Wohneigentum: Was ist ein Haus wert?
Wieviel ist ein Haus wert? Welchen Preis kann man für eine Wohnung einsetzen? Ertrags- Substanz- oder Verkehrswert: Der Preis variiert je nach Berechnungsart.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Mindestens 600000 Franken müsste ein Käufer schon für das tadellos gepflegte Haus hinblättern, malte sich Markus Bieri aus. Schliesslich hatte er selber vor acht Jahren schon eine halbe Million Franken für die Liegenschaft gezahlt. Doch weit gefehlt: Trotz zahlreichen Inseraten fand er erst nach sechs Monaten einen Käufer und der wollte nur 420000 Franken bezahlen.
Wie Markus Bieri erleben derzeit viele Hausverkäufer ihr blaues Wunder. Die Preise für Liegenschaften sind nach jahrelangem Anstieg markant gesunken. Eigentumswohnungen haben gemäss Immobilienindex der Zürcher Kantonalbank seit 1990 über 15 Prozent ihres Werts verloren, Einfamilienhäuser fast 25 Prozent. Der Preiszerfall ist vorab auf die gesunkenen Bodenpreise zurückzuführen. Deshalb ist der Preisrückgang beim Stockwerkeigentum weniger ausgeprägt.
Kühne Vorstellungen
Viele Besitzer von Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern haben unrealistische Vorstellungen über den Wert ihres Objekts. Ein renovationsbedürftiges Drittklassobjekt an unvorteilhafter Lage wird im eigenen Empfinden leicht zum begehrten «Bijou mit gehobenem Ausbaustandard an aussergewöhnlicher Lage». Die harte Realität zeigt sich erst, wenn sich kein Käufer findet, der die geforderte Summe auf den Tisch legt.
Die gute Bewertung
In der Praxis haben sich verschiedene Methoden zur Immobilienbewertung etabliert. Zu den traditionellen Verfahren zählen Ertragswert-, Realwert- und Verkehrswertmethoden, wie sie Immobilientreuhänder, Banken, Architekten oder Gebäudeversicherungen anwenden:
Alle drei Bewertungsmethoden basieren auf der Idee, aus messbaren Grössen einer Immobilie einen Wert zu bestimmen, der dem realen Marktwert entspricht.
Die hedonische Bewertung funktioniert völlig anders. Hier erfolgt die Liegenschaftsbewertung auf der Basis von effektiv bezahlten Marktpreisen sowie aufgrund zahlreicher Faktoren, die den Wert einer Immobilie mitbestimmen. Für brauchbare Ergebnisse wird jedoch eine Menge verlässlicher und aktueller Daten benötigt, die in komplizierte Berechnungen einfliessen. Herkömmliche Immobilienschätzer können Bewertungen nach diesem Ansatz deshalb nicht vornehmen.
Die hedonische Bewertungsmethode wurde schon in den fünfziger Jahren entwickelt und wird im Ausland, etwa in den USA, schon seit Jahren angewandt. In der Schweiz begann die Zürcher Kantonalbank (ZKB) 1996 als erste im grossen Stil damit zu arbeiten. Sie bietet diese Methode ihren Kunden allerdings nicht an, sondern verwendet sie nur intern für die Vergabe von Hypothekarkrediten.
«Die Methode ist sehr präzis und wird sich in Zukunft für Standardobjekte durchsetzen», glaubt Marco Salvi von der Abteilung Volkswirtschaft und Risikocontrolling bei der ZKB. Dasselbe findet Urs Hausmann von der Zürcher Wohnraumbewertungsfirma Wüest & Partner: «Die herkömmlichen Bewertungs-methoden», sagt er, «können den Markt nie gleich gut abbilden. Bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen werden sie künftig von der hedonischen Methode verdrängt.»
Methode mit Zukunft
«Die neuen Ansätze haben durchaus ihre Berechtigung», räumt auch Albert Petermann, Zentralsekretär des Schweizerischen Verbands der Immobilien-Treuhänder (Svit) ein. Auf klassische Bewertungsmethoden und Immobilienschätzer werde man jedoch auch künftig nicht verzichten können.
Vor allem bei speziellen Objekten, der Beurteilung der Bausubstanz und bei Liegenschaften mit wertvermindernden Servituten (etwa Bauverbote, Nutzniessungs-, Wohn- oder Wegrechte).
Auf die hedonische Bewertungsmethode setzt das Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien (IAZI) in Bülach. Es erfasst seit Mitte 1996 die tatsächlich bezahlten Preise von Liegenschaften und Grundstücken. Die anonymisierten Zahlen stammen hauptsächlich von Schweizer Banken (Zürcher, Walliser, Genfer und Waadtländer Kantonalbank, Credit Suisse). Zudem liefern auch Pensionskassen und Immobilientreuhandfirmen Zahlenmaterial.
Um den tatsächlichen Marktwert einer Liegenschaft zu ermitteln, berücksichtigt das IAZI neben dem bezahlten Verkaufspreis zusätzlich rund 25 Faktoren wie Wohnfläche oder Anzahl Zimmer, unter anderem aber auch der Steuersatz der Gemeinde, ihre Nähe zu grösseren Städten, das dortige Mietzinsniveau, der Ausländeranteil sowie der Einfluss des Tourismus in der Gemeinde.
Vergleiche möglich
Für rund 3000 Gemeinden, ja sogar für einzelne Quartiere in Städten lassen sich diese Faktoren bestimmen und erlauben eine genaue Wertbestimmung. So hat beispielsweise nach den Berechnungen des IAZI eine vier Jahre alte 4-Zimmer-Eigentumswohnung mit 110 Quadratmeter Wohnfläche und 15 Quadratmeter Balkon in St. Moritz einen Marktpreis von 724000 Franken. In der Stadt Zürich hat ein gleiches Objekt einen Marktwert von 586000 Franken, in Biel von 429000 und in Langenthal von 406000 Franken.
Welche Bewertungsmethode für Liegenschaften am genausten ist, daran scheiden sich die Geister. Klar ist, dass keine die Realität exakt wiedergibt. «Bei zwei Dritteln aller Handänderungen ist die Abweichung von unserem geschätzten Wert zum tatsächlich bezahlten Preis kleiner als 10 Prozent», sagt Donato Scognamiglio vom IAZI. Für Svit-Zentralsekretär Albert Petermann ist dies allerdings eine zu optimistische Aussage.
Die Wahl der Bewertungsmethode ist auch eine Preisfrage. Je nach Schätzer, Grösse des Objekts, Unterlagen zur Liegenschaft und Umfang des schriftlichen Berichtes kostet eine professionelle Schätzung nach klassischer Ertragswert-, Realwert- und Verkehrswertmethode 1000 bis 2000 Franken. Eine Wohnraumbewertung nach hedonischer Methode ist dagegen viel günstiger zu haben.
Zu welchem Preis sich Wohneigentum tatsächlich verkaufen lässt, bestimmen aber weder die Art der Bewertungsmethode noch der dafür bezahlte Preis, sondern nur die Käufer. Zudem spielen bei einem Liegenschaftsverkauf geschicktes Vorgehen, Zeitdruck und Verhandlungsgeschick des Verkäufers und des Käufers eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren berücksichtigt keine noch so ausgeklügelte Wohnraumberechnung.