart war, verlangten sie weitere 34'000 Franken für Zusatzleistungen.

Später folgten sogar Rechnungen für die Besprechung der Schäden – insgesamt verlangten Keller und Brander das Dreifache des ursprünglichen Pauschalbetrags. Dieses Verhalten deute auf «Arglistigkeit» hin, kommentierte der Hausverein Ostschweiz in einem Gutachten für Ghaemmaghami.

Der Bauherr seinerseits verklagte Keller und Brander auf 1,8 Millionen Franken Schadenersatz. Die gerichtliche Auseinandersetzung ist inzwischen ausgeufert.

«Dass der Bau Mängel aufweist, ist unbestritten», gibt der Ostschweizer Anwalt der Architekten zu. «Wer die Schäden zu verantworten hat, steht aber bis heute nicht fest.» Es sei «denkbar», dass «einzelne Schäden» auch durch seine Mandanten verursacht seien. Man müsse zuerst die Verantwortlichkeiten klären und dann den Architekten und Handwerkern Gelegenheit zu Nachbesserungen geben.

«Die Bauunternehmer machen die Architekten verantwortlich und weigern sich, falsch bestellte Bauteile zu ersetzen und Gratisarbeit zu leisten», sagt Ghaemmaghami. Für ihn ist klar: «Die Architekten hatten sowohl die Bauplanung wie auch die Bauleitung und tragen damit die Hauptverantwortung.»

Der Konflikt ist typisch: «Sobald Schäden auftreten, schieben sich Architekten und Handwerker oft gegenseitig den schwarzen Peter zu», sagt Luzius Theiler vom Hausverein. «Verlierer ist meist die Bauherrschaft.» Denn diese muss zuerst mühsam feststellen, wen sie haftbar machen kann. Rund die Hälfte der Beratungszeit des Hausvereins wird für Baupfuschfälle aufgewendet.

Auch beim Beobachter-Beratungszentrum ist Baupfusch ein Dauerbrenner: Jahr für Jahr suchen Tausende Rat, wie sie Generalunternehmer, Architekten und Handwerker dazu bewegen können, angerichtete Schäden zu beheben. Die Abwehrtaktiken der Bauprofis sind vielfältig. Zusätzlich erschweren unübersichtliche und veraltete Gesetzesparagraphen die Lage der Baupfuschopfer.

Mangels griffiger Gesetze werden oft die Ordnungen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) zur Vertragsgrundlage. Doch diese fassen die Architekten mit Samthandschuhen an. So haften sie gemäss SIA-Ordnung 102 nur bei «verschuldeter fehlerhafter» Auftragserfüllung. «Das ist vor Gericht ebenso schwer zu beweisen wie die Kunstfehler eines Arztes», kommentiert Theiler. Dagegen sieht die SIA-Ordnung 118 für Bauunternehmer und Handwerker eine strengere Haftung vor: Sie haften, wenn sie nicht nachweisen können, dass ihre Arbeit mängelfrei ist.

«Der Architekt trägt mit der Planung und der Bauleitung nur eine Teilverantwortung für einen erfolgreichen Bau», rechtfertigt Jürg Gasche vom SIA-Rechtsdienst die unterschiedlichen Regeln. «Die Hauptverantwortung für die mängelfreie Ausführung tragen die Bauunternehmer.» Anders sieht es Hildegard Fässler.

In einer Motion fordert die SP-Nationalrätin und Co-Präsidentin des Hausvereins strengere Haftungsregeln für Architekten. «Auch bei Architekturleistungen muss klar festgelegt werden, wer zuständig ist.»

Konkret verlangt Fässler klarere Regeln zu Garantie- und Haftungsfristen – denn oft scheitern Bauherren an den Verjährungsbestimmungen, obwohl sie Mängel rechtzeitig gerügt haben. Zudem verlangt die Motion finanzielle Garantien für Haftungsansprüche: Es nützt wenig, gegen Baupfuscher Recht zu bekommen, wenn diese im Konkurs sind. Auftragnehmer sollen Bank- oder Versicherungsgarantien für die Haftung vorweisen müssen.

«Diese Forderungen machen Sinn», kommentiert Beobachter-Experte Marc Caprez. Bundesrat und Parlament zeigen jedoch wenig Interesse an einer besseren Regelung zugunsten von Baupfuschopfern. Die Regierung beantwortete den Vorstoss mit Floskeln und vertröstete vage auf eine Überprüfung des Werkvertragsrechts zu einem späteren Zeitpunkt. Die bundesrätliche Antwort war so diffus, dass sich die Bundeskanzlei schriftlich bei Hildegard Fässler entschuldigte. Der Nationalrat überwies den Vorstoss schliesslich bloss als unverbindliches Postulat: Der Bundesrat muss lediglich prüfen, ob Massnahmen nötig sind; eine Motion hätte ihn zu konkreten Vorschlägen verpflichtet.

Damit wird die rechtlich unbefriedigende Situation auf unbestimmte Zeit zementiert. Baupfuschopfer werden weiterhin langwierige Prozesse auf sich nehmen müssen, um Recht zu bekommen – während sie in ihren schadhaften Häusern gefangen bleiben. «Unser ganzes Leben dreht sich nur noch um dieses Haus», klagt Ghaemmaghamis 25-jährige Tochter Pearl. Die fünfköpfige Familie drängt sich in jenen Räumen zusammen, in denen der Modergeruch am schwächsten ist.