So wünscht man es sich als Bauherr: vollständig eingebaute Fenster im neuen Heim, bevor die Tinte unter dem Vertrag mit dem Lieferanten richtig trocken ist. Bei Hans-Stefan und Ruxandra Hascher aus dem aargauischen Magden schlug die ungläubige Freude über die drei Wochen zu früh gelieferten Scheiben allerdings schnell in Ärger um. Und mittlerweile kümmern sich Anwälte um den Fall.

Grund für den Streit ist der Ug-Wert der eingebauten Fenster – oder korrekt: der Wärmedurchgangskoeffizient für deren Glas. Je tiefer dieser ist, desto besser. Bauherr Hans-Stefan Hascher hatte sich zum Ziel gesetzt, dass das Haus aus dem Jahr 1984 nach dem Umbau bessere Energiewerte aufweist als ein Minergie-Bau. Dazu gehören Sonnenkollektoren für Heizung und Warmwasser mit einer unterstützenden Wärmepumpe, eine Fassadenisolation – und wärmedämmende Fenster. Diese sollten gemäss Werkvertrag mit der Frenkendorfer Fenster- und Fassadenbaufirma Häring AG einen Ug-Wert von 0,7 aufweisen, ein Wert, wie er auch für Häuser nach Minergie-Standard zur Anwendung kommt. «Die Fenster sind der kritischste Teil des Wärmesystems», sagt Diplomingenieur Hascher. «Die gesamte Heizungsanlage wurde auf diesen Wert ausgerichtet.»

Zur Überraschung der Bauleitung begannen Arbeiter der Häring AG schon am 23. Dezember 2008 mit der Montage – bloss vier Tage nach der Vertragsunterzeichnung und rund drei Wochen früher als vereinbart. Hans-Stefan Hascher wurde stutzig, zumal die Arbeiter entgegen dem Branchenusus sämtliche Aufkleber mit den technischen Daten der eingebauten Fenster gleich nach der Montage entfernten.

Hascher griff zum Zollstock und mass nach. Bestellt hatte er laut Vertrag Fenster mit einem ganz bestimmten Aufbau: einer Dreifachverglasung mit dreimal vier Millimetern Glas und zwei Zwischenräumen à zwölf Millimeter. In der Fachsprache heisst das «EN 4/12/4/12/4». Dabei zählt jeder Millimeter: Nur wenn die Abstände zwischen den Scheiben exakt eingehalten werden, die Zwischenräume mit einem Edelgas – meist Argon – gefüllt sind und überdies die Innenseiten der Gläser mit einer wärmedämmenden Beschichtung überzogen sind, kann ein Ug-Wert von 0,7 erreicht werden. Der vereinbarte Mindestabstand war jedoch nach Haschers Messungen nur bei drei von 47 Fenstern eingehalten. Nach seinen Berechnungen kommt Hascher auf einen Ug-Wert von 1,2.

Zu hohe Werte – nur falsch angeschrieben?

Bei zehn Fenstern fehlte zudem der – laut SIA-Norm vorgeschriebene – Aufdruck mit den technischen Angaben. Bei anderen Fenstern stand der Name einer in Ungarn ansässigen Fensterbaufirma drin, obschon in Ausschreibung und Offerte explizit von Glas eines Schweizer Herstellers die Rede gewesen war. Auch die Ug-Werte entsprachen bei den meisten Fenstern nicht dem Vertrag: Statt 0,7 fand Hascher Ug-Werte von 0,8 oder gar 1,1 aufgedruckt. Letzteres sei bloss ein falscher Aufdruck wegen eines «Softwarefehlers» bei der Produktion, erklärte die ungarische Firma auf Haschers Intervention hin.

Was nach Pedanterie klingt, kann durchaus drastische Auswirkungen haben: Bei einem Ug-Wert von 0,8 geht rund 15 Prozent mehr Wärme durch die Fenster verloren als bei einem Wert von 0,7. Bei einem Ug-Wert von 1,1 sind es schon 57 Prozent. «Bei einem Haus mit hohen Fenstern auf der Nordseite kann es einen Kaltluftabfall und damit eine Einschränkung des thermischen Komforts geben», sagt Heinz Weber, Dozent für Bauphysik an der Berner Fachhochschule.

Hans-Stefan Hascher beanstandete die fehlerhafte Lieferung, fand bei der Häring AG jedoch erst einmal wenig Gehör. Sitzungen und Korrespondenz brachten keine Einigung, eine Minderwertentschädigung lehnte Hascher ab. Die Häring AG erklärte sich darauf zu einer Untersuchung der umstrittenen Scheiben durch eine unabhängige Stelle bereit, allerdings nur unter der Bedingung, dass Hascher einwillige, bei einem für die Firma positiven Befund die Kosten zu übernehmen.

Daran jedoch dachte dieser nicht im Traum: «Wir haben einen Vertrag nach der SIA-Norm 118 abgeschlossen», erklärt er. «Darin ist festgehalten, dass bei Mängeln der Lieferant beweisen muss, dass alles in Ordnung ist, nicht umgekehrt.»

Fensterfirma sucht einvernehmliche Lösung

Dass gewisse Fenster einen Ug-Wert von 0,8 statt 0,7 aufweisen, hat die Häring AG eingestanden – und erklärt die Tatsache mit einbruchssicherem Verbundsicherheitsglas. Dieses sei im Vertrag nicht erwähnt, aber auf Wunsch Haschers eingebaut worden, erklärt der Anwalt der Firma. Solche Fenster wiesen zwangsläufig einen schlechteren Ug-Wert auf. Verbundsicherheitsglas habe er tatsächlich verlangt, bestätigt Bauherr Hascher: «Und in der letzten Offerte der Häring AG war dieser Punkt explizit erwähnt.»

Hans-Stefan Hascher wirft der Häring AG «Arglist» vor und verlangt eine Auswechslung der falsch gelieferten Fenster. Der von Häring zugezogene Anwalt will nun mit Haschers Rechtsvertreter eine einvernehmliche Lösung suchen. Eine Auswechslung der Fenster komme jedoch «angesichts der geringen Differenz der Ug-Werte» nicht in Frage, allenfalls eine Minderwertentschädigung.